Frankreich in der WM-Qualifikation:Unbeliebter als der Präsident

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Kämpft um die WM-Qualifikation: Franck Ribéry (Foto: AFP)

Überbezahlt, egozentrisch, talentfrei: Die Fußballer der französischen Nationalmannschaft haben schlechtere Popularitätswerte als der kritisch beäugte Präsident François Hollande. Jetzt bangt die einst stolze Équipe Tricolore auch noch um die WM-Teilnahme.

Von Saskia Aleythe

Es gibt Berufe, die sind so anerkannt, dass sie in der Träume-Biografie eines jeden Kindes auftauchen: Arzt, Feuerwehrmann, Astronaut, Schauspieler, Sänger - und natürlich Profi-Fußballer. Doch in Frankreich steht es arg um die Zunft der Balldribbler: Glaubt man den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage, lassen die dortigen Eltern ihre Kinder nur noch ungern auf den Bolzplatz stürmen. Schuld haben: die Spieler der Nationalmannschaft. Sie sind unter den Befragten noch unbeliebter als Staatspräsident François Hollande.

In der Umfrage, die die Zeitung Le Parisien am Freitag veröffentlicht hat, nannten 76 Prozent der über 1000 Befragten den Grund für ihren Unmut: den Trainingsboykott bei der WM 2010 in Südafrika. Ja, der Franzose ist nachtragend. Die Mannschaft sei überbezahlt (laut 86 Prozent der Befragten), egozentrisch (84) und talentfrei (76). Auf die Frage, wer ihr Lieblingsspieler sei, antworteten 22 Prozent mit "weiß nicht". Franck Ribéry, Europas Fußballer der vergangenen Saison, wurde ebenfalls genannt: von neun Prozent der Befragten.

Frankreich ist das Land, das mal Welt- und Europameister war und so vorzüglichen Nationalspielern wie Karim Benzema, Samir Nasri und Oliver Giroud eine Heimat bietet, sie spielen in Topklubs der europäischen Ligen. Wie auch Ribéry, der Über-Flügelflitzer des FC Bayern. Derzeit muss er allerdings darum bangen, ob er bei der Fußball-WM in Brasilien dabei sein darf. Oder ob er sich gemeinsam mit seinem Lieblings-Österreicher und Klubkameraden David Alaba einen alternativen Plan für den Sommerurlaub überlegen muss.

Vor dem letzten Spieltag in der WM-Qualifikation gegen Finnland am Dienstag ist für die Équipe Tricolore noch nichts sicher, aber alles möglich: Gruppensieg, Playoffs, Playoff-Aus. Die Gruppenersten sind direkt qualifiziert, die besten acht Zweitplatzierten spielen in der Relegation vier weitere WM-Starter aus. Die Mannschaft von Didier Deschamps ist Zweiter der Gruppe I, hinter Spanien als Führenden, mit drei Punkten Rückstand. Das ist wenig überraschend, ein Übertrumpfen des aktuellen Welt- und Europameisters war von vornherein ein kühnes Szenario.

Frankreich wird wohl den Gang in die Playoffs antreten. Dort würden sie als eines von vier schwächeren Teams auf eine der vermeintlich vier stärkeren Mannschaften treffen, laut einer am Montag publizierten Rangliste des Weltverbands Fifa. Der französische Verband überlegt prompt, gegen die Entscheidung zu protestieren. In der einzigen Qualifikationsgruppe mit fünf Mannschaften (statt sechs) sei es doch viel schwerer, Punkte für das Fifa-Ranking zu sammeln. So sehen die Franzosen das.

Qualifikationsspiele
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Für Österreich ist der WM-Traum dahin: Gegen Schweden verliert die ÖFB-Elf unglücklich 1:2. Belgien schafft mit einem 2:1-Erfolg gegen Kroatien den Sprung nach Brasilien, zum ersten Mal seit zwölf Jahren. Auch die Schweizer qualifizieren sich vorzeitig. Kolumbien jubelt über ein irres Comeback.

Der Blick auf die Tabelle legt das Fazit nahe, dass Frankreich bisher eine ordentliche Qualifikation spielt. Nur ein Ausrutscher war zu verzeichnen: Ein 0:0 gegen Georgien. Gegen Spanien kassierten sie eine Niederlage, im Hinspiel überraschten sie den Favoriten mit einem 1:1.

Trotzdem schmähen Volk und Presse die Mannschaft. Das Unentschieden gegen Georgien Anfang September schien den Fußball im Land zu lähmen. Die Zeitungen übten harsche Kritik. Die L'Équipe sah die Playoffs in Gefahr. Vor allem Real-Madrid-Stürmer Benzema wurde ob seiner dürftigen Treffsicherheit in Frage gestellt. "Wenn wir durch die Playoffs müssen, dann gehen wir das auch an", sagte Ribéry damals trotzig.

Vier Tage später gegen Weißrussland verbesserte die Mannschaft einen unrühmlichen Rekord, der seit 1925 Bestand hatte: 500 Länderspielminuten ohne Treffer. Nach 526 Minuten traf dann Ribéry, Frankreich geriet in Rückstand, Ribéry traf erneut. Am Ende hieß es 4:2, es war das Ende einer fünfmonatigen Serie ohne Sieg. Ribéry hatte seine Mannschaft wieder auf Trab gebracht. "Er ist der Boss, er ist wie eine Lokomotive", sagte Teamkamerad Blaise Matuidi über Ribéry. Le Parisien adelte ihn als "Superstar".

Ribéry hatte somit großen Anteil daran, dass Frankreich den Gruppensieg noch schaffen kann. Sowohl als Vorbereiter als auch als Torschütze brachte er seine Qualitäten ein. Vier Mal war der 30-Jährige selbst erfolgreich, drei Mal leitete er die Treffer ein. Beim 6:0-Erfolg im Testspiel gegen Australien in der vergangenen Woche war er an allen Toren beteiligt. Fehlt nur noch die Sympathie seiner Landsleute.

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