Fußball-WM:Das ganze Land starrt auf einen Fuß

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Zu viel Verantwortung: Bayern Münchens Alphonso Davies schießt den Ball bei seinem Elfmeter wenig druckvoll in die linke Torecke. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Trotz mehrerer guter Chancen inklusive einem Elfmeter für Alphonso Davies verpasst das kanadische Team seinen historischen ersten WM-Treffer. Belgien gewinnt mit Mühe 1:0.

Von Sven Haist, al-Rayyan

Alphonso Davies hätte am Mittwochabend der erste Torschütze seines Landes bei einer Fußball-Weltmeisterschaft werden können, und diesen begehrenswerten Eintrag in die Chronik hätte ihm nie wieder jemand nehmen können. Bis zu dieser WM hatte sich Kanada erst einmal für ein Turnier dieser Kategorie qualifiziert: 1986 in Mexiko, 36 Jahre ist das mittlerweile her. Damals schieden die Nordamerikaner chancenlos in der Vorrunde aus, ohne einen Punkt geholt oder überhaupt ein Tor geschossen zu haben. Dadurch bot sich für jeden Kanadier im Auftaktspiel gegen Belgien in der Gruppe F nun die historische Chance, sich für das eigene Land unsterblich zu machen. Allen voran für Kanadas Linksaußen Davies, den allseits beliebten Linksverteidiger des FC Bayern, der sich in der 10. Spielminute auf Intervention des Videoschiedsrichters nach einem Handspiel des Belgiers Yannick Carrasco im Strafraum den Ball zum Elfmeter zurechtlegte.

An der Seitenauslinie stellten sich die Ersatzspieler Kanadas nebeneinander auf und harrten ungeduldig der Dinge, während Davies auf dem Platz vor dem vermeintlichen Schuss seines bisherigen Lebens aufmunternden Zuspruch der Mitspieler erhielt. Das ganze Land mit seinen rund 40 Millionen Einwohnern dürfte in diesem Moment auf den linken Fuß von Davies gestarrt haben.

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In jedem Fall zumindest die mehrheitlich kanadischen Fans im mit 40 432 Zuschauern besetzten Ahmad bin Ali Stadion, dessen wellenförmige Fassade die Sanddünen des Gastgeberlandes repräsentieren soll. Und all die Verantwortung lastete schwer, offensichtlich zu schwer auf den Schultern des 22 Jahre alten Davies - ihm versagten prompt die Nerven. Wenig platziert und auch noch wenig druckvoll schoss er den Ball in die linke Torecke, sodass Belgiens Torwart Thibaut Courtois den Schuss abwehren konnte. Fassungslos hielt sich Davies, der bekannteste Fußballer Kanadas, die Hände vor den Kopf. Die Fans auf den Tribünen taten es ihm gleich.

Belgien hat Mühe mit zielstrebig aufspielenden Kanadiern

Dabei musste sich Davies wahrlich nicht grämen für sein Missgeschick, denn seinen Teamkollegen erging es ähnlich. Keinem Kanadier gelang es, trotz mehrerer sehr guter Chancen - allein in der ersten Halbzeit kam das Team von Trainer John Herman auf 14 Torabschlüsse - den Ball im Tornetz unterzubringen. Stattdessen nutzte Belgiens Angreifer Michy Batshuayi, der den noch nicht spielfitten Romelu Lukaku vertrat, eiskalt seine erste Gelegenheit zum 1:0 für Belgien in der 44. Spielminute - dem Endstand. Nach einem weiten Schlag aus der eigenen Abwehr heraus senste Kanadas Abwehrchef Steven Vitoria kolossal am Ball vorbei, woraufhin Batshuayi nicht mehr zu stoppen war.

Torschütze des Abends: Michy Batshuayi bringt Belgien den Auftaktsieg in Katar. (Foto: Siphiwe Sibeko/Reuters)

Der Sieg für Belgien stellte den Spielverlauf weitgehend auf den Kopf. Die in die Jahre gekommene Auswahl des Trainers Roberto Martínez, deren Durchschnittsalter sich in der Startelf auf mehr als 30 Jahre belief, hatte durchweg Mühe mit den flott und zielstrebig aufspielenden Kanadiern. Beispielhaft dafür stand der freche Beinschuss des beim FC Porto angestellten Spielgestalters Stephen Eustáquio gegen Belgiens Ausnahmekönner Kevin De Bruyne zu Beginn der zweiten Halbzeit. Auch hier köpfelte anschließend allerdings Jonathan David nach einer Flanke freistehend aus kurzer Distanz am Tor vorbei. Angesichts der vorzeigbaren Leistung muss sich Kanada diesmal jedoch keine Gedanken machen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Das erste Tor bei einer WM ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.

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