Formel 1:Mit kaputten Reifen durch Monaco

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Lewis Hamilton bejubelt seinen Sieg bei der Monaco-Rundfahrt. (Foto: Getty Images)
  • Beim ersten Rennen nach dem Tod von Niki Lauda gedenken die Fahrer der verstorbenen Ikone - Hamilton und Vettel fahren in roten Helmen mit seinem Namen.
  • Während des Rennens gelingt dem Weltmeister aus England eine fehlerlose Leistung und damit ein Start-Ziel-Sieg.
  • Sebastian Vettel wird Zweiter, Ferrari-Kollege Leclerc scheidet bei seinem Heimrennen früh aus.

Von Philipp Schneider, Monaco

30 Runden vor Ende der diesjährigen Hafenrundfahrt in Monaco knarzte die Stimme von Lewis Hamilton im Funk. "I'm definitely in a bad way!", ihm gehe es definitiv schlecht. In Wahrheit ging es nicht ihm schlecht, sondern seinen Reifen. Aber seine Reifen gaben in der Tat ein derart jämmerliches Bild ab, sie lösten sich links vorne auf, sie lösten sich links hinten auf, dass es verständlich war, dass nun die desaströse Reifensituation auf Hamiltons Stimmung schlug. Er raste gerade als Führender durch die engen Gassen des Fürstentums, hinter ihm folgten Max Verstappen, Sebastian Vettel und Valtteri Bottas, aber anders als er fuhren seine Verfolger auf harten Gummis, nicht auf der mittelharten Mischung. Möglicherweise, weil Mercedes darauf gehofft hatte, dass es anfangen würde zu regnen und so alle Piloten zu einem zweiten Boxenstopp würden rausfahren müssen. Es tröpfelte aber nur leicht. Niemand benötigte neue Reifen. Das gefiel Hamilton ganz und gar nicht.

Da es ihm so schlecht ging, kam tatsächlich für einen Moment Spannung auf in dieser Formel-1-Saison, die in den bisherigen fünf Rennen fünf Doppelsiege von Mercedes erlebt hatte. "Ich weiß nicht, was ihr gehofft habt, als ihr diese Reifen aufgezogen habt, aber da muss man auf ein Wunder hoffen", funkte er. Andererseits: So schlecht ging es Hamilton dann auch wieder nicht, dass er diesen Grand Prix nicht als Erster würde beenden können. Er rutschte zwar und rutschte, und Verstappen probierte ihn zu überholen. Zwei Runden vor Schluss verbremste sich Verstappen und touchierte Hamiltons Hinterreifen. Aber das Wunder trat ein: Hamiltons Reifen hielten. Und Vettel wurde zum ersten Mal in diesem Jahr Zweiter. An Verstappen kam er nur vorbei, weil dieser noch eine Fünf-Sekunden-Strafe abzusitzen hatte wegen einer kleinen Rempelei mit Bottas in der Boxengasse und so noch hinter den Finnen auf Platz vier zurückfiel.

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Für Ferrari bedeutete dieses Ergebnis das versöhnliche Ende eines schlimmen Wochenendes. Zumindest das Rennen von Charles Leclerc hatte die Scuderia am Samstag verloren. Der 21-Jährige war bei seinem Heim-Grand-Prix schon im ersten Teil der Qualifikation ausgeschieden. Er war raus, weil ihn Ferrari, weil ihn die schlauen Strategen der Scuderia nicht noch ein weiteres Mal auf die Strecke geschickt hatten. Die Strategen dachten: Sieh an, schöne Runde. Eine Minute, zwölf Sekunden und 149 Tausendstel! Das wird ja wohl reichen für einen 15. Platz! Es reichte nicht. Ausgerechnet sein Teamkollege Vettel legte mit seinem letzten Versuch die Bestzeit vor und stieß Leclerc auf den 16. Platz. "Ich habe zweimal nachgefragt, ob sie sicher sind, dass die Zeit reicht. Sie haben ja gesagt", maulte Leclerc. "Wir hätten genug Zeit gehabt, noch mal rauszugehen. Ich erwarte jetzt eine Erklärung."

Die gab Teamchef Mattia Binotto. Es war eine ehrliche Erklärung, allerdings keine gute. Die von ihm beschäftigten Experten hatten sich vertan. Sie hatten einen Satz Reifen sparen wollen und dabei unterschätzt, dass die Strecke immer schneller wurde. "Natürlich können die Menschen sagen: Solche Fehler dürfen Ferrari nicht passieren. Doch wir sind in der Lage, dass wir aufholen müssen. Um das zu tun, müssen wir Risiken eingehen."

Zum fünften Mal im sechsten Rennen starteten die Silberpfeile aus der ersten Reihe. Vettel rollte als Vierter los, hinter Max Verstappen im Red Bull. Aber zunächst wurde noch eine Gedenkminute für Niki Lauda eingelegt, den am Montag verstorbenen dreimaligen Weltmeister. Die Fahrer, auch die übrigen wichtigen und unwichtigen Menschen in der Startaufstellung trugen Lauda zu Ehren ein Käppi ähnlicher Machart wie jenes, das Lauda getragen hatte, also ein rotes.

Unfallfrei bogen die Rennwagen um die Kurven des Port Hercule, Verstappen probierte die Vorbeifahrt an Bottas, zog dann aber zurück. An der Spitze geschah zunächst nicht viel: Daniel Ricciardo, der hier im Vorjahr gewann, überholte mit seinem Renault Kevin Magnussen im Haas und schob sich auf den fünften Platz hinter Vettel. Weiter hinten setzte Leclerc zu seiner Aufholjagd an vom 15. Platz, den er ja nicht selbst verschuldet hatte. In der dritten Runde fuhr Leclerc bereits auf Position 13, seine Strategie hatte er zuvor offengelegt: "Ich muss Risiko eingehen. Selbst wenn ich Gefahr laufe, einen Crash zu verursachen." Also griff Leclerc an.

In der Rascasse, einer der langsamsten Passagen am Hafen, überholte er in Runde sieben Romain Grosjean. Eine Runde später probierte er es an gleicher Stelle mit Nico Hülkenberg, er touchierte die Leitplanke, sie schlitzte seinen rechten Hinterreifen auf. Das Gummi zerfiel, die Fetzen peitschten auf die Straße. In Runde zehn schleppte sich Leclerc gerade noch an die Box. Weil er die Bestandteile des Reifens über die Strecke verteilt hatte, rückte das Safety Car aus. Die vier führenden Piloten fuhren gleichzeitig an die Box. Mercedes musste zwei Autos abfertigen, also gelang Verstappen noch in der Boxengasse die Vorbeifahrt an Bottas. Dabei drückte er ihn gegen die Mauer. Der Holländer war Zweiter, aber nur vorübergehend - er erhielt ja eine Fünf-Sekunden-Strafe. Und Bottas musste erneut an die Box, weil er sich beim Kontakt mit der Mauer einen Plattfuß zugezogen hatte. Vettel war nun Dritter. Und weiter ging das Spektakel in der Rascasse, die diesmal mit Abstand der beste Spot für die Zuschauer war. In der nach einer runden Bar benannten Kehre, in der einmal im Jahr die Biergläser vibrieren, drehte Antonio Giovinazzi mit seinem Alfa Romeo den Williams von Robert Kubica, der nun die Durchfahrt blockierte. Sechs Autos hingen gefühlt ewig hinter ihm fest, darunter auch Leclerc. Als es weiterging, fuhr der Monegasse an die Box, weil er Probleme hatte. Doch der Unterboden seines Ferraris war beschädigt, ihm fehlte nun der nötige Abtrieb. "Ich bin der Erste, der nicht aufgibt. Aber das Auto ist extrem schwierig zu fahren." Und wenn ein Auto extrem schwierig zu fahren ist, dann stellt es auch Leclerc ab. In der 18. Runde. Hamilton, Verstappen, Vettel und Bottas jagten nun dicht an dicht durch das Fürstentum, und lange Zeit passierte: nichts. Bis Hamilton sich plötzlich unwohl fühlte wegen des Zustands seiner Reifen. Aber sie hielten. Unfassliche 66 Runden lang schleppte Hamilton sie ins Ziel.

"Ich habe mit der Haltung von Niki gekämpft", sagte Hamilton. "Ich weiß, er schaut auf uns herunter, ich wollte ihn einfach stolz machen." Dann sprang er in den Hafenpool. Kleine Abkühlung.

© SZ vom 27.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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