Fußball: Trainermarkt:Das Ende des Kulturkampfes

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Jupp Heynckes und Horst Hrubesch statt Jürgen Klinsmann und Mirko Slomka: Der Fußball-Trainermarkt hat eine konservative Wende erfahren.

Philipp Selldorf

Der Diplom-Sportlehrer Mirko Slomka gilt als moderner Vertreter seines Fachs. Er besitzt das technische Wissen, um an seinem Laptop mit den neuen Software-Programmen das Spiel in seine Einzelteile zu zerlegen, er verfügt über die anatomischen Kenntnisse, um über die Formen der Oberschenkelmuskulatur zu referieren, er zieht Wissenschaftler hinzu, die seine Arbeit als Chefaufseher in neue Höhen führen.

Horst Hrubesch steht für die konservative Wende auf dem Trainermarkt. (Foto: Foto: Reuters)

Seine Arbeitsweise wird in der Branche anerkannt, was den 41-Jährigen zuletzt zu einem gefragten Mann machte. Kaum ein Klub, der in diesem Sommer einen neuen Chefcoach gesucht hat, versäumte es, ein Engagement des ehemaligen Schalke-Trainers in Erwägung zu ziehen: "Über Mirko Slomka", sagt beispielsweise Rudi Völler, "wird man immer nachdenken. Schade, dass er nicht wieder untergekommen ist. Aber ich bin überzeugt, dass er es bald packen wird."

Völlers Lob hat einen schönen Klang und ist womöglich sogar ernst gemeint, aber als es drauf ankam, hat der Sportdirektor von Bayer Leverkusen dann doch lieber einen ganz anderen Mann unter Vertrag genommen. Jupp Heynckes ist 23 Jahre älter als Slomka, und während letzterer darauf wartet, seine in Schalke begonnene Karriere im Spitzenfußball endlich fortzusetzen, hat sich Heynckes vorübergehend bereits im Ruhestand und - auch das - in der Vergessenheit gewähnt.

Zwangsläufig hat der 64-Jährige nicht den Ruf, den Fußball auf neuen Wegen zu erschließen. Dennoch hat Völler nicht lange überlegen müssen, wen er nach der Trennung von Bruno Labbadia als nächsten Betreuer für die junge Leverkusener Mannschaft verpflichten wollte. "Ich kenne den Jupp ja schon lange, und als Fachmann sowieso", sagt der Leverkusener Sportchef. Völler erkundigte sich in München bei Karl-Heinz Rummenigge über Heynckes' Kurz-Arbeit bei den Bayern, danach suchte er mit Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser den Kandidaten in dessen Wohnzimmer auf. Schon war die Abmachung perfekt.

In diesem Sommer hat der Markt der ideologischen Vordenker still und friedlich eine konservative Wende erfahren. Die Begeisterung für die Technokratie und für radikale Umkrempler wie Jürgen Klinsmann ist der Besinnung gewichen, dass wie in der Küche die Erfahrung vom Umgang mit den Basis-Zutaten die wertvollste Komponente bleibt. Prominente Resultate förderten diesen kleinen Trendwechsel. Auf der einen Seite steht bahnbrechend Klinsmanns Scheitern bei den Bayern, auf der anderen Felix Magaths Triumph in Wolfsburg, der sich ein Vergnügen daraus gemacht hatte, den reaktionären Gegenspieler zum Münchner Modernisierer zu geben.

Nun staunt niemand mehr darüber, dass eine als vormodern belächelte Erscheinung wie Horst Hrubesch als Trainer der Junior-Profis zu höchsten Siegerehren gelangt, und dass hinter ihm der Sportdirektor Matthias Sammer steht und immerzu die althergebrachten - und jahrelang verdammten - "deutschen Tugenden" als Leitmotiv betont. Hrubesch, sagt dessen ehemaliger Hamburger Mitspieler Magath, sei "der beste Beweis dafür, dass es im Fußball keine Grenzen gibt", und als Beleg schildert er das ganz spezielle Trainingsprogramm des Mittelstürmers vor 30 Jahren: "Rübe hinhalten", wenn von links und rechts die Flanken kamen.

Nicht alles richtig, nicht alles schlecht

Ein solches Kompliment des rohen Fleißes wäre vor ein paar Jahren noch als Ausdruck rückständigen Denkens aufgefallen, doch der hysterische Kulturkampf, in den Klinsmann nach der Übernahme seines Amtes beim DFB vor fünf Jahren den deutschen Fußball gestürzt hat, hat sich erschöpft, man sieht nun wieder klarer.

"Vorher war nicht alles richtig bei den neuen Trainings- und Fitnessmethoden, und jetzt ist nicht alles schlecht daran", findet Rudi Völler, im Herzen ein Konservativer, aber auch ein Mann der Mitte. Und Magath, versichert dessen ehemaliger Nationalelfkollege, "ist ja auch gar nicht der altmodische Medizinball-Hardliner, zu dem er gemacht wird und als der er sich verkauft." Sondern einfach ein Trainer, der weiß, wie es geht: "Theorie und Fitness sind das eine", meint Völler, "aber am Ende muss man dann trotzdem bis zum Umfallen Flanken, Kopfball und Torschuss üben."

Völlers Bild von Heynckes' Arbeit, das er just während des Trainingslagers auf der Insel Borkum studiert, ist von zeitloser Gültigkeit. "Er hat immer noch die Energie und die Passion, die man in diesem Beruf braucht, aber er hat auch eine gewisse Leichtigkeit und den Zugang zu den jungen Spielern", stellt der Sportchef fest und hebt die ewige Relevanz dieser Vorzüge hervor: "Selbst ein Jose Mourinho sucht bei aller Härte und Disziplin immer die freundschaftliche Nähe zu den Spielern."

© SZ vom 02.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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