Fußball-Regionalliga Bayern:Ganz ohne Banküberfall

Lesezeit: 4 min

Fußballklubs als Immobilieninvestor: Hinter der Osttribüne des Unterhachinger Sportparks entsteht ein Gewerbegebiet. (Foto: Sven Beyrich/Sports Press Photo/imago)

Ein Transfer von Karim Adeyemi wird der SpVgg Unterhaching weitere fünf bis sieben Millionen Euro bringen, und neue Talente stehen schon bereit. Doch der börsennotierte Klub erschließt auch neue Geschäftsfelder: Er will Büroflächen bauen und vermieten - und womöglich wird im Sportpark bald American Football gespielt.

Von Stefan Galler und Christoph Leischwitz

Ginge es nur um die sportliche Situation der ersten Mannschaft, Manfred Schwabl wäre wohl kaum so entspannt, wie er es in diesen Tagen ist. Die SpVgg Unterhaching liegt im Mittelfeld der Fußball-Regionalliga Bayern, Tabellenführer FC Bayern II ist schon um 16 Punkte enteilt. Aber der Präsident lobt gebetsmühlenartig seinen Cheftrainer Sandro Wagner, der "einen super Job" mache.

Für den Chef eines börsennotierten Drittliga-Absteigers mag Schwabls Gleichmut überraschen, doch der 55 Jahre alte frühere Profi und Nationalspieler denkt längst größer als nur von Viertligaspiel zu Viertligaspiel. Er verfolgt mit dem Fußballverein, der vor gut 20 Jahren sogar mal in der Bundesliga spielte und die Meisterschaft entschied, einen ganzheitlichen Ansatz. "2025, zum hundertjährigen Bestehen, will ich hier einen Verein haben mit Sozialprojekten, einer soliden Infrastruktur, einer florierenden Gastronomie und einem Nachwuchsleistungszentrum, das regelmäßig Talente produziert", sagt er. Er setzt auf Einnahmequellen, die mit dem ursprünglichen Kerngeschäft, dem Männerfußball, fast nichts mehr zu tun haben.

Im Gegensatz zu den Erwachsenen sind die Junioren furios gestartet: Die U19 hat in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest von den ersten sieben Spielen nur eines verloren und fünf gewonnen und liegt aktuell vor dem Nachwuchs des FC Bayern. Die U17 ist in ihrer Bundesligastaffel sogar Tabellenführer. "Wir sind bereits am Sondieren, welche 2005-er nächste Saison ein Fall für den Profikader sein könnten", sagt Schwabl, "noch nie hatten wir so viele Spieler mit Potenzial nach oben." Ein Indiz sind Berufungen in die Junioren-Nationalmannschaften. Wie etwa bei Stürmer Maurice Krattenmacher, der seine ersten beiden U17-Länderspiele absolviert hat, und bei Torwart Konstantin Heide, der für die U16 gegen die Schweiz debütierte.

"Es werden mehr", sagt Schwabl und verweist auf andere Talente mit großem Potenzial wie etwa Boipelo Mashigo. Der Südafrikaner ist mit seinen 18 Jahren Stammspieler in der Regionalliga und könnte eines Tages nach Karim Adeyemi der nächste Millionentransfer werden. Dass ihm die jungen Leute vorher von der Fahne gehen, befürchtet Schwabl nicht: "Die sehen das Trikot von Karim aus seinem ersten Länderspiel bei mir im Büro hängen und wissen, dass sie hier bestens aufgehoben sind. Da wird über Vertragsverlängerungen nicht mehr groß diskutiert."

"Wir rechnen mit fünf bis sieben Millionen, wenn Karim diesen Winter oder im kommenden Sommer transferiert wird", sagt Schwabl

Viele Legenden ranken sich um das Vertragswerk, das Schwabl einst beim Verkauf des Sturmjuwels Adeyemi an Red Bull Salzburg mit den Österreichern ausgehandelt hat. Sicher ist, dass der Präsident eine gehörige Weiterverkaufsbeteiligung ausgehandelt hat. Gerüchten, wonach diese nicht nur branchenüblich bei zehn, sondern sogar bei mehr als 20 Prozent liegt, widerspricht Schwabl nicht, im Gegenteil: "Wir rechnen mit fünf bis sieben Millionen, wenn Karim diesen Winter oder im kommenden Sommer transferiert wird", sagt der SpVgg-Präsident. Damit hätte ein einziges Talent den Hachingern rund 10 Millionen Euro in die Kassen gespült, nachdem der Verkaufspreis 2018 ja bereits 3,35 Millionen betragen hatte. Er habe eben gut verhandelt, sagt Schwabl, "in der Nacht der langen Messer damals in Salzburg".

Es sind Entwicklungen, die auch jene Leute positiv sehen dürften, die in das Projekt Unterhaching investieren. Der Aktienkurs, der bei der Platzierung am Markt bei 8,10 Euro gelegen hatte, ist trotz des Abstiegs der ersten Mannschaft mit etwa sechs Euro noch immer in einem soliden Bereich. Und würde im Falle eines Transfers Adeyemis mutmaßlich einen Sprung nach oben machen. Für Schwabl bietet Liquidität weitere Möglichkeiten zu reinvestieren, etwa ins Stadion: Der Kauf des Sportparks für 3,3 Millionen Euro von der Gemeinde Unterhaching ist längst ausverhandelt, es fehlt aber nach wie vor die Vertragsunterzeichnung. Diese verzögere sich, weil es sich als kompliziert herausgestellt habe, "einen einzelnen Teil einer Liegenschaft herauszunehmen", wie Rathaussprecher Simon Hötzl schon im Sommer mitgeteilt hatte. Dem Verein soll schließlich nur das Stadion verkauft werden; die Nebenplätze gehören nicht dazu.

Schwabl ist weiterhin optimistisch, dass der Deal im Frühjahr 2022 endlich über die Bühne geht. Es laufen auch schon erste Gespräche bezüglich einer Stadionvermietung an andere Teams. So hat die SpVgg Unterhaching nach SZ-Informationen im Sommer lose Gespräche mit dem Rechteinhaber einer American-Football-Mannschaft geführt. Die European League of Football (ELF) erklärte auf Nachfrage, dass man laufende Verhandlungen nicht kommentiere. Sollte München künftig eine Mannschaft stellen, würde dies bis Ende November bekannt gegeben werden; "wir sind für Gespräche offen", bestätigt Unterhachings Vizepräsident Peter Wagstyl, er bezweifelt aber, dass schon im kommenden Jahr Yard-Linien im Stadion gezogen werden.

Im Frühjahr kaufte der Verein ein Grundstück im "Gewerbegebiet Nord", direkt hinter der Osttribüne

Auch in der Stadionperipherie ist die SpVgg neuerdings engagiert: Im Frühjahr kaufte der Verein ein Grundstück im dortigen "Gewerbegebiet Nord", das sich direkt hinter der Osttribüne des Stadions befindet und 5500 Quadratmeter groß ist. Zurzeit befindet sich dort ein provisorischer Parkplatz. Dort sollen Büroflächen entstehen, die die SpVgg vermieten will. Derzeit wird im Gemeinderat über die dort zugelassene Bebauung diskutiert: Die Geschossflächenzahl (GFZ) wurde nach dem Kauf durch den Klub angehoben. Da aber auch die Gemeinde dort Flächen besitzt, lohnt sich eine GFZ-Erhöhung aus zweierlei Gründen auch für die Kommune: Man wertet das eigene Grundstück auf und kann bei zusätzlichen vermietbaren Flächen auf dem Areal der SpVgg auf höhere Gewerbesteuereinnahmen hoffen.

"Wenn sich die Gemeinde dagegen entscheidet, können wir damit natürlich auch sehr gut leben", sagt Schwabl. Wagstyl nennt den kommenden Sommer als frühestmöglichen Baubeginn. Das neue Gewerbegebiet sei "entscheidend" dafür gewesen, dass sich die Fußballer frühzeitig eine weitere Einnahmequelle erschlossen: die Gaststätte im Sportpark, in die künftig auch hungrige Büroangestellte zur Mittagspause kommen sollen. Dort tritt der SpVgg-Schatzmeister Dirk Matten als Geschäftsleiter auf.

So verfolgen Schwabl und seine Mitstreiter weiterhin ehrgeizig das Ziel, "nicht mehr fremdbestimmt, sondern unabhängig" zu sein, wie der Präsident sagt. "Es darf nicht auf den Geldbeutel des Vorstands ankommen, und wir können auch nicht jedes Mal eine Bank überfallen oder im Lotto gewinnen, wenn wir Liquidität brauchen." All diese Ideen sind aus der Not geboren: Weil in den vergangenen Jahren kein wirklich potenter Hauptsponsor gefunden wurde, eröffnete sich die SpVgg eben selbst neue Geschäftsfelder. Wobei all dies letztlich auch dazu führen soll, dass die gute, alte erste Mannschaft eines Tages wieder dauerhaft in der zweiten Bundesliga spielt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: