Fußball:Eine Trainer-Generation verschwindet aus der Bundesliga

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Ob man sich noch mal wiedersieht? Schwer zu sagen. Tendenz: eher nein. Thomas Schaaf, hier noch Trainer von Hannover 96. (Foto: dpa)

Stevens, Veh, Schaaf: Die Bundesliga hat gerade drei prägende Figuren verloren. Der Umbruch auf dem Trainermarkt ist damit fast abgeschlossen.

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Für Thomas Schaaf und Huub Stevens waren das damals keine schöne Begegnungen mit Armin Veh. Im Frühjahr 2007 hatten sie mit ihren Mannschaften keine Chance gegen Armin Vehs Mannschaft, die gegen Schaaf 4:1 und gegen Stevens 4:2 gewann. Am Ende der Saison war Veh dann Meister, aber die beiden Kollegen hatten sich von den Niederlagen immerhin gut erholt. Schaaf wurde Dritter, und Stevens landete immerhin noch im Uefa-Cup.

Neun Jahre ist es jetzt her, dass der Stuttgarter Trainer Veh den Hamburger Trainer Stevens und den Bremer Trainer Schaaf besiegte und im Mai 2007 das wurde, was die beiden Kollegen vor ihm schon geworden waren: deutscher Meister. Schaaf und Stevens haben allerdings keine gewöhnlichen deutschen Meisterschaften errungen, Schaaf fügte dem Meistertitel mit Bremen 2004 noch den DFB-Pokalsieg hinzu, und bei Stevens muss man wohl sagen, dass seine Meisterschaft mehr so eine vorübergehende war. Seine Meisterschaft mit Schalke stand 2001 handgestoppte vier Minuten und 38 Sekunden lang fest, ehe sie plötzlich den Aggregatszustand wechselte und sich als flüssig oder möglicherweise auch gasförmig erwies. Jedenfalls: Meister war am Ende doch wieder der FC Bayern.

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Am vorigen Sonntag ist Thomas Schaaf in Hannover entlassen worden, an einem Ort, an dem er noch nicht mal angekommen war. Armin Veh ist vier Wochen vorher in Frankfurt entlassen worden, an einem Ort, an dem er zuvor schon mal war, was ihm aber auch nichts geholfen hat. Und noch mal vier Wochen zuvor hat Huub Stevens wegen gesundheitlicher Probleme in Hoffenheim aufgehört, an einem Ort, an dem er mindestens genauso nicht angekommen war wie Schaaf in Hannover.

Stevens, Veh, Schaaf: Wer in den vergangenen vier Jahrzehnten versehentlich in eine Bundesliga-Übertragung hineingeraten ist, der hatte gute Chancen, mindestens zwei, manchmal auch drei dieser Namen zu begegnen. Von Otto Rehhagel hieß es immer, er sei ein Kind der Bundesliga, wobei nie jemand vernünftig erklärt hat, ob die Bundesliga die Mutter und wer dann eigentlich der Vater ist. Auch Veh und Schaaf zählen wohl zum engeren Familienkreis, sie haben in der Liga trainiert und gespielt, und der Huub ist dann vermutlich der Cousin aus Holland, der bei den Familienfesten halt auch immer rumhängt.

Stevens, 62, Veh, 55, und Schaaf, 54, waren verlässliche Lebensgefährten, man hat sie mal mehr und mal weniger lieb gehabt, je nachdem, welchem Verein sie gerade dienten. Nach den Erfahrungen der vergangenen acht Wochen beginnt man aber zu ahnen, dass es sich bei den ewigen Lebensgefährten vielleicht doch nur um Lebensabschnittspartner gehandelt haben könnte.

Ob man sich noch mal wiedersieht? Schwer zu sagen. Tendenz: eher nein.

Er habe "aktuell keine Pläne", sagt Armin Veh am Telefon, das sagt er allerdings meistens, auch wenn er ein paar Wochen später wieder in Stuttgart oder Frankfurt anfängt. Diesmal aber ist diese genüssliche Planlosigkeit von anderer Art: Veh hat nach seinem zweiten Abschied in Frankfurt zumindest schon mal beschlossen, was er nicht mehr machen wird. Er werde "definitiv" nicht mehr zu Klubs zurückkehren, bei denen er schon mal war, sagt er, und "Abstiegskampf brauch' ich auch nimmer".

Veh hat schon zu viel gesehen, er weiß doch, wie das ist. Er braucht das alles nicht mehr: die Existenzängste in einem Klub; die Schlagzeilen, die er schon riecht, bevor sie gedruckt werden; die Bälle, die vom Innenpfosten raus- statt reinspringen; die ganze anstrengende Negativdynamik. "In so einer Phase braucht man vielleicht wirklich junge Trainer, die mit Euphorie und einer gesunden Naivität an die Sache rangehen", sagt er.

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In Frankfurt hat der Liganeuling Niko Kovac den Posten von Veh übernommen. In Hoffenheim macht das statt Stevens jetzt der junge Julian Nagelsmann. Und in Hannover haben sie Schaaf durch den Jugendtrainer Daniel Stendel ersetzt.

Den Umbruch auf dem Trainermarkt hat man vielleicht noch nie so gut begriffen wie in diesen letzten acht Wochen. Rechnet man den Ligaflüchtling Lucien Favre mit, dann hat die Liga binnen weniger Monaten mehrere Hundert Dienstjahre eingebüßt. Die prägenden Teams werden längst von versierten jungen Männern wie Pep Guardiola und Thomas Tuchel gecoacht, und auch der Rest der Liga wird mit wenigen Ausnahmen von der next generation dominiert; von Männern, die gerne Schmidt heißen, manchmal auch Weinzierl, Dardai, Schubert, Hasenhüttl oder Nagelsmann.

"Wenn man das sieht, könnte man meinen, dass wir Älteren die jungen Spieler nicht mehr verstehen, aber das ist mit Sicherheit nicht der Fall", sagt Veh. Er mag auch keine Trends, "Trends sind meistens ein Krampf", sagt er, er hat schon zu viele Trends kommen und gehen sehen. Aber natürlich kennt auch Veh die Reflexe des menschlichen Nachahmungstriebs: Heute muss ja kein Klubmanager mehr schlechte Presse fürchten, wenn er den U17-Coach zum Chef macht. Diese Ausnahme ist inzwischen geradezu zur Regel geworden, die Manager vertrauen heute völlig selbstverständlich den Jungdynamikern aus der Jugend und nicht mehr abgebrühten Bescheidwissern wie Friedhelm Funkel oder Ewald Lienen, die längst nur noch in der zweiten Liga ihr Auskommen finden.

Veh ist noch nicht so weit, dass er seine Trainerkarriere offiziell beendet, "ich sage nicht, dass ich nichts mehr mache". Aber seine Einschränkung (es müsste ein "Klub mit viel Potenzial sein, bei dem du mehr gewinnst als verlierst") klingt wie eine indirekte Rückzugsankündigung; Veh weiß ja, dass ihn die Bayern nicht mehr fragen werden, und auch die Verfolgerklubs suchen heute Trainer, die einen akademischen Ansatz mit pädagogischem Enthusiasmus kombinieren und daraus im Idealfall eine identitätsstiftende Spielidee gewinnen.

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Stevens, Veh und Schaaf sind nicht zu alt, es ist keine Frage des Geburtsjahres, ansonsten wären auch Favre, 58, oder Joachim Löw, 56, schon aus der Zeit gefallen, und die Champions League hätte sich 2013 strikt weigern müssen, sich vom 68 Jahre alten Jupp Heynckes gewinnen zu lassen. Es geht aktuell eher darum, sich eine gewisse kindliche Restbegeisterung zu erhalten und auf die großen Kinder in der Mannschaft zu übertragen. Stevens, Veh und Schaaf sind eher nicht restbegeistert, sie sind überzeugte Routiniers, deren geübte Handgriffe einer Elf Ruhe und Verlässlichkeit geben können. Stevens war sogar dabei, daraus ein einträgliches Geschäftsmodell zu entwickeln; er reiste als fahrender Klassenverbleibshändler durchs Land, der Teams mittels seriöser Abwehrarbeit, robuster Ansprachen und gemeinsamer Frühstücke vor dem Abstieg rettete.

Stevens hat seine Karriere wegen gesundheitlicher Probleme jetzt offiziell beendet, auch mit dem etwas grimmig gewordenen Schaaf rechnet nach zehn Niederlagen in elf Hannover-Spielen kaum noch einer, und so muss sich die Liga darauf vorbereiten, dass sie womöglich gerade drei prägende Trainer der Nullerjahre verloren hat. Alle drei hatten ihre große Zeit, sie haben der Liga wunderbare Titel, Sprüche und Bilder hinterlassen: Huub Stevens, der Eurofighter in königsblauer Ballonseide, im einen Arm den blendend aussehenden Rudi Assauer, im anderen Arm - unsichtbar - die Null, die immer stehen muss; Thomas Schaaf, der aus Mutterwitz und Micoud eine Meisterraute baut, die den rasenden Rundling Ailton mit Steilpässen beliefert; der spektakulär lässige Veh mit seinem Cowboy-Charme und seinem ungenierten Stuttgarter Meisterfußball.

Vielleicht tröstet es die Liga, dass zumindest Armin Veh vielleicht noch mal wiederkommt. Vielleicht, sagt Veh, werde er noch irgendwo Manager. Man wird gespannt sein dürfen, welche Trainer er dann holt.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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