Die Zeiten, in denen Pressemitteilungen echte Neuigkeiten vermelden, sind auch im beschaulichen Südbaden vorbei. Deswegen wird es auch in Freiburg niemanden mehr überraschen, wenn der Sportclub in Kürze verkünden wird, dass Julian Schuster zur neuen Saison die Nachfolge von Christian Streich als SC-Trainer antritt. Ab dem Moment, als klar war, dass der Verein - wie so oft - eine interne Lösung wählen würde, war zu erwarten, dass die Streich-Nachfolge auf den 38-Jährigen hinausläuft.
Spannender ist da fast die Frage, wer dem künftigen Chefcoach Schuster, der bislang noch nie eine Mannschaft trainiert hat, beim Bundesligisten zur Seite gestellt wird. Alles deutet darauf hin, dass auch hier eine klubinterne Lösung verkündet wird. Ob es dabei auf Thomas Stamm hinausläuft oder auf einen der beiden aktuellen Assistenten von Streich, Florian Bruns und Lars Voßler, ist spekulativ. Stamm ist seit 2021 Trainer der zweiten Mannschaft des SC, mit der er in der Vorsaison Zweiter der dritten Liga wurde, derzeit dort aber auf dem letzten Tabellenplatz steht.
Schuster, der als Inhaber der Pro-Lizenz die formale Qualifikation als Bundesliga-Trainer besitzt, galt während seiner aktiven Zeit beim Sportclub (2008 bis 2018) als ein typischer Streich-Spieler. Als einer, der stets mitdenkt und zugleich hundertprozentig loyal ist. Von den Teamkollegen wurde Schuster zum Kapitän gewählt.
Wer sich in den unzähligen Verästelungen der Dialektfärbungen im Südwesten Deutschlands auskennt, hört unschwer, dass die Wurzeln des im Vergleich zu Streich porentief hochdeutsch sprechenden Schuster im Württembergischen liegen. Er stammt aus dem Landkreis Ludwigsburg, der Schritt zum VfB Stuttgart war in jeder Hinsicht naheliegend. Dort kam er als Spieler, dessen Oberschenkel dünner aussahen als manche Unterarme, jedoch nicht dauerhaft über die zweite Mannschaft hinaus.
2008 holte ihn Robin Dutt - ja, vor Christian Streich gab es auch schon andere SC-Cheftrainer - nach Freiburg. Dort lebt Schuster, inzwischen Vater von vier Kindern, nun seit fast 16 Jahren. Dutt, der Schuster als Jugendlichen kannte, wusste um die Spielintelligenz und die gute Technik des Jungprofis, der womöglich noch mehr erreicht hätte als eine solide Bundesliga-Karriere, wenn er ein klein wenig schneller gewesen wäre. Sein langjähriger Mannschaftskollege Nils Petersen attestierte schon dem Spieler Julian Schuster die Gabe, eine Partie taktisch lesen zu können. Er selbst, erzählte Petersen mal, fiebere bei gemeinsamen Fußball- Fernsehabenden mit und lasse sich von der Atmosphäre beeindrucken, Schuster hingegen achte auf die strategischen Winkelzüge. "Ich war als Spieler nie schnell und nie kräftig", hat Schuster selbst einmal gesagt: "Deswegen war das Analytische mein Weg, um besser zu sein als andere."
Wohl auch deshalb bekam Schuster, der (wie Petersen) früh zu den Spielern zählte, die der Verein dauerhaft an sich binden wollte, 2018 in Freiburg die Stelle des "Verbindungstrainers". Das war eine neu geschaffene Funktion, die Spielern aus der U23 und U19, die leistungsmäßig nah am Profikader sind, den Übergang erleichtern sollte. Schuster arbeitete mit den Talenten auch an Defiziten, die der Chefcoach Streich moniert hatte. Keven (heute VfL Bochum) und Nico Schlotterbeck (Dortmund) oder der aktuelle SC-Torhüter Noah Atubolu wurden mit Schusters Hilfe zu Profis.
Dass Schusters Beförderung mit Streichs Billigung geschieht, ist gewiss. Dabei gab es auch im innigen Verhältnis zwischen Streich und Schuster einen problematischen Moment. In der Spielzeit 2017/18, seiner letzten Saison als Spieler, in der früh feststand, dass er im Sommer aufhören würde, stand Schuster in fünf der letzten sechs Spiele auf dem Platz - aber nicht mehr im letzten. Streich wechselte ihn nicht ein, obwohl es Schusters Abschiedsspiel gewesen wäre, obwohl dessen halbe Familie auf der Tribüne saß und obwohl Gegner Augsburg sich längst mit der Niederlage abgefunden hatte.
Doch wenn der SC in den letzten Minuten noch drei Gegentore kassiert hätte, wäre er auf dem Relegationsplatz gelandet - für den Berufspessimisten Streich Grund genug, Schuster auf der Bank zu lassen und ihn der Ehrenrunde zu berauben, auf die sich auch die Fans gefreut hatten. Für Schuster war das damals durchaus ein Grund, stinksauer auf seinen Mentor zu sein. Aber nur kurz natürlich. Die beiden haben sich bald darauf ausgesprochen.