Halbfinale der Fußball-WM:Ein Traumschuss bringt Spanien ins Finale

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Der Ball ist drin - und die Spanierinnen bejubeln den Finaleinzug. (Foto: Hannah Mckay/Reuters)

Drei Tore jenseits der 80. Minute: Wie gewohnt entscheidet sich ein Schweden-Spiel in der Schlussphase - aber diesmal für Spanien. Olga Carmona zieht einfach ab und beschert den Spanierinnen ihr erstes WM-Finale.

Von Felix Haselsteiner, Auckland

Es lief die 68. Minute, Peter Gerhardsson hatte sich mal wieder hingesetzt. Schwedens Trainer ist kein hektischer Agitator, meist stellt er sein Team ohnehin so ein, dass es auf alle Eventualitäten vorbereitet ist, dementsprechend kann er sich auch seinen Coaching-Stil im Sitzen leisten. Das Motto: Schweden wird das schon richten, irgendwie - wie schon gegen die USA im Achtel- und gegen Japan im Viertelfinale, die beiden Gegner, die man schlagen musste, um zum Turnierfavoriten erklärt zu werden. Diesmal aber fanden die Schwedinnen einmal keine Lösung, selbst als Gerhardsson sich für die finalen Minuten erhob, um doch noch einzugreifen, bisweilen sogar hektisch.

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2:1 gewann Spanien im ersten Halbfinale der WM, im letzten Spiel dieser Weltmeisterschaft in Neuseeland, im einmal mehr nahezu ausverkauften Eden Park von Auckland gegen Schweden und wird nun am Sonntag um den Weltmeister-Titel spielen.

Spanien beginnt mit Putellas - und übernimmt früh Kontrolle über das Spiel

Von alten Weisheiten hält Gerhardsson ebenso wenig wie vom Stehen in der sogenannten Coaching Zone, er spielt viel lieber mit ihnen. "Always change a winning team", ein erfolgreiches Team müsse man immer verändern, so einer seiner Leitsätze, der im Gegensatz zur alten Fußballweisheit steht, bloß nichts zu verändern. Es war insofern durchaus überraschend, dass vor dem ersten WM-Halbfinale ein Blick in die Startaufstellungen verriet, dass Gerhardsson bei derselben Elf geblieben war, die zuletzt die USA und Japan besiegt hatte. Währenddessen baute sein Gegenüber Jorge Vilda - ein konstanter Agitator übrigens, der nur sehr ungern sitzt - prominent um: Alexia Putellas kehrte nach zwei Abwesenheiten im Achtel- und Viertelfinale zurück in die Startelf.

Zehn Minuten dauerte es, dann eroberte Spanien das Element auf dem Feld, das es für seinen Spielstil dringend braucht: Den Ball. Nur in der Anfangsphase gestaltete Schweden das Spiel ausgeglichen, dann übernahm Vildas Team die Kontrolle, allerdings nicht nur im Mittelfeld, sondern auch in der Offensive. Alba Redondo hatte mit einem Kopfball aus kurzer Distanz die erste Chance der Partie, es folgte ein Distanzschuss von Außenverteidigerin Olga Carmona, der in der 14. Minute knapp am Pfosten vorbeiflog.

Kurz vor der Pause vergeben die Schwedinnen gute Chancen auf die Führung

Spanien hatte mehr Kontrolle, vor allem aber unterband im Mittelfeld Teresa Abelleira auf der Sechs die wenigen Ansätze schwedischer Konter, das Spiel verlagerte sich teilweise komplett in die Hälfte der Schwedinnen, die wenig Ideen hatten - bis sie zu jenem Element kamen, das sie mindestens genauso auszeichnet wie Spanien der Ballbesitz. Eine Flanke von rechts - den ersten zielgerichteten Pass in den spanischen Strafraum hinein - nahm Fridolina Rolfö in der 42. Minute direkt ab, Torhüterin Cata Coll rettete gerade so. Schweden hat bei dieser Weltmeisterschaft oft genug bewiesen, dass eine kleine, unscheinbare, bisweilen zufällige Aktion ausreichen kann, um ins Spiel zu kommen. Nun war es so weit: Drei Minuten lang flogen schwedische Flanken und Ecken in Spaniens Strafraum, der Halbzeitpfiff wirkte fast erleichternd für die Elf, die das Spiel eigentlich bestimmt hatte.

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Die Schwedinnen brachten es sogar Zustande, diesen Schwung nicht nur mit in die Kabine, sondern auch wieder auf Spielfeld mitzunehmen. Im einsetzenden Regen entwickelte sich in der zweiten Halbzeit ein offeneres Spiel, mit weniger Kontrolle, dafür aber mehr Umschaltmomenten: Johanna Rytting Kanerud hatte auf schwedischer Seite zweimal Gelegenheit, scharfe Flanken in die Mitte zu spielen. Auf der anderen Seite erkannte Vilda ebenfalls, dass er an der Statik etwas verändern musste - und brachte die Spielerin des Viertelfinals gegen die Niederlande ins Spiel.

In der 56. Minute kam Salma Paralluelo für die erneut sehr glücklose Putellas ins Spiel, sie sollte im Sturmzentrum mehr Vertikalität ins Spiel bringen, ein Element das Spanien in der zweiten Halbzeit fehlte. Und die ehemalige Leichtathletin tat genau das: Erst leitete sie in der 70. Minute die beste Gelegenheit für Alba Redondo ein, in der 81. Minute traf sie zum 1:0. Nach einem Zuspiel von Eva Navarro kam sie aus kurzer Distanz an den Ball und schoss ins rechte untere Eck, wie schon gegen die Niederlande.

Spanien gibt die Führung aus der Hand - und zieht am Ende per Fernschuss doch ins Finale ein

Schweden wirkte nun geschlagen, doch Gerhardssons Team kam noch einmal zurück - wie gewohnt aus der Luft. Eine hohe Flanke von links erreichte die eingewechselte Lina Hurtig, deren Ablage Rebecka Blomqvist aus kurzer Distanz verwandelte, zu einem 1:1, das dem Spielverlauf in gewisser Weise angemessen, allerdings noch nicht das Ende war.

Nach einer eigentlich gut verteidigten Ecke nämlich kam Olga Carmona an den Ball, die kurz zuvor noch in der Defensive mit ihrem Stellungsfehler zum schwedischen Ausgleich beigetragen hatte. Nun aber flog ihr Distanzschuss an die Latte, von dort aus prallte er knapp an die Linie und lag schließlich im Netz. Ein Treffer aus dem Nichts hatte dieses Spiel entschieden, er fiel allerdings - anders als bei dieser WM gewohnt - nicht für, sondern gegen Schweden. Spanien zieht erstmals in ein WM-Finale ein und spielt am Sonntag im Endspiel von Sydney gegen die Siegerinnen des morgigen Halbfinals Australien gegen England.

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