Verunglückter F2-Pilot Correa:"Wenn ich es wollen würde - wann darf ich wieder fahren?"

Lesezeit: 4 min

Juan Manuel Correa schaut sich im Rollstuhl den Ort auf der belgischen Rennstrecke an, an dem er fast gestorben wäre. (Foto: FRANCOIS LENOIR/REUTERS)

Vor einem Jahr krachte Juan-Manuel Correa beim Rennen in Spa in das Auto von Anthoine Hubert, der ums Leben kam. Correa lag im Koma, sitzt bis heute im Rollstuhl - und will wieder ins Cockpit.

Von Elmar Brümmer

Track Walk, das ist vor dem Beginn eines Grand-Prix-Wochenendes die Gelegenheit für alle Fahrer, die Ecken und Tücken einer Rennstrecke zu Fuß zu erkunden. Am Donnerstag vor dem Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps wird der Routinemarsch zu einer Begegnung mit dem Tod. Hinter der steilen Bergaufpassage von Eau Rouge, der einstmals spektakulärsten Passage der Formel 1, hat der Franzose Anthoine Hubert im vergangenen Jahr sein Leben verloren. Ein Horror-Crash im Rahmen der Nachwuchsserie Formel 2, der bis heute nicht vergessen ist, eine Erinnerung, wie gefährlich dieser Sport und diese Strecke ist.

Auch Juan-Manuel Correa, dessen Auto in Huberts Fahrzeugwrack krachte, hat sich im Rollstuhl sitzend an die Unfallstelle begeben. Der 22 Jahre alte US-Amerikaner mit ekuadorianischen Wurzeln sagt: "Hier zu sein, bringt viele Emotionen zurück. Für mich ist es eine Möglichkeit, das Kapitel zu schließen - vor allem aber, um Antoine meinen Tribut zu zollen." Das tun auch alle Formel-1-Fahrer beim siebten WM-Lauf heute, sie starten mit den Initialen AH und der Zahl 19 für dessen Startnummer. Vor der Mauer am Ort des Crashs ist die Dicke der Reifenstapel von zwei auf vier Lagen verdoppelt worden. Aber wie lassen sich die Seelen schützen? Sebastian Vettel sagt nachdenklich: "Das war sicher ein schwarzer Moment für alle, die damals hier waren. Es braucht eine besondere Anstrengung, so etwas zu überwinden."

Die Bilder, die viele nicht aus dem Kopf bekommen: Das Bremsgeräusch in der Video-Aufzeichnung klingt infernalisch, der Aufprall selbst ist bloß dumpf. Aber eben auch fatal. Ein Zuschauer aus dem Off ruft "um Gotteswillen". Bei einem Ausweichmanöver kommt Anthoine Hubert von der Piste ab, touchiert mit weit über 200 km/h die Streckenbegrenzung. Das hätte der 22-Jährige noch überleben können, doch nun steht sein Rennwagen quer. Von unten schießt durch die Auslaufzone der Rennwagen von Juan-Manuel Correa heran.

Mick Schumacher im Interview
:"Es hat mich sehr gefreut, so eine Aussage zu hören"

Ein Cockpit bei einem kleineren Formel-1-Team? Mick Schumacher reagiert auf Gedankenspiele des Ferrari-Teamchefs - und spricht über seine Fortschritte als Rennfahrer.

Interview von Philipp Schneider

Das Auto des in den USA lebenden Ekuadorianers wird von Wrackteilen getroffen und ist unlenkbar. Er versucht noch eine verzweifelte Vollbremsung, doch sein Wagen trifft mit einer Geschwindigkeit von 218 km/h Huberts Auto fast in der Mitte, der verwundbarsten Stelle der Sicherheitszelle. Das Wrack wird regelrecht torpediert, bricht auseinander. Correa überschlägt sich und rutscht kopfüber noch etwa 50 Meter weiter. Unten im Fahrerlager verfallen alle in Schockstarre, auch die Formel 1. Zwei Stunden später wird verkündet, dass Hubert nicht überlebt hat. Von Correa weiß man nur, dass er im Koma liege, die Lunge verletzt sei, und, falls er überhaupt überlebe, wohl die Beine amputiert bekommen müsse.

Trauer, Angst und Bangen begleiteten die Formel 2 noch für einige Wochen. Die Bulletins von Correa, die meist die Vokabeln "kritisch" und "stabil" enthalten, werden spärlicher. Es war zu hören, dass die Eltern die Verlegung in einen Londoner Spezialklinik erzwungen hätten, gegen den Rat der belgischen Ärzte. Nach zwei Wochen wird der gerade 20 Jahre alt gewordene Pilot aus dem Koma geholt. Seine Beine kann er nach komplizierten Operationen behalten, neue Knochenstücke werden eingesetzt. Auch die Wirbelsäulenfraktur ist abgeheilt - alles gute Nachrichten. Wie es ihm wirklich geht, weiß zu dem Zeitpunkt aber keiner.

Alles deutete auf ein frühes, tragisches Karriereende hin. Doch damit konnte sich Juan-Manuel Correa nicht abfinden. Mitten im Corona-Stillstand hat er sich zurückgemeldet. Mit einer Botschaft, die für manch Außenstehenden befremdlich erscheinen mag: "Ich will 2021 wieder Rennen fahren!" Leichtsinn, gar Wahnsinn? Oder die einzige Möglichkeit, nicht am eigenen Schicksal zu scheitern?

Anfangs, erzählt der Südamerikaner in seiner Videobotschaft, habe er nur abwarten können, ob sein Bein verheile oder ob es blau werde und abfalle. Eine Amputation lehnt er immer wieder ab, im November darf er tatsächlich im Rollstuhl die Klinik verlassen. Zum Abschied ringt er sich noch zu einer Frage durch: "Wenn ich es wollen würde - wann darf ich wieder fahren?" Die Ärzte sind höflich, sprechen von mindestens zwei Jahren Pause. Und hoffen wohl, dass sich der Patient bis dahin eine andere Beschäftigung sucht.

Doch kaum in seiner Wahlheimat Miami angekommen, beginnt das Regenerationsprogramm, Juan-Manuel Correa findet schnell zurück zu seiner Körperlichkeit. Anfangs kann er kaum sein Mobiltelefon heben, doch längst macht er wieder Selfie-Videos. Er schwenkt nach links in der Trainingshalle eines Rennzentrums, dort sitzt Juan-Manuel Montoya, der Indianapolis-Gewinner in einem Simulator-Cockpit. Dreht er die Kamera nach rechts unten, sieht man Correas verletztes Bein. Es steckt in einem sperrigen Drahtkäfig, die Zehen sind einzeln aufgehängt. Wie stark der zerschmetterte Knöchel belastet werden kann, weiß man noch nicht. Aber der 21-Jährige sitzt immerhin hinter einem Lenkrad, fährt hochkonzentriert virtuelle Rennen.

Unglück bei der Formel 2
:Tod des Fahrers von Auto Nummer 19

Nach einer Kollision beim Formel-2-Rennen in Spa-Francorchamps erliegt der Franzose Anthoine Hubert seinen Verletzungen. Die Motorsportwelt trauert.

Von Anna Dreher

An den schrecklichen Crash erinnert er sich noch genau, plötzlich sei da ein pinkfarbener Ball gewesen - das Auto von Hubert. Im Schockzustand schaffte er es irgendwie aus dem brennenden Cockpit, aber er spürte: "Meine Beine waren nur noch Pudding, es fühlte sich so an, als ob sie lediglich durch den Rennanzug zusammengehalten würden." Auch den Moment, als er aus dem Koma aufwachte, wird er nie vergessen: "Das Schwerste war, es zu akzeptieren. Es war, als wärst du in einem Alptraum. Wir Rennfahrer denken ja alle immer, dass einem so ein Unfall nicht passieren kann."

Vier Monate stand Juan-Manuel Correa unter so starken Medikamenten, dass er sich nur wie ein Roboter bewegen konnte. An seinem Körper ist vieles gebrochen, sein Wille ist es nicht: "Wenn meine Genesung weiterhin so gut verläuft, werde ich schon im kommenden Frühjahr wieder fahren können." Das Schicksal besiegen und dabei noch die Prognose der Ärzte unterbieten, als es sei eine Rundenzeit - auch das Rennfahrermentalität.

Nur kurz hat er darüber nachgedacht "einen sauberen Strich drunter zu ziehen, von vorne zu beginnen, ohne Sport." Nach ein paar Tagen aber hat er gemerkt, wie sehr er das Rennfahren liebt: "Und dass ich diese Liebe nicht so einfach aufgeben kann. Der Tod von Anthoine ist immer noch etwas Schockierendes. Aber es hat meine Leidenschaft nicht zerstört." Ob das Comeback klappen kann, bleibt ungewiss. Juan-Manuel Correa aber hilft der Glaube daran: "Ich brauche diese Herausforderung, um mich zu motivieren und die lange Reise anzutreten, die vor mir liegt. Selbst wenn ich nie wieder richtig laufen können sollte - solange ich das Gaspedal drücken kann, genügt es mir."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungVerstorbener Rennfahrer Anthoine Hubert
:Der Tod als Beifahrer

Vor dem F1-Rennen in Monza wird klar: Wie sehr sich der Motorsport auch bemüht, die Rennstrecken zu optimieren - überlisten lässt sich die Todesgefahr bei Tempo 300 km/h nie.

Kommentar von Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: