Sieben Kurven der Formel 1:Ein Sieg für den Black Panther

Lewis Hamilton widmet seinen Erfolg in Belgien einem Verstorbenen. Sebastian Vettel verliert sogar den Glauben an Metaphern. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

Lewis Hamilton

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(Foto: AFP)

Wakanda forever! In der Nacht vor dem Qualifying hatte den Titelverteidiger die Nachricht vom Krebstod des Schauspielers Chadwick Boseman ereilt. Dieser hatte als Hauptdarsteller in "Black Panther" viel für den Stolz farbiger US-Amerikaner getan, Hamilton als Vorkämpfer für Gleichberechtigung bezeichnet ihn als Quelle der Inspiration und widmete ihm seine Erfolge in den Ardennen. Es sei nicht einfach für ihn gewesen, gestand der Brite, ins Auto zu steigen. Er löste es auf seine Weise, programmierte sich mental auf die perfekte Runde. Heraus kam Pole-Position Nummer 93 und ein Streckenrekord, Teamchef Toto Wolff bescheinigte eine "außerirdische Leistung". Wie der Samstag, so der Sonntag: Sieg Nummer 89, oder in der inzwischen üblichen Rechnung: noch zwei bis zum Rekord von Michael Schumacher. Einen Rekord des Kerpeners, der mal für die Ewigkeit gedacht war, hat Hamilton schon vor Rennmitte in Spa geknackt - den für die meisten Führungskilometer. Bis jetzt sind es 24.2275 Kilometer. Ein Ende des Siegeszuges ist nicht abzusehen. "Ich bin 35, fast 36, aber ich fühle mich besser als je zuvor", sagt Hamilton nach seiner Machtdemonstration mit dem fünften Sieg in sieben Rennen. "Ich weiß, nicht jeder will sehen, dass immer Mercedes vorne steht", ergänzte er, "aber für uns ist es egal, wie erfolgreich wir sind: Wir bleiben weiter demütig."

Sebastian Vettel

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(Foto: AP)

Der Fernsehsender RTL scheint auf seine letzten Formel-1-Tag in Max Verstappen einen neuen Adoptivsohn gefunden zu haben, aber das Schicksal von Sebastian Vettel ist in Köln dann doch nicht ganz egal. Experte Christian Danner, sonst ein sehr umgänglicher Mensch, echauffiert sich regelmäßig über das Auto, dass Ferrari Vettel hinstellt. "Lahm" ist dann noch eines der freundlicheren Attribute. Aber es trifft es ganz gut nach dem 13. Rang, fern von einer Top-Ten-Chance - im Vorjahr hatte auf der Powerstrecke noch die spätsommerliche Siegesserie der Scuderia begonnen. Ein Jahr später befinden sich die Ingenieure immer noch in der Forschungsphase, die üblicherweise im Februar stattfindet: Vor der Lösung müssen erst die Ursachen für das dramatische Leistungsdefizit gefunden werden. "Man kann viel Erkenntnis mitnehmen, aber die ist nicht positiv", bilanzierte Sebastian Vettel, und verliert sogar den Glauben an Metaphern: "Es wäre schön, wenn wir über Nacht den Stein der Weisen finden, aber der liegt nicht irgendwo."

Valtteri Bottas

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(Foto: Pool via REUTERS)

Fünfzig Doppelsiege seit der Rückkehr des Mercedes-Werksteams 2010, das spricht natürlich stark für Lewis Hamilton, aber auch für einen starken zweiten Mann. Der hieß erst Nico Rosberg, jetzt ist es Valtteri Bottas. Der Finne ist seit Freitag 31 Jahre alt, und er fürchtet schon wieder, dass auch diese Saison läuft wie die letzten. Am Anfang ist er oft gleichauf oder besser als Hamilton, dann enteilt ihm der Kollege. 50 Punkte, den Gegenwert von zwei Siegen, liegt er schon wieder hinten. Die einzige Chance in Spa wäre der Windschatten in der ersten Runde gewesen, aber die blieb ungenutzt. Später fragt er seinen Renningenieur, ob er den Überholknopf drücken darf. Die Antwort sind ein "Ja" und eine Einschränkung: "Aber wir haben abgesprochen, ihn nicht im internen Duell zu verwenden." Bottas versucht verbal die Palastrevolution: "Davon weiß ich nichts." Es war morgens im Strategie-Meeting so besprochen worden, aber Hamilton lässt ihn ohnehin nicht nah genug heran. Bottas bleibt nur der 51. Podiumsplatz seiner Formel-1-Karriere - so viele, wie auch Mika Häkkinen hat. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Landsmann zweimal Champion mit einem Mercedes-Motor wurde. "Es ist nicht vorbei, ich habe noch zehn Rennen", sagt die Nummer zwei tapfer.

Pierre Gasly

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(Foto: Getty Images)

Platz acht, vom zwölften Startplatz aus, das ist für einen Piloten von Alpha Tauri schon unter normalen Umständen eine ordentliche Leistung. Für den Franzosen, der mit einer alternativen Reifenstrategie zwischendurch sogar unter die ersten Fünf gefahren war, bedeutete das Resultat weit mehr, obwohl es nicht mal sein bestes in diesem Jahr war. "Es war ein wichtiger Tag für mich, weil ich nach den Ereignissen des letzten Jahres Gutes für Anthoine tun wollte." Anthoine Hubert, der im Formel-2-Rennen sein Leben verloren hatte, war einer der engsten Jugendfreunde für Gasly im französischen Renninternat - er habe ihm die eigene Karriere überhaupt erst zu verdanken. Den Erfolg von Spa hatte er vor allem seinem Kampfeswillen zu verdanken. In Runde zwei hätte ihn der Mexikaner Sergio Perez fast in die Mauer gedrückt, aber Gasly steckte bei Tempo 300 nicht zurück. Nach dem Boxenstopp kämpfte er sich durch das ganze Feld wieder nach vorn. Unbemerkt ist das nicht geblieben - die Fans wählten den 24-Jährigen zum Fahrer des Tages.

Claire Williams

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(Foto: dpa)

Der Name bleibt, die Schulden sind weg, und die stellvertretende Teamchefin kann sich überlegen, wie ihre künftige Lebensplanung aussieht - das ist im Schnelldurchlauf das Ergebnis einer stattlichen Transaktion von 152 Millionen Euro. Dafür ist der drittälteste Rennstall der Formel 1 aus den Händen der Williams-Familie an den US-Investor Dorilton Capital gegangen. Der letzte klassische Garagist hat damit die Königsklasse verlassen. Sieben Fahrer- und neun Konstrukteurstiteln folgte seit 1997 eine lange Durststrecke, der letzte Sieg war Zufall und liegt auch schon acht Jahre zurück. Die Erleichterung der 44-Jährigen und wohl auch von Vater und Gründer Frank, inzwischen 78, ist wohl groß. Schließlich stehen beim sportlichen Schlusslicht 750 Jobs auf dem Spiel. Der Verkauf wurde in nur vier Monaten abgewickelt - über eine Finanzfirma namens BCE abgewickelt. Zufällig sind das auch die Initialen eines gewissen Bernhard Charles Ecclestone. Prompt kursiert das Gerücht, dass der ehemalige Zampano sich so wieder in die Königsklasse einkauft. In Spa hat das Claire Williams dementiert - sonst bleibt sie im Ungefähren.

Toto Wolff

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(Foto: dpa)

Damit an dieser Stelle nicht immer Mattia Binotto, der Teamchef von Ferrari alles abbekommt (das besorgen ohnehin schon die italienischen Medien), lassen wir den Weltmeistermacher von Mercedes zu Wort kommen. Der hatte sein Mitleid mit dem ältesten Team der Königsklasse ausgedrückt: "Es ist nicht gut für die Formel 1, nicht gut für den Kampf an der Spitze. Ferrari ist eine ikonische Marke, die ganz vorn fahren sollte. Ich habe Mitleid mit den Fans und den Mitarbeitern von Ferrari." Der Österreicher teilte aber auch aus: "Man muss sich auch die Frage stellen, ob die Prioritäten in letzter Zeit richtig gesetzt wurden, und wo der Mangel an Performance herkommt." Er sprach von "bestimmten Teammitgliedern". Dann eben doch noch einmal Binotto. "Wir befinden uns nicht in einer Krise" behauptete er nach dem Fiasko mit den Plätzen 13 und in Spa, man sei nur frustriert.

Kimi Räikkönen

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(Foto: AP)

So einen schlimmen Saisonstart hat der Mann, der bald der Rennfahrer mit den meisten Formel-1-Einsätzen sein wird, noch nie erlebt: Sieben Mal nicht in den Punkten, das droht sogar den Finnen mit dem Teflon-Gemüt zu zermürben. Immerhin, der 41-Jährige, dessen Zukunft bei Alfa Romeo noch offen ist, hat in Spa ein kleines Erfolgserlebnis gehabt - er konnte seinen alten Badminton-Kumpel Sebastian Vettel und dessen Werks-Ferrari zwischenzeitlich locker überholen und blieb am Ende auf Platz zwölf. Was für eine Demütigung für sein ehemaliges Team! Die Top-Ten wären für Räikkönen vielleicht noch drin gewesen, allerdings steckt eben auch in seinem Auto ein Ferrari-Aggregat mit zu wenig Überhol-Power. Ob er nochmal ein oder zwei Jahre an seine Karriere anhängen will, vermag der Finne nicht zu sagen. Alles eine Frage der Motivation, sagt sein Teamchef Frederic Vasseur - der offenbar an Formel-2-Pilot Mick Schumacher interessiert ist.

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