Formel 1:Der Kran ist zu langsam für Ferrari

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Konnte den Tifosi nicht ihren Traum erfüllen: Ferrari-Pilot Charles Leclerc wird beim Heimspiel in Monza "nur" Zweiter. (Foto: Jennifer Lorenzini/Reuters)

Beim Heimspiel in Monza wird Charles Leclercs Aufholjagd vom Safety Car verhindert, Max Verstappen siegt und steht vor der Titelverteidigung - und die Tifosi pfeifen.

Von Anna Dreher

Als noch wenige Runden zu fahren waren, sah es ganz danach aus, als würde Max Verstappen den Zehntausenden Tifosi auf den Tribünen des Autodromo Nazionale Monza die Sonntagsparty ordentlich vermiesen. Er lag deutlich vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc, den die meisten Zuschauer beim Großen Preis von Italien siegen sehen wollten. Aber dann blieb der McLaren von Daniel Ricciardo halb auf dem Grünstreifen, halb auf der Strecke stehen. Und auf einmal tat sich eine neue Chance auf. 21,7 Sekunden lagen zwischen Verstappen und Leclerc, in der 48. Runde wurde eine Safety-Car-Phase ausgerufen, beide bogen für einen Reifenwechsel ab. Ein Finale furioso winkte! Wie trügerisch dieser Eindruck war, sickerte nach und nach durch. Denn nun dauerte es und dauerte es.

Ein Kran musste Ricciardos Auto entfernen, währenddessen fuhren alle bereits überrundeten Autos am Safety Car vorbei, hinter dem Verstappen im Red Bull rollte und weitere zwei Wagen dahinter Leclerc. Vier Runden noch, drei, zwei. Das musste doch ein spannendes Finish zwischen Verstappen und Leclerc geben, sobald die Strecke wieder frei gegeben werden würde! Doch als nur noch eine Runde übrig war, erhielt Leclerc die enttäuschende Nachricht. "Wir werden das Rennen hinter dem Safety Car beenden", hörte er und gab frustriert zurück: "Ach komm! Die Strecke ist doch frei!" Wieso dauerte die Bergung so lange? Wieso erfolgte die Sortierung des Feldes für einen Neustart nicht früher? Das dürfte sich nicht nur Leclerc gefragt haben, die Zuschauer jedenfalls fühlten sich betrogen und pfiffen.

Die Tifosi machen trotz des verpassten Sieges Stimmung: Charles Leclerc spritzt Champagner in die Menge. (Foto: Mark Thompson/Getty)

Und so blieb Verstappen der Partycrasher von Monza, er gewann den 16. Grand Prix bei seinem fünften Sieg in Serie, seinem elften in dieser Saison. "Wir hatten ein großartiges Rennen, wir waren auf allen Reifenmischungen die Schnellsten. Wir hatten einfach einen rundum guten Tag", sagte der Niederländer. Damit hat der 24-Jährige seine Führung in der Gesamtwertung weiter ausgebaut. Der amtierende Weltmeister kommt nun auf 335 Punkte, Leclerc auf 219. Theoretisch kann Verstappen in Singapur am 2. Oktober zum zweiten Mal Weltmeister werden. Mit einer Wende im Titelkampf war nach den jüngsten Ergebnissen ohnehin nicht mehr zu rechnen. "Das Ende war frustrierend, wir hatten uns gewünscht, dass wir nochmals fahren können", sagte Leclerc. "Ich habe alles gegeben, die Geschwindigkeit war da." Die Ferrari-Fans strömten trotzdem auf die Strecke, breiteten riesige Flaggen mit dem Logo der Scuderia aus und jubelten, als Leclerc aufs Podium kam. Dritter wurde George Russell im Mercedes.

Verstappen macht kurz nach dem Start gleich zwei Plätze gut

"Insgesamt war es ein gutes Wochenende im Vergleich zu den letzten Rennen", sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. "Wir haben Fortschritte gemacht. Aber Max war einfach schneller heute und schwer zu schlagen." Nach der Enttäuschung der vergangenen Wochen hatte es der gebeutelten Scuderia besonders gutgetan, dass Leclerc - 2019 Sieger in Monza - beim Heimrennen im ausnahmsweise gelben und nicht roten Rennanzug anlässlich des 75. Jahrestages des ersten Straßen-Ferrari der Schnellste in der Qualifikation war. Dahinter landeten Verstappen und und Ferrari-Pilot Carlos Sainz.

Doch wie in Spa waren bei diversen Autos Teile über das erlaubte Kontingent hinaus gewechselt worden. Und so gab es einige Rückversetzungen aufgrund von Startplatzstrafen: Das Feld sortierte sich erneut anders, als es nach den Rundenzeiten der Fall gewesen wäre. Vor allem Russell profitierte davon, der als Zweiter statt als Sechster ins Rennen ging. Der dritte und vierte Startplatz wanderte an die McLaren-Piloten Lando Norris und Ricciardo. Verstappen rutschte auf Position sieben, Lewis Hamilton auf den vorletzten Platz. Mick Schumacher durfte im Haas als 17. statt von ganz hinten beginnen und kam als Zwölfter ins Ziel.

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Begleitung bis ins Ziel: Max Verstappen rollt hinter dem Safety Car. (Foto: Antonin Vincent/PanoramiC/Imago)

Die Ferrari-Fans konnten sich direkt Hoffnungen auf einen Sieg von Leclerc machen, nach ein paar Metern drängte er sich vor Russell, Ricciardo übernahm Platz drei, weil Norris verschlief. Verstappen machte zwei Plätze gut und es war klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis weitere Manöver des Weltmeisters folgen würden. Er klebte geradezu an Ricciardo, der sich zu Beginn der zweiten Runde auf der Geraden nicht gegen den schnellen Red Bull wehren konnte. In der fünften Runde war Russell an der Reihe, wieder saugte sich Verstappen an seinen Vordermann ran, in der ersten Kurve war er vorbei - und war Zweiter hinter Leclerc. Der Monegasse hatte zwei Sekunden Vorsprung, die Führung verlor er dann, als es die erste Unterbrechung gab.

Weiter hinten im Feld hatte Sebastian Vettel Probleme, aus seinem Auto stieg Rauch auf. "Ich verliere Power", funkte der viermalige Weltmeister, der als Elfter gestartet war. Kurz darauf musste er seinen Aston Martin auf dem Seitenstreifen parken. Was für ein Abschied von Monza, wo er 2008 seine erste Pole Position und am nächsten Tag den ersten Grand-Prix-Sieg seiner Formel-1-Karriere holte, die Vettel nach dieser Saison beendet. Auf die gelbe Flagge folgte das virtuelle Safety Car.

Leclerc bekommt die Softreifen nicht schnell genug auf Temperatur

Ferrari entschied sich, Leclerc nach 13 Runden an die Box zu holen und von den Soft- auf die Mediumreifen zu wechseln. Leclerc verlor die Führung an Verstappen, kam aber rechtzeitig vor Ricciardo zurück und war Dritter hinter Russell und Verstappen, der vorne munter wegfuhr. Nach 23 von 53 Runden hatte er mehr als zehn Sekunden zwischen seinen Red Bull und den Mercedes gebracht. Wann würde er an die Box abbiegen? Zunächst holte sich Russell einen Satz von der harten Mischung, was die beiden Ferrari vor ihn auf Platz zwei und drei brachte.

14 Sekunden Vorsprung hatte Verstappen auf Leclerc, als er nach 26 Runden seine Reifen wechseln ließ. Daraus wurde ein Rückstand von zehn Sekunden, nun befand sich der Niederländer im Ferrari-Sandwich. Die Titelkonkurrenten hatten sich beide für Medium entschieden, doch die Pneus von Leclerc waren 13 Runden älter, das alles versprach noch Spannung. Die Strategen der Formel 1 berechneten ein Duell der beiden nach 40 Runden. Derweil hatte sich Hamilton von hinten bis auf Platz fünf gekämpft - wo er das Rennen auch beendete.

Leclerc und Ferrari verabredeten sich für Plan C, nach 34 Runden war klar, was das hieß: Ein weiterer Boxenstopp, von Medium auf die schnelleren Soft. Dadurch gab es einen erneuten Wechsel an der Spitze, nun führte Verstappen wieder, und das mit mehr als 19 Sekunden, Russell war Dritter nach einem Boxenstopp von Sainz. Leclerc würde also etwa eine Sekunde pro Lauf gutmachen müssen, um Verstappen im direkten Duell herausfordern zu können. Doch es dauerte, bis er mit den weichen Reifen auf Temperatur kam, der Abstand zu Verstappen blieb groß. Und es sollte nicht mehr reichen, trotz Safety Car.

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