Fußball: Wettskandal:Treffen mit James Bond

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Puzzleteile fügen sich zusammen: Der Wettpate Marijo C. rückt fünf Profis von St. Pauli ins Zwielicht, 2008 Zweitliga-Spiele verschoben zu haben. Nach Aktenlage soll C. weitere klangvolle Namen genannt haben.

Thomas Kistner

Die Manipulationsvorwürfe gegen den FC St. Pauli im Zuge der in Bochum verhandelten Wettaffäre verdichten sich, der Bundesligist aber geht weiter sehr unaufgeregt mit der Situation um. Den Aussagen des Wettpaten Marijo C. zufolge sollen drei Zweitliga-Spiele des FC St. Pauli von Kickern des damaligen Kaders manipuliert worden sein: Eine Heimpartie gegen Alemannia Aachen am 11. Mai 2008 (0:2), das Auswärtsspiel gegen den FSV Mainz am 18. Mai 2008 (1:5) sowie das Auswärtsspiel gegen den FSV Mainz am 23. November 2008 (2:2).

Mit einer Plakat-Aktion kämpften die St.-Pauli-Fans zuletzt gegen die Kommerzialisierung ihres Klubs. Derzeit müssen aber auch sie erkennen, dass einige ihrer früheren Helden offenbar vorsätzlich Spiele verloren. (Foto: dapd)

An den zwei Mainz-Partien, dies sagte der 35-Jährige am 2. Dezember 2010 bei der Bochumer Polizei aus, sei er beteiligt gewesen; einmal nur als Mitwetter, das andere Mal habe er auch 50.000 Euro zur Summe beigesteuert, die für die Manipulation angefallen war. Die Aussagen bezüglich der drei angeblich verschobenen Zweitliga-Spiele seien "nicht neu", sagte St. Paulis Teammanager Christian Bönig der dpa, "die genannten Partien sind uns bekannt". Der Klub habe mit der Staatsanwaltschaft sowie der Deutschen Fußball Liga (DFL) gesprochen.

Die Hanseaten wollen sich nun nicht mehr äußern im laufenden Prozess um die europaweit größte Wettaffäre, die vor dem Bochumer Landgericht verhandelt wird. Ab dem 24. Februar soll sich Marijo C. verantworten. Auch an seinen Aussagen ist wenig belegbar, gesichert bleibt nur: Das Gericht wird sich weiter durch ein Dickicht aus einerseits konkreten Wettvorgängen, Summen und Namen sowie andererseits auffallend vagen Äußerungen und Erinnerungen kämpfen müssen.

Oft berichten Beschuldigte wie Marijo C. ja auch nur über Dinge, die ihnen von Dritten zugetragen worden seien. Beweise dafür, dass Profis des FC St.Pauli wirklich Spiele verkauft hätten, gibt es jedenfalls nicht.

Rendevous mit James Bond

Massiv beigetragen zur aktuellen Verdachtslage hat vor kurzem allerdings der frühere St. Pauli-Profi Rene Schnitzler. Im Stern hatte der Stürmer die Behauptung zu Protokoll gegeben, dass er von einem niederländischen Wettpaten namens Paul R. insgesamt 100.000 Euro angenommen habe, gezahlt angeblich zum Zwecke der Manipulation von insgesamt fünf Spielen im Jahr 2008. Jedoch habe er diese Betrügereien niemals ausgeführt, sagte Schnitzler bei seiner Vernehmung aus.

Jetzt fügen sich Teile seiner Aussagen mit Marijo C.'s Angaben zusammen wie ein Puzzle: Auch Schnitzler hatte die zwei Auswärtsspiele gegen Mainz, die 1:5-Niederlage und das 2:2, zu den betroffenen Partien gezählt.

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Wettpate Marijo C. gab nach SZ-Informationen bei seiner Vernehmung auch das Heimspiel gegen Aachen zu Protokoll. Diese Partie will der Zocker allerdings nur in der Beobachterrolle begleitet haben, nachdem er den Branchenkollegen Paul R. erstmals in den Niederlanden besucht und auf eine mögliche Zusammenarbeit über das Zweitliga-Team angesprochen habe. R. habe ihn zunächst nur sparsam informiert, er habe auch nicht die Namen von angeblich für Manipulationen empfänglichen Spielern genannt. Erfahren habe er aber da bereits, dass die Spieler pro verschobener Partie 150.000 Euro erhalten würden.

Der Wettskandal weitet sich aus - und St. Pauli gerät in die Schusslinie. (Foto: dapd)

Nach einiger Zeit sei es dann - wie kurzfristig von Paul R. angekündigt - zu dem überraschenden 2:0-Außenseitersieg der Aachener in Hamburg gekommen. St. Paulis Trainer Holger Stanislawski habe damals geschäumt und gewisse, äußerst stümperhafte taktische Defizite seiner Mannen benannt. Das, so Marijo C. laut Aktenlage, habe ihn von Paul R.'s Einflussmöglichkeiten überzeugt.

In der Folge will der Beschuldigte die Namen von angeblich an Manipulationen beteiligten Pauli-Profis erfahren haben. Es habe sich um insgesamt fünf Spieler gehandelt, inklusive Schnitzler, den er als einzigen auch persönlich getroffen haben will. Das sei auf R.'s Veranlassung in Amsterdam geschehen. Schnitzler, der ihn "James Bond" genannt habe, sei über seine Anwesenheit beunruhigt gewesen; der Profi habe seine Fragen bezüglich der Betrugsdetails nur knapp und weitschweifig beantwortet.

Russischer Mitspieler

Bei einer späteren Gelegenheit, so Marijo C., habe er die vier anderen Spieler kennenlernen wollen. Paul R. habe ihm deren Anwesenheit zu einem bestimmten Datum in Amsterdam zugesichert. An jenem Tag habe er dann zwei Stunden vor dem vereinbarten Treffen angerufen und erfahren, er solle gleich kommen, die Kicker seien schon da.

Diese Zusicherung habe ihm genügt, weil er nur geblufft habe, um den neuen Kompagnon zu testen. Er habe eine andere Verpflichtung vorgeschoben und sein Kommen abgesagt, tatsächlich sei er nicht mal in der Nähe von Holland gewesen.

Harte Arbeit wartet auf die Richter, die hier Dichtung und Wahrheit trennen müssen; es bleiben Zweifel auch an diesen Aussagen. Übrigens nicht nur im Hinblick auf St. Pauli. Marijo C. hat nach Aktenlage einige weitere klangvolle Namen im Angebot. Darunter einen russischen Nationalspieler, der einmal auf ein manipuliertes Spiel als Zocker mit eingestiegen sein soll.

© SZ vom 24.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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