Es gibt keinen Superlativ, dem Nelson Rodríguez ausweichen würde. Nicht an diesem Dienstagabend deutscher Zeit, als der General Manager von Bastian Schweinsteigers künftigem Klub, Chicago Fire, über eine Stunde lang in einer Telefonkonferenz mit Reportern aus aller Welt spricht, in Englisch, Spanisch und auch ein bisschen auf Deutsch. "Ein Bier, bitte!", könne er sagen, scherzt er. Aber die Namen, die er nennt, als er über Schweinsteiger philosophiert, die bedürfen keiner Übersetzung, in keine Sprache der Welt.
Es sind der Fußball-Beau David Beckham, der Tennis-Spieler Roger Federer, seine Kollegin Serena Williams und der Basketballer Michael Jordan. Wenn man Rodríguez glauben darf, hat Schweinsteiger selbst nicht die geringste Angst, in eine Reihe mit großen Namen gestellt zu werden: "Er will weiter siegen, er will weiter triumphieren. Er hat mir ins Gesicht gesagt, dass er sein will wie LeBron James", sagte Rodríguez. LeBron James? Ja, jener LeBron James, den sie in den Staaten "The Chosen One" nennen, und der 2016 - und das heißt: auf seine alten Tage noch - mit den Cleveland Cavaliers den Titel der US-Basketball-Profiliga NBA gewann.
Wer weiß, ob Schweinsteiger geschmunzelt hat, als er das sagte. Gewiss ist dafür, dass die Namen Federer, Williams, Michael Jordan oder LeBron James fallen, weil Schweinsteiger, die einstige Bayern-Ikone, die nun Manchester United verlässt, im Sommer 33 wird. Er ist damit der älteste unter den 13 neuen "Designated Players", wie die Spieler genannt werden, die ein Salär oberhalb der Gehaltsgrenze der US-Profiliga MLS verdienen dürfen. Dort liegt das Durchschnittsalter bei 25,3 Jahren - und das ist ein Indikator, dass der US-Fußball weg wollte vom Image des Paradieses für Fußballrentner aller Welt.
Fußball:Selbst beim Adieu gibt es Poldi nur mit Schweini
Die Fußballprofis sind in den vergangenen 13 Jahren zu fast historischen Figuren gewachsen - meist Seite an Seite. Nun steuern sie auf ein würdiges Karriereende zu.
Sein neuer Chef hat keine Zweifel an Schweinsteigers Qualität
Seit die Nachricht vom Transfer in der Welt ist, grassiert in den US-Medien, die sich um Fußball kümmern, die Frage: Kehrt Schweinsteiger diesen Trend nun um? Es möge sein, "dass Schweinsteigers Spiel nicht mehr vom gleichen Speed und den gleichen physischen Elementen geprägt ist, die er noch als Teenager hatte", sagt Rodríguez. "Aber der Rest seines Spiels ist größer geworden", fügt er hinzu. Und 32 sei das Alter, in dem Federer und Williams noch Grand-Slam-Titel im Tennis abräumen - und die Figur des Sports in Chicago überhaupt, die Bulls-Legende Michael "Air" Jordan, noch zum wertvollsten Spieler der Basketball-Profiliga NBA gekürt wurde.
Auch deshalb ist in Rodríguez' Stimme nicht der leiseste Zweifel zu hören, als er sagt, dass Schweinsteiger Chicago Fire "zu einem besseren Fußball-Klub machen wird" - und ihn persönlich "zu einem besseren Manager". Schweinsteiger sei ein Champion, der auf das Spiel einer Mannschaft wirken könne wie Andrés Iniesta beim FC Barcelona oder Luka Modric bei Real Madrid.
Die Rekrutierung der Spieler folge einer Reihe von Leitfragen, die folgende seien: "Wir achten nicht auf den ethnischen Hintergrund. Wir achten auf Größe. Wir achten nicht aufs Alter. Wir fragen uns: Sind es große Spieler? Sind sie gute Menschen? Passen sie zu uns?" Schwein-steiger passe zu Fire. Und nicht nur das, sagt Rodríguez: "Er ist die perfekte Verkörperung des Klubs, der wir sind, und des Klubs, der wir sein wollen."
Der Klub wurde vor ziemlich genau 20 Jahren gegründet, am 8. Oktober 1997, am 126. Jahrestag des "Großen Brandes", der die Stadt damals in Schutt und Asche legte. Daher der Name und die feuerwehrroten Trikots des Klubs. Nur einmal wurde Chicaho seitdem Meister: zu wenig für die Eigner, eine private Investment-Firma namens Andell Inc. mit Sitz in Beverly Hills.
In Chicago haben sie ein Stadion gebaut, das kaum größer ist als das der SpVgg Unterhaching, aber eher selten gefüllt. Sie haben einen Dreijahresplan entworfen und den Kader strategisch aufgefüllt. Doch mit dem Drei-Jahres-Plan lief es bisher schlecht. In den letzten Spielzeiten war Chicago Fire beharrlich das schlechteste der 22 MLS-Teams. Seit 2012 wurde die Play-off-Teilnahme verfehlt. Und das soll Schweinsteiger nun ändern. Sofort.
SZ.de-App:Die wichtigsten Sport-News - direkt auf Ihrem Smartphone
Neu in der SZ.de-App: Analysen und Ergebnisse im Fußball und bei wichtigen Sportereignissen direkt als Push-Mitteilung auf Ihrem Smartphone.
Rodríguez erzählt, dass sie schon Mitte 2016 bei ihm vorgefühlt hatten. Doch Schweinsteiger hatte da noch den Traum, "so lange wie möglich" in Manchester zu bleiben, sein Vertrag lief bis 2018. Kein Frust wegen der Konflikte mit Trainer José Mourinho, der Schweinsteiger missachtete? "Not at all", sagt Rodríguez, "überhaupt nicht." Und überhaupt: Auch Manchester United habe freundlich darum gebeten, zu warten. Das taten die Fire-Bosse auch - bis die Zeit davon lief. Die Saison hat nun begonnen, Ende Februar stellte Chicago Fire ein freundliches Ultimatum: Man habe deutlich erklärt, dass man den Deal entweder jetzt mache. Oder gar nicht.
Und so hat Schweinsteiger sich nun mit Chicago Fire auf einen Ein-Jahres-Vertrag sowie eine beidseitige Option für eine weitere Spielzeit geeinigt. Der Antrag auf eine Green Card, auf eine Arbeitsgenehmigung, ist gestellt. Rodríguez erwartet keine Probleme und hofft, dass Schweinsteiger in der kommenden Woche in Chicago den medizinischen Test absolvieren kann, um am 1. April sein Debüt zu feiern, daheim gegen Montreal Impact aus Kanada. Die Ansprüche des Klubs sind klar formuliert. "Wir können nicht länger warten oder versuchen zu gewinnen. Wir müssen gewinnen. Dringend. Wir müssen unserem Publikum zeigen, dass wir es ernst meinen. Und dass wir das Ziel haben, Meister zu werden", sagt Rodríguez.