DFB-Frauen:Patriotische Slogans und eine unheilvolle Debatte

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Na, wer fehlt denn da? In Herzogenaurach versammeln sich die Nationalspielerinnen ohne jene aus München. (Foto: Harry Körber/Imago)

Ohne die Spielerinnen des FC Bayern sind die deutschen Fußballerinnen in die WM-Vorbereitung gestartet. Der Weltverband Fifa hat die Abstellungsfristen amateurhaft geregelt, schüttet aber immerhin Rekordprämien aus.

Von Frank Hellmann, Herzogenaurach

Es sind vertraute Lauf- und Fahrwege, die die deutschen Fußballerinnen am Stammsitz des größten deutschen Sportartikelherstellers vorfinden. Das "World of Sports" genannte Gelände ist so weitläufig, dass die Spielerinnen zwischen den Wohneinheiten und dem Trainingsplatz im Adi-Dassler-Stadion ein Fahrrad nehmen. Auf den fast 60 Hektar im mittelfränkischen Landkreis Erlangen-Höchstadt finden sich auch so viele schattige Rückzugsorte, dass hier angeblich bereits im vergangenen Sommer jener "Geist von Herzogenaurach" entstand, der das Team bei der EM in England bis ins Finale trug.

Die damals erzeugte Aufbruchsstimmung hält bis heute an. Doch dass die DFB-Frauen deswegen bei der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) gegen die von den Männern erzeugte Endzeitstimmung anspielen, kann man vergessen. Alexandra Popp sprach pampig von einer "dämlichen Frage", als die Kapitänin auf der ersten Pressekonferenz der WM-Vorbereitung erklären sollte, ob sie und ihre Mitspielerinnen das von Hansi Flicks Elf erzeugte Vakuum füllen sollten. Solche Quervergleiche haben tatsächlich selten funktioniert, aber befeuert der Verband nicht selbst gewisse Parallelen?

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Als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nun an der Zentrale in Frankfurt-Niederrad die WM-Kampagne vorstellte, stand auf dem Plakat der etwas sperrige, durchaus patriotische Slogan: "Wir, die mit Stolz für unser Land spielen. Und um den dritten Stern." DFB-Geschäftsführer Holger Blask erklärte dazu, die Spielerinnen "als Aushängeschilder des deutschen Fußballs zu zeigen und sprechen zu lassen". Das hörte sich vom Chefvermarkter schon so an, als würden sich die Frauen gerade besser für repräsentative Zwecke eignen als die Männer.

Die FCB-Fraktion mit Magull, Schüller, Bühl, Lohmann und Simon darf erst am Freitag anreisen - so wurde es aus München verfügt

Noch keine abschließende Position hat der finanziell angeschlagene DFB dazu entwickelt, dass ihm der Weltverband Fifa die gesellschaftspolitisch heikle Prämienfrage im Grunde abgenommen hat. Von einer Rekordsumme an Preisgeld, 110 Millionen Dollar, umgerechnet 103 Millionen Euro, schüttet die Fifa erstmals "zweckgebunden" mehr als die Hälfte direkt an die Spielerinnen aus. Popp und Co. sind unabhängig vom Abschneiden rund 28 000 Euro garantiert, der Einzug ins Achtelfinale brächte das Doppelte - und der dritte WM-Sieg nach 2003 und 2007 sogar stolze 252 000 Euro. Zum Vergleich: Die DFB-Prämie für den Titel hätte vor vier Jahren 75 000 Euro betragen. "Das sind nicht die schlechtesten Zahlen", sagte Popp. Die Wortführerin vom VfL Wolfsburg fügte grinsend noch an, man sei "grundsätzlich sehr zufrieden damit, was die Fifa auf die Beine gestellt hat".

Über der fränkischen Wohlfühloase schwebt dennoch insofern eine dunkle Wolke, als zwischen DFB und FC Bayern ein heftiger Streit um die Abstellung entbrannte. Die FCB-Fraktion mit Lina Magull, Lea Schüller, Klara Bühl, Sydney Lohmann und Carolin Simon darf erst am Freitag anreisen - so wurde es aus München verfügt. Der Meister fühlte sich nicht mehr an eine schriftliche Vereinbarung mit dem DFB gebunden, die Spielerinnen bereits am 20. Juni abzustellen. Der Sportliche Leiter des Verbands, Joti Chatzialexiou, sprach von einem "Wortbruch".

Der Hintergrund ist komplex: Genau wie bei den viel zu spät aufgenommenen Verhandlungen über die TV-Rechte hatte die Fifa auch die Abstellungsfristen zu lange nicht geklärt. Der eigentliche Zeitraum beginnt erst am 10. Juli, was für die Vorbereitung auf eine andere Klima- und Zeitzone völlig weltfremd ist: In Ozeanien ist gerade Winter, die Zeitverschiebung beträgt acht Stunden, weswegen der DFB-Flieger nach Sydney bereits am 11. Juli geht. Erst am 17. Mai einigten sich die Europäische Klubvereinigung ECA und die Fifa auf eine zusätzliche Abstellungsphase vom 23. bis 29. Juni.

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Mitgewirkt an dieser "Konsensvereinbarung" hat maßgeblich die Stellvertretende ECA-Vorsitzende Bianca Rech, Sportliche Leiterin beim FC Bayern. Auf die ehemalige Nationalspielerin war Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bei der Kadernominierung mächtig sauer, denn was sollen eigentlich die zehn Spielerinnen vom VfL Wolfsburg sagen, die am 3. Juni noch das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona (2:3) bestritten haben? Die gingen später in den Urlaub, reisten aber pünktlich am Dienstag an. Wolfsburgs Sportdirektor Ralf Kellermann äußerte sich besorgt, dass das kleinkarierte Denken des Konkurrenten das große Ganze gefährde: "Das kann den hohen Ambitionen der DFB-Elf bei der WM schaden." Wenn nämlich die mächtigen Blöcke aus Wolfsburg und München nicht schnell genug zusammenwachsen. Teamgeist entstehe nicht auf Knopfdruck, deutete Nationaltorhüterin Merle Frohms (Wolfsburg) bereits an.

Die Bundestrainerin schickt ihr Team in Tests gegen zwei WM-Neulinge: erst gegen Vietnam in Offenbach, dann gegen Sambia in Fürth

Von ihrer Trainerin Voss-Tecklenburg wird inzwischen nicht mehr beklagt, was nicht geändert werden kann. "Wir wollen die zwei Lehrgänge bestmöglich nutzen, um an den sportlichen Themen zu arbeiten, die wir in den vergangenen Länderspielen noch nicht so gut auf den Platz gebracht haben." Der 55-Jährigen konnten die teils fahrigen Vorstellungen gegen Schweden (0:0), Niederlande (1:0) und gegen Brasilien (1:2) nicht gefallen. Die Bundestrainerin schickt ihr Team jetzt noch in Tests gegen zwei WM-Neulinge: erst gegen Vietnam in Offenbach (Samstag 18.15 Uhr/ZDF), dann gegen Sambia in Fürth (7. Juli, 20.30 Uhr/ARD), wobei sie sich von der Generalprobe einen "emotionalen Push" erhofft.

Für die Mission in Down Under mit den schlagbaren Vorrundengegnern Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August), aber dann einem möglichen Achtelfinale gegen Frankreich oder Brasilien, hat Alex Popp bereits höchste Ansprüche formuliert. "Ich möchte den Titel holen, und das möchte auch jede andere hier. Wir haben die Qualität dazu." Spätestens wenn die Bayern-Gruppe eingetroffen sei, versicherte die 32-Jährige, werde auch im Trainingslager "die Post abgehen". Die Wege sind ja bekannt.

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