Fußball-Regionalliga Bayern:Torjäger im Winterschlussverkauf

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Akrobatischer Aufsteiger: Robin Ungerath kam vor der Saison vom Bayernligisten Wasserburg zum Regionalligisten Burghausen. Und wechselt jetzt in die österreichische Bundesliga. (Foto: Julien Christ/Beautiful Sports/Imago)

Treffsichere Stürmer sind gefragt: Die Viertligaspieler Ungerath, Leipold, Telalovic und Imsak wechseln zu Profivereinen. Und Schweinfurts Skenderovic hat beim TSV 1860 München Interesse hervorgerufen.

Von Stefan Galler

Vielleicht spielt ja auch hier das Virus eine Hauptrolle. Es ist jedenfalls auffällig, dass insbesondere im aktuell geöffneten Transferfenster eine ganze Reihe von Fußballern aus der viertklassigen Regionalliga zu Profivereinen transferiert werden. Womöglich hängt es damit zusammen, dass viele Erst- und Zweitligisten wegen coronabedingter Einnahmeausfälle, etwa durch Geisterspiele, an ihren Budgets schrauben müssen, um nicht in finanzielle Schieflage zu geraten. Den Regionalligaklubs spielt die Entwicklung auf alle Fälle in die Karten. Die meisten von ihnen sind chronisch klamm, einige haben sich deshalb selbst das Etikett Ausbildungsverein verpasst und ihre Philosophie dahingehend verändert: Junge Spieler aus den eigenen Reihen oder aus der Region ausbilden und dann gewinnbringend verkaufen, so der Plan, den neuerdings etwa auch die SpVgg Unterhaching noch vehementer verfolgen wird als bisher, wie Präsident Manfred Schwabl ankündigte.

Für den FV Illertissen beispielsweise ist der Verkauf von Torjäger Semir Telalovic zu Borussia Mönchengladbach ein echter Coup, ganz egal, wie hoch die Ablöse nun tatsächlich gewesen ist - die in Medien kolportierten 50 000 Euro Ablöse seien so nicht richtig, betonte Vorstandsmitglied und Teammanager Hermann Schiller. Trotz der Einnahmen sei es aber "nicht so, dass wir Semir verkaufen hätten müssen". Es passe eben gut ins Gesamtkonzept des Klubs, einen Spieler besser zu machen und ihm dann "keine Steine in den Weg zu legen", wenn sich eine Chance ergibt, nach oben zu kommen. Im Fall von Telalovic, 22, der erst vor der Saison vom baden-württembergischen Verbandsligisten Ehingen-Süd nach Illertissen gekommen war, ging das voll auf: Mit seinen 14 Toren und vier Assists in den ersten 23 Saisonspielen trug er maßgeblich dazu bei, dass der FVI aktuell von Tabellenplatz vier grüßt und mit dem Abstieg in dieser Saison nichts mehr zu tun haben wird.

Aus dem Allgäu an den Niederrhein: Semir Telalovic (links), hier gegen Bayern-II-Verteidiger Akwo Arrey-Mbi geht von Illertissen nach Mönchengladbach. (Foto: Sven Leifer/foto2press/imago)

Schiller jedenfalls traut dem Angreifer zu, sich auch beim derzeit kriselnden Traditionsverein am Niederrhein durchzusetzen, auch wenn er sich erst einmal über die Regionalligamannschaft hocharbeiten müsse. "Semir wird mit der Situation gut umgehen, er ist auch keiner, der sich übermorgen gleich den ersten Ferrari kauft", so Schiller. Wie bodenständig der 22-Jährige sei, habe man bei der emotionalen Verabschiedung von seinen Kameraden am Dienstag spüren können: "Ich meine, ich habe da bei ihm feuchte Augen gesehen."

Wacker Burghausen fehlt nach den beiden Weggängen die Wucht von insgesamt 23 Saisontreffern

Vor allem die treffsicheren Stürmer sind es immer wieder, die von niedrigeren in höhere Klassen gezogen werden. Bei Wacker Burghausen können sie davon ein Lied singen, dem Klub von der Salzach wurden im Januar nun schon ihre beiden besten Saisontorschützen weggeholt: Nachdem unmittelbar nach dem Jahreswechsel der 20-jährige André Leipold zum Zweitliga-Spitzenteam Darmstadt 98 gewechselt war, gab man am Donnerstag den Wechsel von Robin Ungerath, 23, zum österreichischen Bundesligisten SV Ried offiziell bekannt. Damit fehlen Trainer Leo Haas in der Rückrunde seine beiden mit Abstand besten Torschützen, Ungerath hatte 14 Mal getroffen, Leipold neunmal. "Und dann hat sich im zweiten Training auch noch Nico Helmbrecht schwer verletzt, der hat in der Vorrunde drei Tore geschossen", ergänzt Haas, der trotz der Rückkehr von Andrija Bosnjak aus der ersten finnischen Liga noch nicht weiß, wie er diese 26 Treffer im Frühjahr kompensieren soll. "Da muss man als Trainer kreativ sein, für mich ist es natürlich nicht einfach. Aber wenn man unsere Philosophie betrachtet, sind solche Transfers überragend."

Die finanziellen Rahmenbedingungen dürften für die Burghauser gepasst haben, allerdings seien die Verkäufe auch nur deshalb realisiert worden, weil man sich mit 36 Punkten in sicheren Sphären der Tabelle bewege: "Hätten wir zehn Punkte weniger, hätten wir es eher nicht gemacht", so Haas, der seinen beiden ehemaligen Schützlingen die Daumen drückt: "Der Sprung ist groß, aber es liegt an ihnen, dass sie es schaffen. Ich wünsche es mir sehr." Wobei vor allem Ungerath, den der Coach schon aus gemeinsamen Tagen beim Bayernligisten Wasserburg kennt, einen "unglaublichen Willen" habe.

Im Visier: Schweinfurts Meris Skenderovic entspricht offenbar dem Beuteschema der Münchner Löwen. (Foto: Julien Christ/Beautiful Sports/imago)

In Serhat Imsak, 22, der vom FC Pipinsried zum Zweitliga-Spitzenreiter FC St. Pauli geht und dort wie Telalovic in Gladbach erst einmal in der zweiten Mannschaft zum Zug kommen soll, verlässt ein weiterer talentierter Stürmer die Regionalliga Bayern, um höhere Etagen zu erklimmen. Und auch Meris Skenderovic, 23, könnte dem Ruf eines Profiklubs erliegen. Der Stürmer des FC Schweinfurt 05, einst ausgebildet bei der TSG Hoffenheim und in der laufenden Saison 13 Mal Torschütze und acht Mal Vorbereiter, hat beim TSV 1860 München Interesse hervorgerufen. Robert Hettich, Sportlicher Leiter der Schweinfurter, bleibt aber gelassen: "Wir haben nicht vor, ihn abzugeben." Das liege auch daran, dass man trotz 13 Punkten Rückstand auf Spitzenreiter SpVgg Bayreuth (bei einem weniger absolvierten Spiel) den Aufstieg noch nicht abgehakt hat. Auch seien die Löwen als Drittligist im Tabellenmittelfeld womöglich nicht die Verbesserung, die sich der ehemalige Jugendnationalspieler vorstellt. "Den Sprung in die dritte Liga könnte er ja mit uns auch schaffen", sagt Hettich und lässt durchblicken, dass der FC Schweinfurt mit seinen Profistrukturen etwas anders denkt als etwa Burghausen oder Illertissen.

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