Fußball-Bundesliga:Fühlt sich an wie ein Fehlstart

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Kollektiv-Trainer Louis van Gaal muss nach zwei Spielen einsehen, dass der FC Bayern seine Individualisten braucht - und dass die Fans eine andere Vorstellung von einem guten Spiel haben als er.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Die Menschheit wird wohl nie erfahren, was Louis van Gaal über Ivica Olic denkt. Das liegt vor allem daran, dass der Trainer des FC Bayern der Menschheit nichts über einzelne Spieler mitteilt, das betonte er nicht nur während seiner ersten Pressekonferenz, sondern auch in jeder einzelnen danach. Er dürfte jedoch ziemlich sauer auf den Kroaten sein, den er beim 1:1 gegen Werder Bremen eingewechselt hatte. In der 61. Minute nämlich machte Olic etwas, was van Gaal keinesfalls gefallen dürfte: Der Schlingel stürmte wild auf den Bremer Verteidiger Per Pertesacker zu, erstocherte sich den Ball und stand plötzlich frei vor Tim Wiese.

Bayern-Trainer Louis van Gaal vor dem Spiel gegen Werder Bremen. (Foto: Foto: dpa)

Es war die erste wirklich große Torchance für den FC Bayern in diesem Spiel - und nicht die Mannschaft hatte sie sich erspielt, sondern ein Einzelspieler sie erkämpft. Es war kein schöner Spielzug, der aus kontrollierten und geduldigen Kombinationen entsprang, sondern eine Mischung aus Ehrgeiz, Antizipation und Glück - also jene Art Fußball, von der van Gaal ungefähr so viel hält wie vom Privatfriseur von Anatolij Timoschtschuk.

Vor dieser Gelegenheit, bei der Olic am glänzend aufgelegten Torwart Wiese scheiterte, hatte der FC Bayern nicht viel zu Stande gebracht in diesem Spiel. Die Mannschaft war gegen äußerst defensiv auf- und eingestellte Bremer zwar überlegen, viele Torchancen gab es indes nicht zu bewundern. Schweinsteiger scheiterte mit einem Fernschuss, Mario Gomez mit einem Kopfball - ansonsten gelangte der Ball kaum in den Strafraum der Bremer. "Klar waren die Münchner überlegen", urteilte Tim Wiese nach dem Spiel. "Sie haben 50 Milionen Euro investiert - wenn die nicht überlegen sind, dann hätten sie etwas falsch gemacht."

Van Gaal freilich sah das anders: "In den ersten 30 Minuten haben wir hervorragend gespielt, wir haben nur verpasst, ein Tor zu machen." In der Tat hatte der FC Bayern in der ersten halben Stunde einen Ballbesitz von nahezu 100 Prozent, agierte dabei jedoch so kreativ wie ein Wahlplakat der CSU. José Ernesto Sosa glänzte durch Sprintverweigerung, Hamit Altintop durch das Verschleppen des Spiels und Anatolij Timoschtschuk dadurch, dass er nicht gewillt war, die Mittellinie zu überschreiten.

Dass die Zuschauer in der Allianz Arena erst in 35. Minute begannen, die Spieler des FC Bayern auszupfeifen, lag vor allem daran, dass sie zuvor mit Gähnen beschäftigt waren. "Gegen einen derart defensiven Gegner braucht es überraschende Aktionen", sagte Mario Gomez nach dem Spiel. "Und diese Überraschungen haben gefehlt."

Es waren vielmehr die Bremer, die einen überraschenden Spielzug parat hatten, mit dem sie gleich mehrere Probleme in der Münchner Defensive offenlegten. Zuerst traf Timoschtschuk bei einer Grätsche statt Ball oder Gegner nur Grashalme, danach gab Philipp Lahm seinem Gegenspieler Aaron Hunt überraschend viel Raum, der den Ball in den Strafraum legte. Dort leistete sich Daniel van Buyten einen Stellungsfehler, indem er zu weit nach rechts verschob - und Timoschtschuk gab nach seiner Luftgrätsche nur den Begleiter von Özil, der zur Bremer Führung einschob. "Um Tore zu schießen braucht es Fehler", sagte van Gaal. "Und in dieser Situation haben wir gleich mehrere Fehler gemacht." Erstaunlich ist nur, dass die Bremer mit diesem einzigen gekonnt vorgetragenen Angriff die Defensive des FC Bayern derart gefährden konnte.

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Um dieses Spiel noch zu drehen, wechselte van Gaal zuerst Olic (46.) und danach Franck Ribéry (62.) ein. Es waren zwei richtige Entscheidungen, weil der eine, Olic, nicht aufhört zu laufen, zu kämpfen und zu stochern, und der andere, Ribéry, nicht aufhört zu dribbeln, zu passen und zu schießen. Vier Minuten nach der Hereinnahme des Franzosen erspielte - ja, erspielte - sich die Mannschaft die erste Torchance, als Ribéry bei seinem Gegenspieler Peter Niemeyer Kreislaufprobleme erzeugte und dann fein auf Olic zurücklegte, der jedoch an Wiese scheiterte.

Franck Ribéry nach dem Spiel gegen Werder Bremen. (Foto: Foto: rtr)

"Ribéry macht eben Dinge, die andere Spieler nicht machen können. Es hat uns gut getan, dass er wieder da ist", sagte Daniel van Buyten. Ein Urteil, dem sich der Trainer nicht anschließen wollte: "Er hatte eine gute Aktion, aber auch viele Ballverluste. Ihm fehlt noch der Rhythmus", sagte van Gaal und betonte danach noch einmal, nicht über einzelne Spieler sprechen zu wollen.

Ihm dürfte jedoch nicht entgangen sein, dass diese Mannschaft - egal, ob der Trainer nun Hitzfeld, Klinsmann oder van Gaal heißt - abhängig ist von diesem Franzosen. Ein Umstand, der Louis van Gaal nicht behagen dürfte. Denn bereits nach wenigen Wochen beim FC Bayern wird klar, dass der Trainer am liebsten elf gleiche Spieler aufs Feld schicken würde, die sich treu dem System ergeben, das er ihnen zuvor in der Kabine, nicht eingeredet, sondern programmiert hat.

Individualisten im Kollektiv

Er möchte elf Computerfußballer, die er mit dem Joystick über das Spielfeld dirigieren kann und die sich strikt an seine Anweisungen halten. Die statt eines riskanten Dribbling lieber den sicheren Querpass wählen, um nur ja nicht die Kontrolle zu verlieren über das Spiel. Es hat gar den Anschein, dass van Gaal Gefallen finden könnte an einem langweiligen Spiel, so lange nur alle elf Spieler gleich langweilig agieren.

Das Problem dabei ist, dass Spieler wie Ribéry, Olic und auch Schweinsteiger Individualisten sind, die vor allem dann herausragend agieren und für Torgefahr sorgen, wenn sie aus dem System ausbrechen und überraschende Aktionen starten dürfen. Es darf daher als fraglich gelten, ob sich die Ideen und Vorstellungen van Gaals mit diesen Spielertypen überhaupt umsetzen lassen.

Zwei Unentschieden stehen für den FC Bayern nun zum Beginn dieser Saison zu Buche, was sich für die Münchner wie ein Fehlstart anfühlen muss. "Wir hätten gerne sechs Punkte gehabt", sagte Mario Gomez nach dem Spiel. "Diese vier Punkte müssen wir nun aufholen. Es brauche eben Zeit, bis die Spieler das System des neuen Trainers verinnerlicht hätten. "Aber als Profisportler muss der Kopf immer dabei sein", sagte Gomez.

Das ist eine Aussage, die Louis van Gaal gefallen könnte. Ob sie ihm wirklich gefällt, wird die Menschheit nie erfahren - denn er spricht ja nicht über einzelne Spieler.

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