Fußball-WM:Die höheren Mächte verlassen Mexiko

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Verzweifelte Sieger: Durch den späten Gegentreffer durch Saudi-Arabien ist Torschütze Luis Chavez mit Mexiko ausgeschieden. (Foto: Manu Fernandez/dpa)

Erst zählen im Fernduell mit Polen alle die gelben Karten, dann scheiden die Mexikaner wegen der Tordifferenz aus - immerhin vor unglaublicher Kulisse.

Von Martin Schneider, Lusail

Es war Salem Al-Dawsari, der die Kartenzählerei beendete. In der fünften Minute der Nachspielzeit traf der Kapitän der saudi-arabischen Nationalmannschaft zum 1:2 gegen Mexiko - es war das vielleicht traurigste Tor der WM, denn es bedeutete, dass beide Mannschaften ausschieden. Mexiko erreicht damit zum ersten Mal seit 1978 bei einer Teilnahme nicht das Achtelfinale einer Weltmeisterschaft und es wird El Tri kaum trösten, dass sie wegen Toren und nicht wegen gelber Karten ausgeschieden sind.

Denn zwischen der 68. und der 95. Minute ergab sich zwischen Polen und Mexiko eine kuriose Situation: Beide Teams standen punkt- und torgleich auf dem zweiten Platz. Und weil auch das direkte Duell Remis ausgegangen war, greift bei der Fifa als nächstes Entscheidungskriterium die Fair-Play-Wertung - und da lag Mexiko erst 4:7 und nach einer gelben Karte gegen Krychowiak 5:7 zurück. Hätte Polen, rein theoretisch, noch zwei Verwarnungen kassiert, wäre gelost worden.

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Mexiko musste also aufs dritte Tor spielen. Es hätte die Fair-Play-Entscheidung verhindern können, wäre Uriel Antuna doch nur ein bisschen später losgelaufen, doch sein Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0 wurde in der 87. Minute aberkannt, er stand im Abseits. Zuvor zielte Orbelin Pineda 15 Minuten vor Schluss am langen Pfosten vorbei, Hirving Lozano verpasste in der 77. Minute. Alle Chancen waren da. Erst in der 53. Minute hatte Luis Chavez eines der schönsten und nun nutzlosesten Tore der WM-Geschichte erzielt. Chavez, 26, angestellt beim Club de Futbol Pachuca im Bundesstaat Hidalgo, zauberte einen Freistoß aus 25 Metern mit seinem linken Innenrist hart wie geschmeidig über die Mauer und durch die Luft des Lusail Stadions ins rechte Kreuzeck zum 2:0 seiner Mannschaft. Ein Gedicht von einem Treffer.

Das vielleicht stimmungsvollste Spiel bei dieser WM bringt zwei Verlierer hervor

Das Spiel taugte erst einmal dazu, eine zumindest in Deutschland weit verbreitete Befürchtung zu widerlegen: Dass bei dieser WM keine Stimmung herrschen würde. Das ist falsch. Die Atmosphäre beim Finale der Gruppe C war unglaublich, im Finalstadion in Lusail, das 80 000 Plätze fast, saßen geschätzte 50 000 Saudis und 30 000 Mexikaner, es könnte aber auch anders gewesen sein, beide Fans tragen grüne Trikots im dunklen Ton, das macht eine Unterscheidung schwierig.

Aber die Wege aus Saudi-Arabien sind kürzer, drei Auto-Stunden aus Hofuf bei der Al-Hasa-Oase, viereinhalb aus der Hafenstadt Dammam - das nimmt man auf sich, wenn die eigene Mannschaft Fußball-Geschichte schreiben kann. Schon die saudische Hymne war aus den Lautsprechern kaum zu hören, weil sie von den Rängen donnernd mitgesungen wurde. Und als ein paar saudische Fans versuchten, die mexikanische Hymne auszupfeifen, war das erfolglos, weil auch zahlenmäßig unterlegene Mexikaner lauter singen, als andere pfeifen können. Und weil das hier ein K.-o.-Spiel war, wurde vor dem Anpfiff gebetet - Orbelin Pineda sank jedenfalls auf die Knie und rief höhere Mächte an.

Die bescherten seiner Mannschaft zunächst den besseren Start, Alexi Vega sprintete auf Saudi-Arabiens Torhüter Mohammed al-Owais zu - als der nach drei Minuten parierte, jubelte der saudische Teil des Stadions, als sei gerade ein Tor gefallen. Al-Owais war der Protagonist der ersten Minuten, er parierte gegen Henry Martin (7. Minute), fing einen harmlosen Schuss von Chavez (23.) und einen weiteren ungefährlichen Versuch von Pineda (25.).

Spielfluss kam in der ersten Halbzeit nicht wirklich auf, in Spielen, in denen es um alles geht, geht ja meistens nicht alles. Erst nach der Pause kam Mexiko ins Spiel, traf nach einer Ecke durch Martin, dann durch Chavez' Traumfreistoß, aber eben kein drittes Mal. Es ist eine bittere Ironie, dass ausgerechnet das vielleicht stimmungsvollste Spiel bei dieser WM zwei Verlierer hervorgebracht hat. Während die saudischen Fans direkt das Stadion verließen, blieben viele Mexikaner traurig auf ihren Sitzen und schauten auf das nun leere Feld des Finalstadions.

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