Formel 1:Mercedes wird für seinen Mut belohnt

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Wieder bester Laune: Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton auf dem Podium nach dem Großen Preis von Barcelona. (Foto: Lluis Gene/AFP)

Max Verstappen wirkt uneinholbar. Aber in Barcelona zeigt Konkurrent Mercedes, dass das neue Gefährt von Lewis Hamilton und George Russell klar verbessert worden zu sein scheint - auch wenn dem noch nicht alle trauen.

Von Anna Dreher

Noch vergibt die Formel 1 keinen Preis für den Funkspruch des Wochenendes. Wenn es einen solchen gäbe, George Russell hätte ihn beim Großen Preis von Spanien sicher bekommen. Nach 28 Runden meldete der Rennfahrer Regen in Kurve fünf. Der Himmel war voller grauer Wolken, es hätte schon sein können, dass tatsächlich Tropfen fallen und Mercedes seine Strategie hätte anpassen müssen. Fünf Umdrehungen später wunderte sich Russell dann aber selbst. "Wenn niemand sonst Regen meldet, ist es Schweiß von der Innenseite meines Helms." Sein Ingenieur am Funk wirkte amüsiert: "Klingt als würdest nur du Regen melden. Ich vermute, es ist der Schweiß."

Später wurde aufgelöst: Russell hatte seine Haare nicht gänzlich unter die Sturmhaube bekommen, der Schweiß tropfte in sein Gesicht und klatschte beim Bremsen ans Visier. "Ich dachte, das sei Regen. Das war ein bisschen ein peinlicher Moment", sagte der 25-Jährige. Dabei passte es hervorragend zu diesem Wochenende, dass ein Silberpfeil-Pilot für Unterhaltung abseits des Renngeschehens sorgte. Die Laune bei Mercedes hätte kaum besser sein können.

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Lewis Hamilton war als Vierter gestartet und als Zweiter über die Ziellinie gekommen, Russell hatte sich gar von Rang zwölf vorgearbeitet auf den dritten Podestplatz. Damit sicherten die beiden dem Team das erste Doppel-Podium seit Brasilien im vergangenen November und mit 18 respektive 15 Punkten eine Ausbeute, die Mercedes in der Konstrukteurswertung am eigenen Kunden Aston Martin vorbei wieder zur Nummer zwei macht - also näher an die Spitze bringt. Das lag an der starken fahrerischen Leistung der beiden Briten, möglich aber machte es vor allem ihr Dienstwagen.

"Ich dachte, wir könnten hier definitiv weiterkommen und wahrscheinlich um Position fünf oder sechs kämpfen", sagte Russell auf der Pressekonferenz. Der dritte Platz, so meinte er, läge noch außer Reichweite, "aber das Auto war heute wirklich sehr, sehr großartig." Im März in Saudi-Arabien hatte sein Kollege Hamilton noch geklagt, er fühle sich mit dem Wagen "einfach nicht verbunden", egal, was er anstelle, er spüre kein Vertrauen. Nun hat sich die Beziehung eindeutig verbessert, der W14 von Barcelona erinnerte ihn gar an jenen Wagen, mit dem er 2021 nur knapp die WM verloren hatte: "Das war das beste Auto in den vergangenen anderthalb Jahren."

"Im Moment ist es ein bisschen wie bei Jugend forscht", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff

Nach der enttäuschenden Saison 2022 und dem ernüchternden Start in dieses Jahr hat Mercedes sich für einen Neustart entschieden und beim vorherigen Rennen in Monaco einen überarbeiteten W14 auf die Strecke gebracht. Der Eingriff war umfassend, der ganze Entwurf war überdacht worden. Die Ingenieure hatten unter anderem die Vorderradaufhängung und den Unterboden erneuert, außerdem sind die Seitenkästen vergrößert worden, die zuvor bei keinem anderen Modell so schlank waren wie bei den Silberpfeilen. In Monte-Carlo sprang Platz vier für Hamilton und fünf für Russell raus - doch die langsame Strecke eignete sich nicht für eine wirkliche Beurteilung der Upgrades. Der Circuit de Barcelona-Catalunya hingegen schon.

Schneller als Ferrari und wieder Zweiter in der Konstrukteurswertung - Mercedes und George Russell (links) haben sich zurückgemeldet. (Foto: HochZwei/Imago)

"Wir haben so viel Arbeit in das Auto gesteckt und Entscheidungen getroffen, bei denen wir nicht sicher waren, ob sie aufgehen", sagte Motorsportchef Toto Wolff zufrieden und erleichtert. Es seien mutige Entscheidungen gewesen, weil auch das aerodynamische Konzept umgeworfen worden sei: "Ich habe gesagt, es kann sein, dass wir erst einen Schritt zurück machen. Im Moment ist es ein bisschen wie bei Jugend forscht." Der Sprung war deutlich erkennbar, womöglich wurde in Spanien eine Wende eingeleitet.

Aber auch wenn der siebte von 22 Grand Prix nun ein Indiz dafür war, die richtige Richtung eingeschlagen zu haben, wollte Wolff nicht zu sehr in Euphorie verfallen. Die Wetterbedingungen mit um die 20 Grad Lufttemperatur und einem wolkigen Himmel hätten dem Auto geholfen. "Wenn es zehn Grad mehr hat, könnte das wieder schlechter für uns sein", sagte der Österreicher. Das Auto sei nach wie vor "ein bisschen eine Überraschungskiste", letztlich gehe es zwar bergauf, aber es sei wie bei "einem Aktienkurs, da kann es auch mal Rückschläge geben".

Red Bull fährt weiter vorne weg - das bringt einen Vorteil auch für die nächste Saison

Was deutlich blieb, war der enorme Vorsprung von Red Bull. Rennsieger Max Verstappen hatte einen Puffer von 24 Sekunden auf Hamilton, der Titelverteidiger aus den Niederlanden fuhr derart souverän zu seinem fünften Sieg im siebten Saisonrennen, dass es kaum vorstellbar ist, dass er nicht zum dritten Mal in Serie Weltmeister wird. Der RB 19 wirkt uneinholbar. "Ich glaube nicht, dass wir mit dem aktuellen Auto an ihre Leistung herankommen werden, aber wir arbeiten daran, das zu verbessern", sagte Hamilton. Red Bull sei vorn, "aber wir jagen sie jetzt". Doch der 38-Jährige weiß auch, was es heißt, wenn ein Team das richtige Setup für die aktuelle Saison gefunden hat: "Das bedeutet, dass sie früher mit ihrer Entwicklung für nächstes Jahr beginnen können. Früher als alle anderen, wenn sie es nicht eh schon getan haben - und darin besteht die Gefahr. Wir müssen also weiter hart arbeiten."

Wie entspannt Hamilton dennoch war, zeigte sich auch an seiner Reaktion auf die Frage, die ihn begleitet wie sein Schatten: Wird der siebenmalige Weltmeister weiterhin für Mercedes in der Formel 1 fahren? Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus. "Ich habe noch nichts unterschrieben", sagte Hamilton am Sonntag und fügte beiläufig an: "Aber ich denke, wir treffen uns morgen mit Toto, also können wir hoffentlich was erledigen." Als Nachfragen kamen, beschwichtigte er: Es sei einfach ein weiteres Meeting, sie hätten so viele davon gehabt. Eine Verlängerung gilt ohnehin mehr als Formsache, Wolff hatte bereits gemeint: "Wenn wir Zeit haben und einen Kaffee trinken, dauert das eine halbe Stunde." Vielleicht folgt in diesen Tagen auf das neue Auto also bald ein neuer Vertrag.

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