Tunesien ertrotzt einen Punkt:Alles andere als unsichtbar

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Niemand kam einem Tor in in ar-Rayyan näher als Andreas Cornelius (vorne) - doch der Däne setzte seinen Reflexkopfball an den Pfosten. (Foto: Petr David Josek/AP)

Das erste 0:0 der WM ist eine Nullnummer der besseren Art: Tunesien bietet dabei Dänemark Paroli und ist dem Sieg phasenweise sogar näher als Europas Geheimfavorit.

Von Holger Gertz, al-Rayyan

Lange bevor die Debatte um Kapitänsbinden und andere fußballerische Identifikations-Embleme bei dieser WM eskalierte, hatte es schon eine Art Vorspiel gegeben, die Diskussion um die Nationaltrikots der Dänen. Die kommen - woher sonst - vom Ausrüster Hummel, der sich seiner liberalen Werte rühmt, und die Auseinandersetzung bündelte schon vorab vieles von dem, was inzwischen prägendes Thema ist. Wie setzt man ein Zeichen, das nicht zu provokativ ist, aber trotzdem sichtbar? So vieles ist ja hier in Katar eine Frage der Sichtbarkeit. Bei Hummel (früher hatte man da auch katarische Vereine ausgerüstet) gaben sie ein Statement ab: "Wir wollen während eines Turniers, das Tausende von Menschen das Leben gekostet hat, nicht sichtbar sein. " Und um diese spezielle Form des Nichtsichtbarseins in die Tat umzusetzen, haben sie genau was getan? Sie haben "bei den neuen WM-Trikots Dänemarks alle Details abgeschwächt, einschließlich unseres Logos und der ikonischen Chevrons", das sind die für diesen Trikotschneider kennzeichnenden Fischgrätverzierungen.

Dass die Dänen ganz in Schwarz auflaufen würden, blieb nur ein Gerücht. Sie spielten ganz in Rot, und was die Insignien angeht: Wappen, Logo und sogar Fischgräten schimmerten doch leicht durch, waren auf den Großbildschirmen im Stadion sichtbar. Diese Geräte zeigen inzwischen alles und also auch das, was - des Symbolwerts wegen - nicht gesehen werden sollte.

Von den Rängen kamen ungewohnte Pfiffe für die Dänen - die Araber halten in Katar zusammen.

Die Dänen zählen zu den Geheimfavoriten, sie hatten bei der vergangenen EM zueinander gefunden, als im Spiel gegen Finnland ihr Regisseur Christian Eriksen zusammenbrach, das Herz. Er wurde gerettet, kam zurück - so etwas gemeinsam durchgestanden zu haben, kann eine fußballerisch perfekt ausgebildete Mannschaft mental wachsen lassen. Jetzt könnte die Zeit reif sein für die Dänen, die üblicherweise zu den Publikumslieblingen bei Meisterschaften gehören, im Education City Stadium aber die neue Erfahrung machten, fortwährend ausgepfiffen zu werden, die arabischen Nationen halten zusammen bei ihrer WM in Katar.

Auf dem Feld taten die Tunesier alles dafür, die Stimmung noch zu würzen, das Torschussverhältnis in Hälfte eins lautete 8:3. Beste Chance in der 11. Minute, den abgefälschten Ball von Mohamed Dräger hätte Dänemarks Keeper Kasper Schmeichel nicht gehabt, er war schon in die andere Richtung unterwegs. Aber: vorbei.

Das Pressing der Nordafrikaner, gegen Ende der ersten Halbzeit war es zu spüren, ging an die Substanz, entsprechend präsenter die Dänen im zweiten Durchgang, Damsgaards Eingabe von links in den Fünfmeterraum strich an Dolbergs Kopf vorbei. Später - ausgerechnet - Eriksen mit links, aber Tunesien-Keeper Aymen Dahmen fuhr die Rechte aus (69.) Kurz danach der eingewechselte Andreas Cornelius mit dem Kopf an den Innenpfosten. Ein Chancenplus nun bei den Dänen, aber kein Tor, ganz am Ende landete im Strafraum dann ein Ball am Arm von Meriah, aber nicht elfmeterwürdig, wie nach Betrachtung der Bilder vom Referee befunden wurde.

Der Favorit hatte das Ding nur fast gedreht, 0:0. Die roten Trikots übrigens, von hohem Symbolwert, sind natürlich im Handel erhältlich. Wenn die Dänen so weiterspielen, werden sie allerdings kein Topseller.

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