Formel 1: Nürburgring:Sebastian Vettel gerät ins Schleudern

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Sebastian Vettel wird beim Start eingeklemmt, begeht einen Fahrfehler und fährt ausgerechnet auf dem Nürburgring sein bisher schlechtestes Saisonresultat ein. Lewis Hamilton gewinnt und jubelt, wie es Vettel gerne getan hätte.

René Hofmann, Nürburgring

Der Text war ein gewohnter, der Sprecher aber ein anderer. "Toller Job. Das war überwältigend", ertönte ein begeistertes Gekrächze per Funk, als der Sieger des Großen Preises von Deutschland am Nürburgring über die Ziellinie schoss. Der hieß allerdings nicht - wie zuvor in diesem Jahr sechsmal - Sebastian Vettel.

Nicht zufrieden mit seiner Leistung und dem Zustand seines Dienstwagens: Sebastian Vettel nach dem Rennen am Nürburgring. (Foto: dpa)

Ausgerechnet bei seinem Heimrennen fuhr der 24-Jährige das schlechteste Resultat der Saison ein: Vettel kam als Vierter an, hinter seinem Red-Bull-Kollegen Mark Webber und Ferrari-Pilot Fernando Alonso. Die Hauptrolle an diesem trüben Nachmittag aber spielte noch ein anderer: McLaren-Mann Lewis Hamilton.

Für den 26 Jahre alten Briten ist es der zweite Sieg in diesem Jahr. Schon in Shanghai hatte er Vettel einmal überlistet. Dieses mal aber überlistete er alle. "Er ist unglaublich, er fährt permanent auf Angriff", lobte BBC-Kommentator David Coulthard Hamiltons forsche Herangehensweise schon während des Rennens.

Den Grundstein für den Erfolg hatte der Weltmeister des Jahres 2008 am Samstag mit einer herausragenden Runde in der Qualifikation gelegt, die ihm Startplatz zwei neben Mark Webber brachte. Von dort aus übernahm Hamilton schon in der ersten Kurve die Führung.

Seine Siegfahrt anschließend war keineswegs ungefährdet, blieb aufgrund des makellos funktionierenden Autos aber stets souverän. Hamiltons einzige Beschwerde an seine Ingenieure: "Könnt ihr bitte aufhören, mit mir zu reden, während ich fahre!" Im Ziel machte er sich selbst ein Kompliment: "Das war eines meiner besten Rennen."

Ähnliches konnte Sebastian Vettel nicht behaupten. Aber immerhin gelang es dem Titelverteidiger, seine Enttäuschung hinter einer betont nüchternen Analyse zu verstecken. "Das ganze Wochenende über habe ich mich nicht ganz wohl gefühlt", meinte er. "Es gibt Rennen, in denen läuft alles wie am Schnürchen. Und dann gibt es eben welche, in denen man alles rausquetschen muss. Heute war so eines."

Wie für Hamiltons Erfolg hatte auch für seinen kleinen Misserfolg bereits die Leistung am Samstag eine wichtige Rolle gespielt. In der Qualifikation war Vettel Dritter geworden. Zum ersten Mal 2011 durfte er an der Startampel nicht in der ersten Reihe parken. Der Nachteil daran ist ein weit größerer als bloß ein paar Meter: Als die Ampel erlosch, wurde Vettel in der ersten Kurve zwischen zwei Rivalen eingeklemmt. Damit war sein Vorwärtsdrang erst einmal gebremst.

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Wenig später gab es dann eine echte Seltenheit zu sehen: Auf der Jagd nach dem Anschluss an die Spitzengruppe unterlief Sebastian Vettel doch tatsächlich ein Fahrfehler. In dem Streckenteil, der auf das sogenannte Schumacher-S folgt, geriet Vettel mit dem rechten Hinterrad auf den künstlichen Rasen, der den Übergang vom Randstein zur Gras-bewachsenen Auslaufzone schmückt.

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Das künstliche Grün war feucht - und deshalb rutschig. Vettel geriet ins Schleudern, sein Auto kreiselte, er musste es abfangen. Es blieb bei einem Moment des Schrecks, der allerdings einige Sekunden kostete. Sekunden, die Vettel vor allem auf den letzten der 60 Runden vor den 65 000 Zuschauern fehlten.

Auf denen jagte er nämlich dicht hinter Felipe Massa her. Der Ferrari-Fahrer hatte etwas, was Vettel gerne wollte: Platz vier. Der Unterschied zu Rang fünf bedeutete zwei Punkte - und die sicherte dem Deutschen seine Boxencrew. Um nicht gegen das Reglement zu verstoßen, mussten Massa und er unmittelbar vor Schluss noch kurz die härtere der beiden Reifenmischungen aufziehen lassen.

Nachdem ein Taktik-Trick nicht funktioniert hatte, weil Vettel den Funkspruch "Mach' genau das Gegenteil von Massa! Wenn er weiterfährt, komm' zum Boxenstopp! Wenn er stoppt, fahr' noch eine Runde weiter!" zu spät empfangen hatte, rollten die beiden Gegner im finalen Umlauf gleichzeitig vor die Boxen. Weil am Ferrari eine Schraube klemmte und am Red Bull alles glatt ging, kam Vettel nach vorne. "Platz vier war heute das Maximum", meinte er.

Der fehlerfreie Stopp sicherte nicht nur wichtige Punkte. Er dürfte auch für das Binnenklima wichtig gewesen sein. Beim Rennen in Silverstone zwei Wochen zuvor war ein Wagenheber gebrochen, was dazu beigetragen hatte, dass Vettel den Sieg verpasst hatte. Und auch dieses Mal lief bei den Dominatoren der Konstrukteurs-Wertung keinesfalls alles glatt.

Mehrmals wurde Vettel per Fernsteuerung von der Box aus angehalten, die Balance zwischen den Bremsen an seinen Vorder- und seinen Hinterrädern hin und her zu verschieben. "Ich musste ein bisschen auf meine Bremsen aufpassen", erklärte er im Ziel in einem Tonfall, der verriet, dass ihm das keinesfalls gefallen hatte - und dass er sich das beim nächsten Rennen am kommenden Sonntag in Budapest anders wünscht.

Nicht nur der Jubel, den Sieger Hamilton im Ziel am Funk absonderte, hätte von Vettel stammen können, sondern auch der mahnende Satz: "Seht ihr Jungs, das kommt dabei heraus, wenn man immer weiter Gas gibt!"

© SZ vom 25.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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