Auftritt des Fifa-Präsidenten:Blatters Eigentore

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Steile Thesen über "die Frauschaften", dafür kein Wort zur Korruption: Der Fifa-Chef irritiert zu Beginn der WM einmal mehr sein Publikum. Bei einer Pressekonferenz in Berlin inszeniert sich Sepp Blatter als wohlwollender Onkel des Frauenfußballs - kritische Nachfragen zu den jüngsten Skandalen des Weltverbandes sind nicht erwünscht.

Boris Herrmann

Sieh' mal einer an, ein paar Dinge funktionieren ja doch noch beim Fußball-Weltverband Fifa. Bei jenem unerschütterlichen Sportverband also, wo sich die Skandale und Skandälchen längst gegenseitig die Show stehlen und man als Außenstehender vor lauter Bestechungsvorwürfen allmählich den Überblick verlieren kann.

Mag Frauenfußball: Sepp Blatter beim WM-Eröffnungsspiel. (Foto: REUTERS)

Soweit ist es bei der Fifa ja schon gekommen, dass Präsident Joseph S. Blatter bei Stadionbesuchen nicht einmal mehr ein Sitzplatz auf Höhe der Mittellinie gewiss ist. Und wenn er dann dezent seine Grundrechte einfordert, bekommt er gleich wieder schlechte Presse. Aber wie gesagt, ein paar Dinge funktionieren eben doch noch.

Jetzt läuft sie also, die WM 2011 in Deutschland, die je nach Standpunkt als Frauen-WM (Männer), Fußball-WM (Frauen) beziehungsweise als Fifa-WM (Fifa) bezeichnet wird, und man darf berichten, dass sie gleich einmal mit einem Doppelsieg für Blatter begann. Erstens wurde er bei der offiziellen Eröffnungs-Pressekonferenz am Samstag im Olympiastadion mal ausnahmsweise nicht ausgepfiffen.

Und zweitens durfte er - ganz ohne es dazusagen zu müssen - auf dem besten Platz sitzen (direkt auf der Höhe des Mittelgangs). Genau genommen feierte der Schweizer sogar noch einen dritten Erfolg. Er eröffnete die Veranstaltung mit dem Satz: "Wir sind hier in Berlin." Dem war nur äußerst schwer etwas entgegenzusetzen.

3:0 für Blatter, so stand es nach nicht einmal 30 Sekunden bei dieser bestens besuchten Talkrunde. Und dass der Fifa-Boss diese komfortable Führung im Kampf gegen seinen schlechten Ruf am Ende doch noch verspielte, dass er als Geschlagener von dannen zog, erinnerte doch verdächtig an die mangelnde Chancenverwertung des VfL Wolfsburg unter Steve McClaren.

Natürlich war es naheliegend und vielleicht sogar verpflichtend, dass Blatter seinen Vortrag mit einer Liebeserklärung an die Frauen im Allgemeinen, die Fußballerinnen im Besonderen und die WM-Organisationschefin Steffi Jones im ganz Besonderen begann. "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich!" Blatter (Jones Mineralwasser eingießend) vergaß nicht zu erwähnen, dass er diesen Satz bereits 1986 geprägt habe. Er erinnerte dabei allerdings auch daran, dass man nicht alles so ernst nehmen müsse, was Blatter so sagt. "Damals habe ich nicht einmal selbst daran geglaubt" - 3:1.

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:Der Ballzauber vor den Zauberbällen

Von wegen Ladenhüter: Bis zu 150.000 Menschen haben sich am Vorabend der Eröffnung der Frauenfußball-WM vom "Ballzauber" auf dem Main verzaubern lassen. Der Kick-Off ist nur die erste von zahlreichen Veranstaltungen und Fanmeilen, die die 32 WM-Spiele begleiten werden.

Woran Blatter bislang zweifellos immer glaubte, ist die Unzertrennlichkeit der Zukunft des Fußballs mit Blatter. Das sehen aber vor allem in Deutschland nicht alle so, weshalb seine Verdienste bei öffentlichen Auftritten hier häufig nur in Form von Pfeifkonzerten gewürdigt werden. Blatters derzeitige Lieblingsschüler Steffi Jones kündigte an, sie werde alles dafür tun, dass "der Herr Präsident" während seines Auftritt bei der Eröffnungsfeier am Sonntag nicht ausgepfiffen werde, was dann auch prächtig gelang. Die einfache Lösung: Blatter trat nicht bei der Eröffnungsfeier auf.

Freundliche Worte, insbesondere an die OK-Chefin: Fifa-Präsident Blatter und Steffi Jones. (Foto: AFP)

Am Samstag vor der Presse hatte der Fifa-Boss zunächst noch tapfer versucht, Werbung in eigener Sache zu machen. Er verkündete, angesprochen auf die deutlich niedrigeren Prämien im Frauen- als im Männerfußball, noch einmal mit seiner Finanzabteilung zu sprechen. "Ich bin selber überrascht, dass da nicht mehr drin ist als sechs Millionen, vor allem wenn ich sehe, was der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken noch wert ist", versprach Blatter, um gleich grundsätzlich anzumerken, dass man "die Frauschaften" ohnehin viel früher fördern müsse "als die Knaben". Schlagende Begründung: "Ab einem gewissen Alter haben die Frauen in der Gesellschaft eine andere Funktion als Fußball spielen."

Der 75-Jährige merkte augenzwinkernd an, er wolle da nicht ins Detail gehen, nur so viel: "Sonst haben wir bald keine jungen Fußballspieler mehr." Da sich damit zum Thema Gleichberechtigung alle weiteren Fragen erübrigt hatten, wandte sich die Runde einem im Frauenfußball häufig vergessen Feld, dem Fußball, zu. Auf die sportliche Frage, wie viele WM-Spiele er, der Frauenfußball-Fan, denn im Programm habe, antwortete Blatter: "Ganz sicher das Eröffnungsspiel."

In das Geraune hinein, versprach er schließlich noch seine Anwesenheit im Halbfinale und beim Endspiel, mehr könne er allerdings nicht bieten. "Sonst müsste man mich zweiteilen." Nicht wenige Zuhörer gaben hinterher zu, sie hätten an dieser Stelle gerne applaudiert.

Blatter lag gegen sich selbst also schon mindestens 3:5 hinten, bevor es überhaupt um die akute Fifa-Krise und um Korruption ging - beziehungsweise fast darum gegangen wäre. Bei kritisch angehauchten Fragen sprangen ihm die OK-Chefin Jones sowie die resolute Fifa-Sprecherin Ségolène Valentin zur Seite, indem sie sich wild darüber empörten, wie man Blatter nur mit solchen Themen belangen könne. Der Weltverbands-Chef musste dieses Mal nicht einmal Worte gebrauchen, um nichts zu sagen. Als ein Journalist die korruptionsumwehte Jahreszahl 2022 (der WM in Katar) erwähnte, wurde die Pressekonferenz von Valentin während der Frage abgebrochen.

Das war denn selbst Joseph Blatter ein wenig zu viel der Bevormundung. Auf der Flucht ließ er sich doch noch ein Sätzchen zur Krise entlocken: "Die Ethikkommission arbeitet, arbeitet und geht weiter." Na dann.

© SZ vom 27.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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