Streit der Golftouren und Saudi-Arabien:Feind wird Freund

Streit der Golftouren und Saudi-Arabien: Phil Mickelson ist der erste Vertreter der LIV-Angelegenheiten unter den amerikanischen Spielern. Er freut sich über den Deal.

Phil Mickelson ist der erste Vertreter der LIV-Angelegenheiten unter den amerikanischen Spielern. Er freut sich über den Deal.

(Foto: Seth Wenig/dpa)

Ein Jahr lang stritten sich US-Amerikaner und Saudis um die Vorherrschaft im Golf. Es ging um Fragen zu Prinzipien und Profiten. Nun führt ein Hinterzimmer-Deal die Parteien zusammen - die Konsequenzen sind weitreichend.

Von Felix Haselsteiner

Eine der existenzielleren Streitigkeiten der Sportgeschichte hat ihr Ende vor den Kameras von CNBC gefunden. Am Dienstagnachmittag lächelten sich im Studio des US-Fernsehsenders zwei Männer an, die das vergangene Jahr den Streit der Golftouren ausgetragen hatten: Jay Monahan, Commissioner der PGA Tour und selbsterklärter Anführer der westlichen Golfwelt, und Yasir Al Rumayyan, CEO des Public Investment Funds (PIF) des saudi-arabischen Königshauses und Finanzier der LIV Tour. Die beiden führten 14 Monate lang einen Kampf, der auf Golfplätzen, in Interviews und in Gerichtssälen ausgetragen wurde - nun saßen sie nebeneinander und erzählten auf fast bizarre Weise vom vorübergehenden Ende eines Dramas.

Über einen Vermittler seien beide in London aufeinander getroffen. "Wir hatten ein Mittagessen, am nächsten Tag spielten wir eine Runde Golf, dann waren wir wieder Mittagessen", erzählte Al Rumayyan, neben ihm nickte Monahan freundlich, und wären da nicht Milliarden Dollar im Spiel, würde es in der Sache nicht um Sportswashing, um politischen Einfluss, im weitesten Sinne um 9/11 und den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi und nebenbei auch um die Zukunft einer Sportart gehen, hätte man beiden dazu gratulieren können, dass sie offensichtlich Freunde geworden sind.

Es geht allerdings um all das im Streit zwischen LIV und PGA Tour, der nun offiziell beigelegt ist mit einem Deal, der aus dem Nichts kam: Die US-amerikanische, die saudi-arabische und die europäische Golftour gaben am Dienstag bekannt, eine gemeinsame Einheit formen zu wollen. Alle Details sollen in den kommenden Wochen und Monaten ausgearbeitet werden und sind derzeit noch unklar, es handelt sich erst einmal "nur" um die Erklärung der Bereitschaft dazu - selbst ein Name fehlt für die neue Organisation noch, der sei laut offizieller Mitteilung noch zu bestimmen.

Fest steht: Finanziert wird die Gemeinschaft des Golfsports ab sofort vom saudi-arabischen Staatsfonds. Al Rumayyan wird Vorsitzender der Gemeinschaft, Monahan soll als CEO fungieren. Das Königreich Golf ist damit neu aufgeteilt, und die Krönung haben die Verhandelnden auch gleich vollzogen - zumindest vorerst.

Monahan verkündete den Deal als großen Erfolg für die amerikanische Seite, die ihm das allerdings nicht abkaufte. In fix eingerichteten Sondersendungen kamen allerlei Kritiker zu Wort, die sich im vergangenen Jahr noch für die PGA Tour (und ihren Commissioner) eingesetzt hatten: Der angesehene Experte Brandel Chamblee etwa sagte, das sei "einer der traurigsten Tage in der Geschichte des Golfsports": Die Golfverbände hätten allesamt ihre "Prinzipien für Profite aufgegeben".

Lautstarke Kritik kam auch aus der US-Öffentlichkeit: Als "bezahlte saudische Lockvögel" bezeichnete die Vorsitzende der Angehörigenvereinigung der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001, 9/11 Families-United, Monahan und die PGA Tour: Sie würden "Milliarden von Dollar nehmen, um den saudischen Ruf zu säubern, damit die Amerikaner und die Welt vergessen, wie das Königreich vor dem 11. September seine Milliarden von Dollar ausgab, um den Terrorismus zu finanzieren (...)".

Ist der US-Verhandler Monahan, der sich als letzter weißer Ritter stilisierte, plötzlich zum Überläufer geworden?

Frustriert sind viele vor allem deshalb, weil Monahan im Lichte der Zusammenführung seine moralischen Maßgaben aus dem vergangenen Jahr vergessen zu haben scheint. Monahan stilisierte sich immer wieder als der weiße Ritter der westlichen Welt, der den Golfsport vor den Saudis retten wollte und der die Integrität der eigenen Tour hervorhob - nun allerdings war es er allein, der einen Deal einfädelte, mit dem Saudi-Arabien letztendlich in Rekordzeit all seine Ziele erreichen konnte: Die LIV-Tour stellte sich als perfektes Vehikel heraus, um Druck auf ein bestehendes System auszuüben und es dann aufzukaufen, weshalb Al Rumayyan vonseiten der LIV-Spieler öffentlich gelobt wurde. "Ein großartiger Tag heute", schrieb Phil Mickelson, 52, vorderster Vertreter der LIV-Angelegenheiten unter den amerikanischen Profis.

Mickelson hatte wie viele andere von den Saudis hohe zwei- bis dreistellige Millionensummen für seinen Wechsel erhalten, nun spricht vieles dafür, dass die LIV-Spieler mit der Zeit auch wieder in das alte System integriert werden. Daher sind vor allem diejenigen die Leidtragenden, die aus moralischen Gründen auf einen Wechsel (und viel Geld) verzichteten und sich nun von Monahan betrogen fühlen. Der stellte sich bei einem nicht-öffentlichen Spielermeeting vor den Canadian Open, die in dieser Woche stattfinden, der Kritik: Anwesende beschrieben es als "sehr laute" Veranstaltung. Als Spieler eine Neubesetzung der PGA-Tour-Führung forderten, gab es Standing Ovations.

Die PGA Tour definierte sich bislang nicht nur als eine der großen US-Sportligen, sondern auch als Non-Profit-Organisation, deren einziger Zweck ist, den Sport zu vermarkten und eine Bühne für Spieler zu sein. Diese Unabhängigkeit wurde nun an Finanziers aus Saudi-Arabien abgegeben, die damit plötzlich massiven Einfluss im US-Sport haben. Noch dazu geschah das alles in sieben Wochen, bei Privatverhandlungen weniger Männer in Hinterzimmern und auf Golfplätzen, in die kein Spieler involviert war - nicht einmal einflussreiche Charaktere wie Tiger Woods und Rory McIlroy, die ein Jahr lang für Monahan die Integrität der PGA Tour lautstark verteidigt hatten.

McIlroy meldete sich am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz zu Wort. Er "hasse" LIV weiterhin und hoffe, dass die Tour an sich verschwinde. Dass der PIF als Geldgeber im Golf unausweichlich sei, sah er allerdings ein: "Immerhin kann man jetzt kontrollieren, wie das Geld ausgegeben wird."

Der Nordire hielt sich in seinen öffentlichen Worten sichtlich zurück, Woods verzichtete bisweilen auf ein Statement. Wie stark sich beide hinter den Kulissen involvieren und ob sie eine mögliche Revolte der PGA-Spieler anführen oder unterbinden sollten, dürfte darüber mitentscheiden, ob Monahan tatsächlich der CEO einer neuen Weltorganisation im Golfsport wird - oder ob ihn seine neu gewonnene Freundschaft zu Al Rumayyan auch den Job kostet. Die moralische Integrität des Golfsports, die Monahan mehr als ein Jahr lang proklamierte, ist seit Dienstag jedenfalls Geschichte.

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