Jetzt ist der Ärger auf der WM-Bühne angelangt. Dort sollten, am Freitag in einem Edelresort an der Palmenküste Bahias, zwei beliebte farbige Schauspieler die Auslosung begleiten, ermittelt vom TV-Sender Globo. Dann rumpelte es in den Kulissen, nun führt ein blondes Pärchen aus Brasiliens tiefem Süden durch das Programm. Eine Rochade, im Bundesstaat Bahia mit seiner überwiegend schwarzen Bevölkerung, die sogar den Staatsanwalt interessiert. Christiano Jorge Santos geht dem Vorwurf des Rassismus nach, sein Verdacht richtet sich auch gegen die Fifa. Die dementiert strikt. Was immer daraus wird - sicher ist: Eine Rassismus-Debatte im Lande ist das Letzte, was sich der Weltverband in Brasilien noch leisten könnte.
Nicht einmal dieser Reibungspunkt lässt sich also vermeiden zwischen Gastgebern und der Fifa, die als koloniale Besatzungsmacht empfunden wird. Doch ist er eine passende Zutat für die WM 2014, die im Chaos versinken könnte: Sie wird auf den Prüfstand stellen, ob sich sportliche Weltereignisse einer Gastgebernation weiterhin ohne Rücksicht auf Kosten, soziale Probleme und Grundrechte aufbürden lassen. Jogo bonito, schönes Spiel heißt der Fußball in Brasilien, doch ist im Land des Rekord-Weltmeisters zu befürchten, dass die Party drumherum hässlich werden könnte.
Bis zu 200.000 Menschen landesweit werden Experten zufolge sportbedingt aus ihren Lebensverhältnissen gerissen, umgesiedelt oder enteignet. Der Kern des Protests aber richtet sich gegen die Milliardenausgaben für WM und Olympia 2016, die zu Lasten eines maroden Sozialsystems gehen: zu wenig Schulen, Kliniken, Ärzte, dafür korrupte Politiker und Sportfunktionäre sowie eine mangelhafte, überteuerte Infrastruktur - die von den Sportplanern gerne dreist als Argument bemüht wird.
"Was als lebenswichtige Verkehrsadern verkauft wird", sagt Giselle Tanaka von der Universität Rio, "sind oft neue oder ausgebaute Stadionzufahrten, mit der Sonderspur für die VIPs." Dazu kommen absurd hohe Kosten für Tickets, Reisen zu und Logis an den Spielorten. Dieser Preiswucher ist schon im Gange. "Es wird zumindest 64 Protestaktionen geben, eine bei jedem WM-Spiel", teilt Christopher Gaffney mit. Der amerikanische Professor für Städtebau lebt in Rio, er lehrt an der Universität Niteroi und ist einer der Köpfe der Protestkomitees, der comitês populares. Aktiv war er schon in den Demonstrationen beim Confed-Cup im Sommer, bei jenem WM-Probelauf, der plötzlich als Aufwärmrunde für den bürgerlichen Widerstand in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte.
Gaffney warnt, dass schon damals Todesfälle aufs Konto der Einsatzkräfte gegangen seien - und dass die WM "wesentlich brutaler" ablaufen werde: "Auf den Straßen wird viel mehr Polizei sein als beim Confed-Cup. Und wir wissen, dass die Behörden im Austausch mit der französischen Polizei sind. Sie wollen bei der WM dieselben Taktiken anwenden, die dort zur Unterdrückung der Bürgeraufstände 2005 in den Vorstädten benutzt worden sind."
Zehntausende, schließlich mehr als hunderttausend Menschen zogen beim Confed-Cup auf die Straßen, in 350 Städten des Subkontinents. Vereinzelt auch noch nach der WM; vor allem dort, wo die Fifa zur Inspektion eines der sündteuren, nach der WM oft überflüssigen Stadien anreiste. Jedoch war es 2013 vor allem der Mittelstand - Ärzte, Lehrer, Studenten -, der sich unfreiwillig mit der Staatsgewalt anlegte.