Fußball-EM:Ronaldos Pech ist Österreichs Glück

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Cristiano Ronaldo (links) und Sebastian Prödl. (Foto: AFP)

Das 0:0 gegen Portugal ist mehr als schmeichelhaft für die Österreicher. Aber: Sie können wieder aufs Achtelfinale hoffen.

Von Thomas Hummel, Paris

Als der Ball dann doch im Tor ihrer Mannschaft lag, sahen die meisten Zuschauer aus Österreich lange Zeit den Mann gar nicht, der sie da rettete. Sie schimpften und zeterten auf der Tribüne und verfluchten wieder einmal ihr großes Unglück. Doch der Schiedsrichterassistent am anderen Ende des Spielfelds hob die Fahne in die Luft, kein Tor. Wieder einmal.

Irgendwann war es kaum mehr zu fassen, dass es immer noch 0:0 stand im Pariser Prinzenpark. So viele Chancen hatten die Portugiesen, so viele Chancen hatte Cristiano Ronaldo, der großartigste Vollender der Welt. Doch am Ende blieb den Portugiesen genauso nur ein Punkt wie den Österreichern. Beide Mannschaften sind in Gruppe F damit weiterhin ohne Sieg und müssen beide nun jeweils ihr letztes Gruppenspiel gegen Ungarn und Island gewinnen, um das Achtelfinale zu erreichen.

Wenig verwunderlich war es nach dem Spielverlauf, dass die österreichischen Zuschauer den Punkt feierten wie einen Sieg. Und vor allem ihrem Torwart Robert Almer huldigten. Es war auch ein guter Teil des Acht-Millionen-Volks im Stadion gewesen, die Ovationen hallten vermutlich von Paris bis nach Wien.

Das Zittern beginnt schon eine Stunde vor dem Anpfiff

Dabei sollte für die Österreicher das Zittern viel früher beginnen als befürchtet, mehr als eine Stunde vor dem Anpfiff. In der Nachspielzeit hatten 660 Kilometer entfernt in Marseille die Isländer einen Freistoß an der Strafraumgrenze, Nachspielzeit, letzter Schuss. Würden sie treffen, wäre Österreich bei einer Niederlage gegen Portugal bereits ausgeschieden. Der Freistoß blieb an der Mauer hängen, der Nachschuss kullerte vorbei. Erleichterung.

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Vielleicht war deshalb die Laune unter den Rot-Weißen im Prinzenpark später ausgezeichnet. Was gab es jetzt noch zu verlieren? Nach dem 0:2 gegen Ungarn erwartete ohnehin kaum mehr jemand etwas von den Österreichern, die Verletzung des Bremer Zlatko Junuzovic (Teilriss des Außenbandes im Sprunggelenk) und die Sperre für Abwehrchef Aleksandar Dragovic ließ gegen starke Portugiesen samt ihrem Cristiano Ronaldo Schlimmstes befürchten.

Auf der anderen Seite ist so eine Außenseiter-Position für Österreich wesentlich bequemer, als gegen den Nachbarn Ungarn Favorit zu sein. Entsprechend konzentriert begann die Mannschaft das Spiel, die erste Chance hatte Marin Harnik. Doch aus drei Metern brachte er es fertig, den Ball nicht aufs Tor zu köpfeln (3.). Strukturiert und mutig sah das dennoch aus in den ersten Minuten. Aber das legte sich bald.

Ein paar Fehlerchen und schon verloren die Österreicher ihr Selbstvertrauen. Einige verloren zudem den Überblick. Abwehrspieler Sebastian Prödl bolzte Befreiungsschläge bis zum gegnerischen Tor, Torwart Robert Almer schoss Kollege Martin Hinteregger an, Rechtsverteidiger Florian Klein köpfelte freistehend mehrfach zur Ecke statt den Ball anzunehmen oder ins Seitenaus zu klären. Und David Alaba, der mehrfache Fußballer des Jahres, bot seine wohl schwächste Halbzeit seit der E-Jugend beim SV Aspern, im 22. Wiener Gemeindebezirk.

Alaba agiert in seiner Nationalmannschaft ja nicht als Linksverteidiger wie beim FC Bayern, sondern im offensiven Mittelfeld. Als Spielgestalter. Und als solcher wollte er bei jedem Ballkontakt einen Traumpass aus dem Fußgelenk schütteln, dabei misslangen ihm lange Zeit die einfachsten Pässe. Er wirkte schwerfällig und überhastet. Erst als ihn seine Landsleute auf der Tribüne mit Sprechchören aufmunterten, ging es ein wenig besser. Nach 65 Minuten holte ihn sein Trainer Marcel Koller dennoch vom Platz. Von einer Verletzung war nichts zu sehen und auch vorerst nichts zu hören. Alaba wirkte einfach platt.

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Dass es in diesem Moment noch 0:0 stand, hatten die Österreicher allein dem Gegner zu verdanken. Überlegene Portugiesen hatten seltsamerweise das Durcheinander bei ihrem Gegner nicht zu einem Tor nutzen können. Gelegenheiten hatte es genug gegeben. Nani scheiterte alleine vor Almer (12.), Cristiano Ronaldo schoss flach daneben (21.), Nani köpfelte eine der vielen Eckbälle freistehend an den Pfosten (29.).

"Wir sind wieder im Rennen"

Nach der Pause das gleiche Bild: Die erste Chance hatte Österreich, Stefan Ilsanker schoss vergebens. Danach ging es fast nur in die andere Richtung. Ronaldo scheiterte binnen 60 Sekunden zweimal an Almer (56.). Das Führungstor schien nur eine Frage der Zeit. Spätestens als Martin Hinteregger sich für einen Wechsel der Sportart entschied und Cristiano Ronaldo per Ringereinlage aufs Kreuz legte. Doch Ronaldo schoss den Elfmeter an den Pfosten (79.). Wenig später köpfte der Madrid-Stürmer noch ins Tor, stand aber im Abseits. Die Umstände, wie dieses 0:0 zustande kam, waren wirklich schwer zu fassen.

Am Ende war David Alaba zwar "nicht glücklich" über seine Auswechslung (und wohl auch nicht über seine Leistung), hatte zumindest aber seinen Schmäh nicht verloren. Was er dachte, als Ronaldo zum Elfmeter antrat? "Fuck!" Und danach? "Wir sind wieder im Rennen."

© SZ vom 19.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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