Ferrari in der Formel 1:Röchelnde rote Autos

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Nur weit hinten zu Finden im Klassement: die Ferraris von Sebastian Vettel und Charles Leclerc. (Foto: dpa)

Die Chancenlosigkeit der Ferraris erreicht beim Grand Prix in Belgien den nächsten Tiefpunkt - und jetzt muss die verzweifelte Truppe aus Maranello auch noch heim nach Italien.

Von Philipp Schneider, Spa-Francorchamps/München

Das Rennen in Spa war beendet, der Sieger stand seit Minuten fest, als Lewis Hamilton sich im Parc fermé dem Auto näherte, das ihn so gnadenlos abgehängt hatte. Hamilton trug noch seinen Helm in dem Moment, sein Blick war nicht zu erkennen. Aber so demonstrativ, wie er sich dort positionierte, wie er den Kopf zu Boden neigte, wie er die Arme hinter dem Rücken verschränkte, als wisse er, dass er noch eine Weile würde starren müssen, um das Geheimnis des roten Rennwagens direkt vor ihm zu enthüllen, dies alles sollte sagen: Irgendetwas war nicht mit rechten Dingen zugegangen. Nach dem Start war Sebastian Vettel den Berg hinauf gerast, hoch aus der Eau Rouge, auf die lang gezogene Kemmel-Gerade und dann rechts vorbei geschossen an Hamilton, als habe der 50 PS weniger unter der Haube. "Er hat mich überholt, als wäre ich gar nicht da", sagte Hamilton. Und dann äußerte er einen Verdacht: "Sie haben ein paar Tricks im Auto!"

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Am vergangenen Sonntag nun ist Vettel so gefahren, als wäre er selbst nicht da. Auch Charles Leclerc, sein Teamkollege. Zwei Jahre, nachdem Vettel das mit Abstand kräftigste Auto im Feld hatte; ein Jahr, nachdem Leclerc in Spa erdrückend überlegen gewesen war und seinen ersten Sieg in der Formel 1 feierte, ist Ferrari auf einem nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt angekommen: Zum ersten Mal seit zehn Jahren verpassten beide roten Rennwagen die Punkte, obwohl sie es ins Ziel schafften. Nicht, weil ihnen Fahrfehler oder sonstiges Ungemach geschehen war auf der Strecke. Die Plätze 13 und 14 entsprachen ihrem wahrhaftigen Leistungsstand. Mehr war nicht drin.

73 Sekunden vor Vettel überquerte Hamilton die Ziellinie

Nach Vettels Machtdemonstration in Spa 2018 vermutete die Konkurrenz, die Italiener verdankten ihren Kraftvorteil einer speziellen Benzinmischung, auch ein exklusives Batteriemanagement wurde erwogen. "Sehr amüsiert" zeigte sich der im Vorjahr verstorbene Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting damals angesichts Hamiltons Andeutungen: Der Weltverband kenne alle Geheimnisse von Ferrari und sei mit diesen einverstanden, sagte Whiting. Nach Leclercs Machtdemonstration in Spa 2019 wurden erstmals Vermutungen geäußert, Ferrari trickse, indem sie den Brennkammern mehr Benzin zufügten, als es erlaubt sei.

Nach dem Debakel in Spa 2020 ist klar: Dieses dürfte ursächlich schon damit zusammenhängen, dass der Weltverband Fia im Vorjahr eine Untersuchung der italienischen Motoren eingeleitet - und anschließend neue Richtlinien für die Antriebe herausgegeben hat. Seitdem fährt Ferrari hoffnungslos hinterher. Dass Ferrari mit den neuen Vorgaben zu kämpfen habe, hat Teamchef Mattia Binotto längst zugegeben. Allerdings fügte er an: auch die Konkurrenz leide unter ihnen. Belegen ließ sich diese These Binottos am Sonntag mal wieder nicht.

73 Sekunden vor Vettel überquerte Hamilton die Ziellinie, gefolgt von seinem Teamkollegen Valtteri Bottas. Und hätte nach einem Unfall nicht das Safety Car das Feld neutralisiert: Die Silberpfeile hätten die Ferraris wohl überrundet. Sonderlich ausgebremst scheint Mercedes also nicht zu werden von den neuen Restriktionen. Der Grand Prix in Belgien 2020 wird allerdings sehr lange in Erinnerung bleiben, weil ihn fünf Piloten mit Ferrari-Motoren auf den letzten sechs Plätzen beendeten. Antonio Giovinazzi im Alfa Romeo war nur deshalb nicht auch noch am Ende des Feldes zu finden, weil er den Crash verursachte und danach ausschied.

"Es wäre schön, wenn wir über Nacht den Stein der Weisen finden würden, aber der liegt nicht irgendwo rum", sagte Vettel. Wer wollte, konnte in dieser Bemerkung Spuren von Ironie erkennen, die auf die andauernde Hilflosigkeit der Ingenieure in Maranello anspielte, die Probleme des Autos in den Griff zu bekommen. Die Schwäche des Ferrari-Motors war in Spa schließlich nur das Kernübel, bei weitem aber nicht das einzige Problem: dass sogar Kimi Räikkönen mühelos vorbeirollte an Vettel, ließ sich so nicht erklären. In dessen Alfa Romeo wummert ja ebenfalls ein Motor von Ferrari. Beziehungsweise: röchelt.

Die roten Autos waren tatsächlich langsamer als ihre eigenen Kunden. Binotto blieb gar nichts anderes übrig, als unumwunden zuzugeben, dass auch die Aerodynamik der Ferraris in Spa nicht konkurrenzfähig gewesen war. Vettel klagte über zu wenig Abtrieb. Und wer zu wenig Abtrieb hat, der bringt die Reifen nicht auf die notwendige Betriebstemperatur. Was wiederum zur Folge hat, dass er sie nicht schonend über den Asphalt rollen kann. Vettel, der auf seiner Abschiedstour bei Ferrari inzwischen einen herrlichen Witz aufleben lässt, brachte das Problem pointiert auf den Punkt: "Wenn Kimi im Sauber phasenweise schneller ist als wir, dann ist etwas nicht normal gelaufen. Aber selbst wenn alles normal gelaufen wäre, wären wir nicht Fünfter geworden."

Und nun muss sich die verzweifelte Truppe aus Maranello auch noch für zwei Rennen nach Italien schleppen. Erst fährt die Formel 1 ausgerechnet in Monza, auf der Strecke mit den höchsten Geschwindigkeiten, wo der Top-Speed so sehr entscheidet wie sonst nirgendwo. Und dann ziehen sie weiter nach Mugello, zum Großen Preis der Toskana, wo der einst stolze Rennstall eigentlich sein 1000. Formel-1-Rennen auf der Hausstrecke feiern wollte. Aus der Feier wird wohl nichts. Nach Lage der Dinge kann Ferrari froh sein, dass die Party in diesem Jahr aus den bekannten Gründen ohne Partygäste stattfinden muss. "Wenn wir die Wahl hätten, hätten wir gern Fans da", sagte Vettel zwar. "Ich glaube nicht, dass wir ausgebuht würden." Zumindest was die Fahrer angeht, gäbe es dafür auch keinen Grund.

© SZ vom 01.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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