Gastgeber der WM:Katar federt die Vollblamage ab

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Gelang gegen Senegal etwas für die Ewigkeit: Katars WM-Torschütze Mohammed Muntari. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Beim 1:3 gegen Senegal ist Mohammed Muntari der allererste Torschütze in der Weltmeisterschaftshistorie des Gastgebers - die wohl kurz und schmerzhaft bleiben wird.

Von Holger Gertz, Doha

Große, über allem hier schwebende Frage: Kann man sich alles kaufen? Die reichen Katarer haben nun diese Weltmeisterschaft, sie haben die Stadien. Sie haben auch ein Einkaufszentrum mit dem nachgebauten Kanalsystem von Venedig drin, einschließlich mehrerer Gondolieri, die aber nicht aus Venedig sind, sondern offensichtlich aus Südostasien, wo viele von denen herkommen, die sich hier abrackern, damit alles läuft. Was sie in Katar nicht haben: eine konkurrenzfähige Nationalmannschaft.

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Mit dem Eröffnungsspiel gegen Ecuador startet der Gastgeber in die WM. Schwer zu sagen, was von der Mannschaft zu erwarten ist - denn Katar hat alles dafür getan, damit das Team ein Geheimnis bleibt.

Von Martin Schneider

Im Opening Match der Weltmeisterschaft spielte Katar, von manchem zärtlich "die Weinroten" genannt, gegen Ecuador, und es war eine Partie, von der Franz Beckenbauer, der alte Kaiser, mit gewissem Recht gesagt hätte: "Ein bisschen wie Obergiesing gegen Untergiesing." Ecuador gewann 2:0, und der verheerende Gesamteindruck wurde dadurch unterstrichen, dass die im Publikum versammelten Männer in ihren Thawb-Gewändern schon lange vor Spielende ihr Zeug zusammenpackten und weiterzogen, beim Schlusspfiff waren die Spieler dann fast unter sich.

Wieder zeigt sich das, was diese Gastgebermannschaft auszeichnet: Sie ist überfordert

Inzwischen geht die Weltmeisterschaft in die nächste Runde, im zweiten Anlauf forderten die Weinroten das Team aus Senegal, das seinerseits bei seiner Premierenpartie den Niederländern (0:2) lange ebenbürtig gewesen war. Und hinter der Frage, ob man sich alles kaufen kann, verbirgt sich immer eine gewisse Skepsis den Resultaten gegenüber. Irgendeine Schieberei: Das wäre genau das, was diese Weltmeisterschaft jetzt noch gebrauchen könnte. Für Katar ging es aber darum, die Vollblamage zu verhindern, zuletzt war 2010 mit Südafrika ein Gastgeberland der WM schon in der Gruppenphase raus.

Vergleichsweise abtastend ging es los, und wer sich gedacht hatte, die Katarer würden vom Schiedsrichter mit Elfmeterpfiffen unterstützt und unterhalten, konnte in Minute 34 beruhigt werden. Der Senegalese Ismaila Sarr stieg Akram Afif im Strafraum in die Beine, Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz aus Spanien ließ weiterlaufen, obwohl in der Szene ein Elfmeter nicht umstritten, sondern durchaus berechtigt gewesen wäre.

Senegal, natürlich geschwächt durch den Ausfall von Starspieler Sadio Mané, kontrollierte dennoch das Spiel, die Führung noch in der ersten Hälfte war verdient, und wieder zeigte sich das, was diese Gastgebermannschaft auszeichnet: Sie ist überfordert, das Niveau einer WM ist drei Nummern zu hoch. Boualem Khoukhi traf den Ball im Zentrum nicht richtig, Boulaye Dia bedankte sich und traf zum 1:0 (41.). Kurz nach der Pause legte Senegal nach, Ecke Ismail Jakobs, Famara Diédhiou mit einem Kopfball, bei dem er allerdings auch nicht besonders gestört wurde.

Irgendwas passiert noch, und manchmal passiert sogar etwas für die Ewigkeit

Das 2:0 verwalteten die Afrikaner dann, Senegals Keeper Édouard Mendy fuhr zweimal reflexartig den Arm aus, um Schlimmeres zu verhindern, und dann, in der 78. Minute, spielten die Katarer tatsächlich einen sehenswerten Angriff, ihren schönsten des ganzen Turniers. Ein weiter Diagonalball aus der eigenen Hälfe, Ismael Mohammad machte sich auf die Reise, flankte von rechts nach innen, und Muntari köpfelte den Ball ins Tor. Mohammed Muntari, kurz vorher eingewechselt, der allererste Torschütze in der Weltmeisterschaftshistorie von Katar, die kurz und schmerzhaft bleiben wird. Im letzten Gruppenspiel warten die Niederländer, deren Trainer Louis van Gaal keinen Zweifel daran lässt, zum Ende der Karriere Weltmeister werden zu wollen.

Also: Vollblamage nicht abgewendet, aber ein bisschen abgefedert. Senegal setzte später durch Bamba Dieng noch einen drauf beziehungsweise legte einen nach, 3:1, aber von diesem einen eigenen Treffer werden sie im Emirat noch lange erzählen, da bebte das Al-Thumama-Stadion, und alle Herrschaften im Thawb-Gewand erkannten, dass es sich lohnen kann, etwas länger in einem dieser schönen neuen Stadien zu bleiben. Irgendwas passiert noch, und manchmal passiert sogar etwas für die Ewigkeit.

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