BMW International Open:Neue deutsche Golfwelle

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Einer von vielen aussichtsreichen Deutschen in Eichenried: Marcel Siem. (Foto: Christian Kolbert/kolbert-press/Imago)

Vier Siege in den vergangenen zehn Monaten bestätigen den Trend: Deutschlands Golfer können auch in der Spitze wieder mithalten. Vor dem Turnier in Eichenried schürt das Hoffnungen auf einen lang ersehnten Heimsieg.

Von Felix Haselsteiner, Eichenried

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des deutschen Golfsports kamen nacheinander im Pressebereich der BMW International Open an. Alex Cejka, 52, wartete schon einige Minuten im Hintergrund an einem Tisch lehnend, Maximilian Kieffer, 32, und Matthias Schmid, 25, scherzten mit den Mikrofonen, Nick Bachem, 23, und Marcel Siem, 42, komplettierten ein Bild, das man so in Eichenried lange nicht gesehen hatte: Fünf Deutsche bei einer Pressekonferenz, allesamt in der näheren Vergangenheit höchst erfolgreich - und möglicherweise auch in der näheren Zukunft.

Das Eichenrieder Golfturnier steht in diesem Jahr ganz im Zeichen der neuen deutschen Golfwelle, mit beeindruckenden Zahlen: 20 Profis und zwei Amateure aus Deutschland schlagen von Donnerstag bis Sonntag nordöstlich von München ab, das allein ist schon ein Rekord. Es ist allerdings nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ beeindruckend, wie stark sich die deutschen Golfer aktuell präsentieren.

"Ich hab meine beste Zeit schon hinter mir. Die sind alle jünger als meine eigenen Kinder", sagte Cejka, der als dienstältester Profi normalerweise erfolgreich auf der amerikanischen Seniorentour spielt (zwei Siege in den vergangenen zwei Saisons), nun aber zum ersten Mal seit langer Zeit wieder in München zu Gast ist. Seit inzwischen zwei Jahrzehnten lebt Cejka in den USA und erinnert sich an Zeiten, in denen er dort mehr oder weniger alleine die deutsche Fahne hochhielt: "Damals waren Bernhard Langer und ich dort, dann kam Martin Kaymer noch dazu, Marcel Siem immer mal wieder."

Hinter dem gewohnten Quartett allerdings tat sich wenig: Die Nachwuchsarbeit Anfang des Jahrtausends war unzureichend, es fehlten allerdings nach dem Ende von Langers bester Zeit in den Neunzigerjahren auch die großen Erfolge, die junge Spieler hätten inspirieren können. Erst Kaymers zwei Siege bei Major-Turnieren schafften den Wandel: "Als Martin 2010 in Whistling Straits gewann, da bin ich bis nachts vor dem Fernseher gesessen", sagte Schmid über dessen Sieg bei den PGA Championships: "Er war definitiv eine meiner prägenden Figuren."

Auf Kaymers Siege - unter anderem auch den bislang letzten Heimsieg in Eichenried 2008 - folgte ein kleiner Golf-Boom in Deutschland

Auf Kaymers Siege - unter anderem auch den bislang letzten Heimsieg in Eichenried 2008 - folgte ein kleiner Golf-Boom in Deutschland, der sich erst in der Breite und nun auch in der Spitze auszahlte. Kaymer selbst darf in diesem Jahr übrigens nicht an den Start gehen, da er inzwischen auf der saudi-arabischen LIV-Tour spielt und daher von der europäischen Tour ein Spielverbot bekommen hat.

Auf der LIV-Tour fehlen ihm die Erfolge noch, vier Deutsche haben dafür in den vergangenen zehn Monaten auf der europäischen DP World Tour Turniere gewonnen: Kieffer im vergangenen August in Tschechien, Yannik Paul im Oktober auf Mallorca, Siem im Februar in Indien und schließlich auch noch Nick Bachem im März in Südafrika. "Lebensverändernd" sei so ein Sieg, sagte Bachem, da man nun nicht mehr Woche für Woche um eine Startberechtigung kämpfen müsse. Wenngleich er einschränkte: "Es hat sich viel geändert, aber das Golfen bleibt gleich." Die Entspannung darüber, dass der deutsche Golfsport in der Breite konkurrenzfähig dasteht, ist allerdings spürbar: Gegenseitige Unterstützung und Ratschläge gibt es in dieser Atmosphäre auch zwischen den Spielern, was im Golf eher ungewöhnlich ist.

Da allerdings Cejka meist in den USA weilt und sich auf der Senioren-Tour mit Bernhard Langer duelliert, nimmt die Papa-Rolle vor Ort eher Marcel Siem ein, genau wie zu Hause: "Ich habe die letzten zwei Wochen gar nicht gespielt, sondern Zeit mit den Kindern verbracht", sagte Siem, der sich erst lachend freute, in München "endlich mal wieder den alten Alex zu sehen" - danach aber auch noch väterlich als Sprecher fungierte: Dass dieses Jahr mit Kieffer, Paul und Bachem am Donnerstag und Freitag auch eine deutsche Dreier-Gruppe gemeinsam spiele, sei auf der Tour zwar untypisch, aber "längst mal notwendig" gewesen: "Man sollte das unbedingt beibehalten", sagte Siem, der seinerseits mit dem englischen Ryder-Cup-Kapitän Luke Donald zusammenspielen wird.

Inmitten der deutschen Erfolge braucht es Donald vermutlich zur Krönung. Nach Langer und Kaymer besteht in diesem Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit die Chance darauf, dass beim prestigeträchtigen Teamwettbewerb zwischen Europa und den USA auch ein deutscher Starter nominiert wird - Paul und Siem bieten sich drei Monate vor dem Turnier in Rom aussichtsreiche Chancen, beide stehen daher unter besonderer Beobachtung: Eine "kleine Schippe mehr Druck" spüre er schon, in Gegenwart von Donald zu spielen, sagte Siem.

Das Heimpublikum habe bei ihm in der Vergangenheit auch immer wieder zur Nervosität beigetragen, sagte Siem, er habe sich immer etwas "overprepared" für das Turnier in München. Diesmal sehe er die Sache entspannter, erst recht aufgrund der Erinnerung an die Porsche European Open in Hamburg vor zwei Wochen: Siem und Kieffer spielten dort bis kurz vor Schluss um den Sieg mit, am Ende wurden sie knapp geteilte Zweite.

"Es war viel positive Energie von den Zuschauern spürbar", die hätte die beiden Deutschen in Hamburg am Sonntag zur Höchstleistung gebracht, sagte Kieffer, der sich dasselbe nun auch in München wünscht: "Wenn ein positiver Flow in der Luft ist, kann uns das nur beflügeln."

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