WM-Gegner Costa Rica:Und jetzt gegen Deutschland

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Er schoss das Tor, das sein kleines Land nach Katar führte: Stürmer Joel Campbell. (Foto: Mustafa Abumunes/AFP)

Costa Rica sichert sich als letzte Mannschaft das Ticket zur Fußball-WM und wird deutscher Gruppengegner. Die Qualifikation verlief holprig - doch Trainer Suárez verspricht für Katar ein völlig anderes Team.

Von Javier Cáceres, Berlin

Joel Campbell, 29, war gerade zum großen Helden der vergleichsweise kleinen Nation Costa Rica geworden, da wurde er im Angesicht des eigens entsandten TV-Reporters von Teletica von den Tränen übermannt. "Dieses Tor haben wir alle geschossen", schluchzte der Stürmer des mexikanischen Erstligisten Monterrey, und drückte mit den Handballen in die Augenhöhlen.

Schon in der dritten Minute hatte er den Ball im WM-Playoff gegen Neuseeland mit links über die Linie gedrückt und damit am Ende nicht nur für die sechste WM-Teilnahme Costa Ricas gesorgt - sondern auch dafür, dass die Mittelamerikaner das 32. und damit letzte offene WM-Ticket lösten. Die Costa Ricaner komplettieren das Teilnehmerfeld der Gruppe D und treten in Katar gegen Spanien, Japan und am letzten Gruppenspieltag (1. Dezember) gegen Deutschland an. "Ich hatte gesagt: Entweder wir sterben am Ende alle, oder wir lächeln ", sagte Campbell, es geschah Letzteres. " Pura vida ist in Katar!", rief der frühere FC-Arsenal-Stürmer Campbell, als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte.

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" Pura vida", zu Deutsch: "reines Leben", ist so etwas wie ein Synonym für das Fünf-Millionen-Einwohner-Land Costa Rica, weil es eine allgegenwärtige Grußformel ist, oder manchmal nur eine Krücke zum Transport von Botschaften. "Pura vida en Qatar 22", stand auch auf den roten T-Shirts zu lesen, die alle "Ticos" überstreiften, als die 90 Minuten im Ahmad-bin-Ali-Stadion in Ar-Rayyan vorüber und die ganzen Debatten der vergangenen Monate vergessen waren. "Auf uns lastete sehr viel Druck", schnaufte der berühmteste Spieler des künftigen DFB-Gegners, Torwart Keylor Navas vom französischen Nobelklub Paris Saint-Germain. " Pura vida, Grüße an alle", fügte er hinzu.

Der mögliche Ausgleich der Neuseeländer wird zu Recht aberkannt

Die Qualifikation war in der Tat eine ziemliche Tortur, und das weniger wegen der von erstaunlich vielen "Ticos" begleiteten, langen Reise ins WM-Gastgeberland. In der kommenden Woche jährt sich zum ersten Mal der Amtsantritt von Costa Ricas kolumbianischem Trainer Luis Fernando Suárez, 62, und als er in San José landete, übernahm er eine Mannschaft, die im Grunde aufgehört hatte zu träumen.

WM-Ticket gelöst: Costa Ricas Feldspieler feiern mit Torwart Kaylor Navas (rechts). (Foto: KARIM JAAFAR/AFP)

Suárez, der nach der Qualifikation mit Ecuador (2006) und Honduras (2014) nun seiner dritten WM-Teilnahme als Coach entgegenblickt, verstörte eine Reihe von Costa Ricanern, weil er viele US-Legionäre außen vor ließ - und zu Beginn seiner Amtszeit mit sehr vielen jungen Spielern experimentierte, er berief insgesamt 43 Spieler. Darunter war auch Jewison Bennette, der am Vorabend seines 18. Geburtstags das frühe Tor des früheren Arsenal-Stürmers Campbell vorbereitete. Zur Halbzeit musste Bennette weichen. Nach der frühen Führung stand Costa Rica zwar solide im 4-4-2-System. Aber der Ball gehörte Neuseeland, und das zwang Suárez dazu, zu reagieren. Er brachte Carlos Martínez, 23, für die rechte Seite, den riesenhaften Innenverteidiger Kendall Waston, 34, und vor allem Spielmacher Bryan Ruiz, 36. Costa Ricas Nummer 10 will seine Karriere nach der WM beenden - doch gegen Neuseeland zeigte er, dass er einem Spiel noch immer Pause und Struktur verleihen kann.

Wie dringend diese Wechsel waren, konnte man kurz vor der Halbzeit begutachten. Der mögliche Ausgleich durch die Neuseeländer wurde - zu Recht - nach Begutachtung der Videobilder aberkannt. Nach der Halbzeit war Neuseeland lange Zeit eher harmlos, mit Ausnahme von einer Attacke von Kosta Barbarouses auf den Knöchel von Francisco Calvo, 29, die in der Tat eines Platzverweises würdig war. Als die Neuseeländer gegen Spielschluss ungelenk auf den Ausgleich drängten, war Torwart Navas zur Stelle.

"Menschlich ist dies die beste Gruppe, die ich je trainiert habe", sagt Trainer Suárez

Ruhig im Ton, aber deutlich in der Botschaft reflektierte Trainer Suárez auch über die Tage, in denen ihn die Ticos gern zurück in die Heimat gejagt hätten. "Wir haben viel Prügel bekommen", erinnerte er sich. Linksverteidiger Rónald Matarrita habe damals "in etwa gesagt, er hoffe, dass jene, die uns heute töten, uns nicht morgen zujubeln und den Sieg für sich reklamieren", sagte Suárez. Über die Gruppe und den Gegner Deutschland und die anderen Gruppengegner wollte er hingegen nicht viele Worte verlieren. "Die Gruppe hatte ich fast vergessen", scherzte Suárez, der bei der WM 2006 mit Ecuador ebenso Gruppengegner der Deutschen war (0:3) wie Costa Rica im Auftaktspiel von München (2:4).

"Menschlich ist dies die beste Gruppe, die ich je trainiert habe", sagte Suárez über sein aktuelles Team. Fußballerisch gebe es aber noch sehr viel Luft nach oben. "Wir würden gern Hauptdarsteller in der Gruppe sein, in die wir gelost wurden. Aber dafür müssen wir noch besser werden. Sehr viel besser", sagte der Kolumbianer und ließ gleichwohl ein Versprechen folgen: "Ihr werdet nicht diese, sondern eine völlig andere Mannschaft sehen."

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