Formel 1:Erhöhte Verkehrsdichte

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Der Grand Prix von China war verregnet. Zum Glück, denn so bleibt die Formel-1-Saison spannend wie selten. Für die gilt: Alles ist möglich.

Elmar Brümmer

Schlechtes Wetter ist im Grunde das Beste, was der Formel 1 passieren kann. Es schwemmt die Langeweile weg. Jedes Mal, wenn es feucht ist, wird es auch fröhlich. Der Grauschleier über dem Shanghai International Circuit hat die so fade unter der Wüstensonne Bahrains gestartete Weltmeisterschaft sichtlich erfrischt, über das vierte Rennen hinaus. Die ersten Sieben der WM-Wertung kommen aus fünf verschiedenen Rennställen.

Dank regennasser Piste in Schanhai bleibt es spannend in der Formel 1 - und dank teaminterner Rivalitäten. (Foto: Foto: Action Press)

Und den Führenden, Jenson Button (60 Zähler), trennen weniger als 25 Punkte vom Siebten, Robert Kubica (40) - damit nach der neuen Punkteordnung weniger als ein Sieg. Das Schönste daran aber: Beim nächsten Sieg kann schon wieder alles anders sein, zumal für Anfang Mai beim Europa-Auftakt in Barcelona eine komplett überholte Rennwagengeneration antreten wird. "Ein atemraubendes Spektakel", findet Martin Whitmarsh, Teamchef von Tagessieger McLaren-Mercedes.

Dass die scheinbar festgefahrenen Rangordnungen und Prognosen zum dritten Mal nacheinander durch die Gischt durcheinandergewirbelt werden, spricht für die Schlechtwetterformel. Fünf Reifenwechsel pro Auto als Standard, das multiplizierte die Verschiebungen auf der Piste. "In so einem Rennen kann alles passieren", bilanzierte Ferrari-Pilot Fernando Alonso. Das Tankstopp-freie Reglement bietet ansonsten außerhalb der individuellen Fehler bei den Boxenvorfahrten, bei denen sich erneut Sebastian Vettels Red-Bull-Team unrühmlich hervorgetan hat, eher weniger Spannungsfaktoren.

Die Dominanz einzelner Teams wechselt von Rennen zu Rennen - mal ist wie zu Beginn Ferrari überlegen, dann Red Bull, schließlich McLaren. Mercedes GP hat Nachholbedarf, hält sich aber in Bereitschaft. Die Lage an der Spitze bleibt unübersichtlich. Wenn es schon einen Trend gibt, dann muss der lauten: Alles ist möglich!

Buttons Umgang mit den Reifen

Prinzipielle Überlegenheit - wenn Sebastian Vettel das hört, bekommt er schon gedanklichen Ausschlag: "Es kann sich doch alles blitzschnell verschieben. Vor einigen Jahren gab es zwei siegfähige Teams, mit einem schlechten Rennen war man im schlimmsten Fall Vierter. Das ist in dieser Saison völlig anders. Es macht die Herausforderung für uns größer und die Unterhaltung fürs Publikum besser." Sein Leben im Übrigen schwerer, denn selbst der als überlegenes Technikbauwerk geltende RB 6 lässt sich aus dem Gleichgewicht bringen, wie die Reifenlotterie von Shanghai gezeigt hat.

Um den Spannungsbogen auch über die eher trockenen Sommermonate halten zu können, werden die Ideen der Aerodynamiker entscheidend sein. Bisher tun die von Piste zu Piste unterschiedlichen Stärken der einzelnen Rennwagen der Gesamtinszenierung Grand Prix gut. In Kombination mit technischen Unzulänglichkeiten wechseln sich die individuellen Vorteile ab. Noch sind alle Autos mit ihren schmaleren Vorderreifen und der zusätzlichen Benzinlast nicht richtig in Balance. Aber das hat im Gegensatz zu früheren Reglementsänderungen die Abstände eher schrumpfen lassen.

Lesen Sie auf der nächsten Phase über Michael Schumachers Trotzphase.

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Der Rekordchampion gibt sich nach Platz zehn selbstkritisch. Nico Rosberg erreicht Platz drei beim Triumph von Jenson Button. In Bildern.

Der richtige Umgang mit den Reifen, beim Großen Preis von China perfekt vorgeführt von Jenson Button (und perfekt ruiniert von Michael Schumacher), wird unter allen Rahmenbedingungen ausschlaggebend für den Erfolg sein. Wie im richtigen Leben schwankt die Zuverlässigkeit der Temperaturmethode allerdings. Mehr denn je gilt es daher für die einzelnen Piloten, die Gunst der Stunde zu nutzen. Meisterhaft kompromisslos ist darin der ehemalige BMW-Fahrer Robert Kubica, der es mit seinem von der Leistung her eher schwächer eingeschätzten Renault dreimal nacheinander unter die ersten Fünf gebracht hat.

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Der gelbe Rennwagen entpuppt sich als Überraschungsei. Persönlich nervt den Niezufriedenen zwar die Langsamkeit der Boliden im Regen: "Aus Fahrersicht fühlt sich das ja fast wie Zeitlupe an." Aber er genießt die durch Kampfgeist zu erreichende Aufwertung und die wachsenden Außenseiterchancen. Formel 1 im Jahr 2010, das heißt erhöhte Verkehrsdichte.

Alonsos Rücksichtslosigkeit

Richtig Spannung baut sich bei Ferrari und Mercedes auf. Fernando Alonso hat sich in der Kurve der Boxeneinfahrt an seinem Teamkollegen Felipe Massa vorbeigedrängelt mit einem Manöver, das nach Führerscheinentzug roch. Für den unter Druck stehenden Teamchef Stefano Domenicali war das rüpelhafte und nicht ungefährliche Vordrängeln nur die Bestätigung dafür, dass "Fernando ein Racer ist". Natürlich war es mehr: Ein erster heftiger Warnschuss gegen den Brasilianer, der nur Neunter wurde. Die neuen Verhältnisse führen auch zu einer neuen Rücksichtslosigkeit.

Nach nur vier Rennen bestätigt sich die Tendenz, dass der eigentliche Zündstoff dieser Saison in den Feindschaften innerhalb der Teams liegt. Durch Buttons zweiten Frühling sieht sich McLaren-Kollege Lewis Hamilton zu Harakiri-Manövern gezwungen, wie den Überholversuch gegen Vettel in der Boxengasse von Shanghai. Der Weltmeister des Jahres 2008 kommt in dieser Saison bereits auf mehr als 30 erfolgreiche Angriffsmanöver und wurde in China noch Zweiter.

Das verbessert sein Ansehen, aber daraus spricht auch der Mut der Verzweiflung. Wann diesen auch Michael Schumacher packt mit dem für ihn zu stumpfen Silberpfeil? Mit dem derzeitigen Mittelmaß muss er leben, aber die Opferrolle liegt ihm nicht. Platz zehn nimmt er keineswegs als Trostpflaster. Die Trotzphase beginnt.

© SZ vom 20.04.2010/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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