Qualifikation zur Fußball-EM:Italien bangt schon wieder

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Im Hinspiel in Skopje gab's ein 1:1 für die Italiener. Da war auch Ciro Immobile (vorne) noch dabei. (Foto: Ognen Teofilovski/Reuters)

Für den Europameister geht es um die EM-Teilnahme - gegen Angstgegner Nordmazedonien, ausgerechnet. Und der Stürmer, der am wenigsten Angst hat, spielt nicht.

Von Oliver Meiler

Die Azzurri hoffen jetzt auf eine App, so weit ist es schon gekommen. Das Tool heißt Hudl und ist in den USA von der Firma Agile Sports Technologies Inc. entwickelt worden. Sportcoaches können darauf offenbar einfach Videoclips hochladen, taktische Lektionen, kleine Motivationsreden. Luciano Spalletti, Italiens neuer Commissario tecnico, befüllt die App zusammen mit seinen Spielanalysten.

So steht den Spielern die Gedankenwelt des Trainers immer offen, auch fürs Studium im Home-Office, wenn sie für ihre Vereine aktiv sind, oder im Hotelzimmer, wenn sie mit der Nazionale unterwegs sind. Sie sehen etwa Spallettis hohes Pressing und die Gegenaggression nach Ballverlust - die Konzepte sollen sich wie Mantras in die Köpfe der Fußballer brennen. Es geht ja auch erneut um alles.

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Italien bangt wieder mal um die Qualifikation für ein großes Turnier. Nach zwei verpassten WM-Endrunden hintereinander hängt die Teilnahme bei der EM in Deutschland noch immer in der Luft - für den aktuelln Europameister, wohlgemerkt. Ist es nicht unfair, fragen die Italiener bei der Gelegenheit, dass es für Titelhalter in Europa kein Recht auf eine automatische Teilnahme am nächsten Turnier gibt, wie das bei Weltmeistern früher der Fall war?

Die Szenarien für ein Déjà-vu mit "unserem Albtraum"

Zwei Spiele bleiben den Italienern noch in der Gruppe C, man ist nur Dritter. England ist bereits qualifiziert, recht locker. Die Ukraine liegt mit drei Punkten Vorsprung auf Italien an zweiter Stelle, hat allerdings ein Spiel mehr ausgetragen. Und hinter Italien kommt Nordmazedonien, ja, ausgerechnet "Angstgegner Nordmazedonien", das "Schreckgespenst", "unser Albtraum" - so nennen Italiens Medien die Nummer 66 im Ranking der Fifa seit einer Nacht in Palermo im Frühling 2022, von der gleich noch die Rede sein soll.

So sieht es nun aus: Gewinnt Italien an diesem Freitagabend im fast ausverkauften römischen Olympiastadion gegen Nordmazedonien, dann würde ein Unentschieden gegen die Ukraine am kommenden Montag am Ausweichspielort Leverkusen reichen, um sich als Zweiter direkt für die EM zu qualifizieren - bei Punktgleichheit zählt nämlich der Direktvergleich, und die Italiener haben die Ukrainer im Hinspiel 2:1 besiegt. Gewinnt Italien allerdings nicht gegen Nordmazedonien, müsste es die Ukraine schlagen, zwangsläufig. Denn als Dritter oder Vierter stünde noch eine Prüfung an, die sich Italien aus trister Erfahrung lieber ersparen würde: Playoffs im Frühjahr 2024.

Damit zurück in jene Frühlingsnacht von Palermo, März 2022, dem Stachel in der Psyche des nationalen Calcio. Damals waren die Italiener an der direkten Qualifikation für die WM in Katar gescheitert und mussten in die Playoffs, zwei Spiele, zwei Gegner.

Dann traf Trajkovski - in der 92. Minute, und der Frühling war vorbei für Italien

Das erste Spiel gegen Nordmazedonien galt damals als Formsache. Palermos Stadion Renzo Barbera schien die richtige Adresse zu sein, eine kompakte, volle Arena, viel Euphorie. Doch dann passierte das Unglück: Der nordmazedonische Stürmer Aleksandar Trajkovski, der früher vier Jahre lang für Palermo in ebendiesem Stadion gespielt hatte, der die Windverhältnisse darin kennt, die Beschaffenheit des Rasens, die ganze Dynamik des "Barbera"- dieser Trajkovski traf zum 1:0, in der 92. Minute.

Die Formalität wurde zum fantasma, zum Gespenst. Überhaupt: Nordmazedonien! Insgesamt viermal hat Italien bisher gegen diesen gar nicht so furchterregend großen Gegner gespielt, nur einmal gelang ein Sieg, und das ist lange her: 2016 in Skopje. Ein Kampf war es auch da, 3:2, dank eines Treffers in der Nachspielzeit von Ciro Immobile. Von allen Italienern scheint Immobile noch am wenigsten beeindruckt zu sein von der vermeintlichen Übermacht: Er traf schon dreimal gegen diese Nordmazedonier, keine schlechte Quote. Doch in Rom wird Immobile diesmal nicht dabei sein. Er sei außer Form, sagt Coach Spalletti.

Die Rückkehr von Jorginho birgt auch eine ironische Note

Im Angriffszentrum soll wohl Giacomo Raspadori zum Einsatz kommen, der Ersatzmittelstürmer von Napoli. Und sollte der nicht treffen, säßen da noch Gianluca Scamacca von Atalanta Bergamo und Moise Kean von Juventus Turin auf der Bank, um nur die Rollenspieler zu nennen, die Neuner. Am meisten Aufmerksamkeit wird aber wohl auf einen Rückkehrer fallen, bei dem man sich schon gefragt hatte, ob er jemals wieder Azurblau tragen würde: Jorginho, 31 Jahre alt, Italo-Brasilianer im Dienst des FC Arsenal. Er gibt wieder den Regisseur, den Tempomat im Zentrum, wie 2021 beim EM-Triumph.

Und auch das ist nicht ganz ohne Ironie: Mit seinem verschossenen Elfmeter im WM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz im Herbst 2021 hatte Jorginho den Italienern die Frühlingsnacht von Palermo erst eingebrockt. Als er nun gefragt wurde, ob er bereit wäre, einen Strafstoß zu treten, wenn es einen gäbe gegen Nordmazedonien, sagte er: "Ja, ich spüre keine Blockade." Ob das wohl für die ganze Mannschaft stimmt? Die Gazzetta dello Sport schreibt: "Wir spielen gegen unsere eigenen Geister an. Es ist alles Kopfsache."

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