Entlassung von José Mourinho:Die Symbiose mit der Roma ist dahin

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Im ersten Jahr gewann er die Conference League, im zweiten Jahr trug er die Roma bis ins Finale der Europa League. Doch in der Meisterschaft war die Mannschaft unter José Mourinho zu schwach. (Foto: Alessandro Sabattini/Getty Images)

Nach einer Serie von Misserfolgen muss José Mourinho gehen. Zu ideenlos war das Spiel der AS Rom, zu redundant die Entschuldigungen und Ausflüchte des Fußballtrainers. Bis Saisonende übernimmt ein alter Romanista.

Von Oliver Meiler

Was war das für eine Symbiose! Eine leicht toxische zwar, aber eine totale Verschmelzung. José Mourinho schaffte es in zweieinhalb Jahren als Trainer der Associazione Sportiva Roma, den Bauch der Fans für sich zu gewinnen. Schon auch die Herzen, aber wichtiger noch war ihm der Bauch, la pancia. Er wühlte darin herum, brachte ihn zum Rumoren gegen alle bösen Mächte, die sich gegen ihn und die Roma mobilisiert hatten, die Schiedsrichter vor allem. Und wenn es nötig war, massierte und streichelte er den Bauch mit Pathos.

Es ist nicht überliefert, wer "Mou" beraten hatte, als er im Sommer 2021 in Rom landete, wie ein Marsmensch. Doch so viel lässt sich sagen: Der Souffleur hat das Volk erobert, klug und listig, er traf immer den passenden Ton, ein Demagoge vor dem Herrn. Das Stadio Olimpico ist seit eineinhalb Jahren immer ausverkauft.

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Und so sind die Romanisti auch jetzt noch, wo Mourinho nach einer Serie von manifesten Misserfolgen und mit einleuchtendem Grund mit sofortiger Wirkung entlassen wurde, tief gespalten. Es gibt die absoluten Fans, die seinen zynisch altmodischen Fußball immer und gegen alle verteidigten: In den Kurven hing auch mal ein Plakat mit der Aufschrift: "Mou - fino alla morte". Bis in den Tod. Unter #MouOut offenbarten sich online zuletzt aber auch jene Fans, die Mourinhos ständige Ablenkungsmanöver satthatten, dieses "Wir gegen alle", damit auch ja niemand vom ärmlichen Spiel redete - und die stattdessen gerne mal wieder guten Fußball sehen würden. Der Bauch, der will zuweilen auch mal etwas Exquisites gereicht bekommen. Hätte Mourinho mehr Erfolg gehabt, wäre der Stil auch ihnen egal gewesen.

Oft sah die Roma gegen die großen Vereine im Land besonders klein aus

Im ersten Jahr gewann er mit der Roma die Conference League, im zweiten Jahr trug er das Team bis ins Finale der Europa League. Die Trophäe nimmt ihm niemand - das ist mehr, als dieser Verein international jemals erreicht hat. Doch in der Meisterschaft, wo Konstanz zählt, ein Plan und alte Rivalitäten, da war er viel zu schwach: 96 Spiele leitete der Portugiese, im Schnitt brachte es Rom dabei auf 1,614 Punkte pro Begegnung. Damit ist der "Special One" gerade mal Nummer 16 unter den Coaches in der gesamten Klubgeschichte. Zwei sechste Plätze gab es in den ersten zwei Jahren, dabei war von Beginn weg mindestens Platz vier, die Qualifikation für die Champions League, das Ziel gewesen. Davon ist man auch in dieser Saison ziemlich weit entfernt - die Roma ist im Moment Neunte. Oft sah das Team gegen die großen Vereine im Land besonders klein aus.

Schlimmer noch: Von sechs Stadtderbys gegen die SS Lazio verlor Mourinho vier, das letzte vergangene Woche in der Coppa Italia, so uninspiriert wie nie. Spätestens da war auch die Symbiose dahin. Am vergangenen Wochenende verlor Rom dann auch gegen die AC Milan, was an sich keine Schande ist, gerade im San Siro nicht. Doch wieder war es die Manier, die viele beelendete, diese stumpfe Ideenlosigkeit. Die amerikanischen Vereinsbesitzer, die stillen Friedkins aus Texas, Vater und Sohn, haben Mourinho über die Jahre hinweg und trotz enger Budgetierung wegen der Auflagen der Uefa, einen Haufen guter Spieler geholt. Im aktuellen Kader stehen unter anderem folgende Namen: Paulo Dybala, Romelu Lukaku, Lorenzo Pellegrini, Leandro Paredes, Leonardo Spinazzola, Andrea Belotti, Chris Smalling sowie Torwart Rui Patricio.

Nicht gerade eine No-Name-Truppe. Aber sieht man mal vom Verletzungspech ab, das etwa dem Argentinier Dybala anhängt, einem gläsernen Juwel, hätte Mourinho schon einiges mehr erreichen können. Sollen. Müssen. Auch die eloquenten Entschuldigungen und Ausflüchte sind irgendwann redundant geworden. Das fanden nun auch die Friedkins und beendeten das Verhältnis fünf Monate vor Vertragsende. Die italienische Presse berichtet, Mourinho habe bei der Unterzeichnung eine hohe Strafsumme ausgemacht, sollte er früher weggeschickt werden. Er wisse schon, wie es weitergehe, ließ "Mou" ausrichten. Er kann gut switchen.

Daniele De Rossi, hier 2020 bei der Gruppenauslosung für die WM-Qualifikation 2022, könnte für AS Rom nun ein Fährmann in der zwischenzeitlichen Finsternis werden. (Foto: Kurt Schorrer/dpa)

Die Roma macht nun Daniele De Rossi zum neuen Trainer - zumindest für eine Übergangszeit, bis zum Ende der Saison. Dann, so spekuliert man in Italien, könnte man sich um Antonio Conte bemühen, so der dann wieder Lust verspürt, eine Mannschaft zu übernehmen. De Rossi ist in diesem Szenario ein Fährmann in der zwischenzeitlichen Finsternis. Und man weiß nicht so recht, ob man sich mit dieser Vereinslegende, diesem Römer und Romanista, über eine solche Beförderung freuen sollte. Er wird ein Team übernehmen, das Mourinho ausgepresst hat mit seiner emotionalen Führung. Unsicher ist auch, ob die Stars, die sich nur wegen des Portugiesen nach Rom locken ließen, ohne ihn bleiben werden.

Unklug ist die Berufung De Rossis natürlich nicht: Er führte sich schon als Spieler wie ein Trainer auf, dirigierte die Kameraden. Er ist intelligent, man hört ihm gerne zu. Und allein ihm traut man zu, dass er das Feuer am Leben halten kann, das Mourinho in den Kurven entfacht hat. De Rossi, erst 40 Jahre alt, hat den Trainerschein vor ein paar Jahren erworben und schon mal in Ferrara die Spal gecoacht - nicht sehr lange und nicht sehr glücklich. Aber sein Name trägt: für den Bauch, das Herz, den Kopf.

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