Sportgroßereignis "Die Finals":Wo einst Roheisen floss, klettern jetzt die Sportler

Lesezeit: 3 min

Freuen sich auf die "Finals" ab Donnerstag (von links nach rechts): BMX-Radfahrerin Kim Lea Müller, 3x3-Basketballer Leon Fertig, Speed-Kletterer Leander Carmanns und Stabhochspringerin Sarah Vogel. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Bei den "Finals" finden die Sportarten an spektakulären Orten statt - 159 Meistertitel werden vergeben. Die Rhein-Ruhr-Region will damit auch ihre Olympia-Tauglichkeit demonstrieren - doch der Weg zur Bewerbung ist weit.

Von Ulrich Hartmann

Wo einst Roheisen für die Stahlindustrie gegossen wurde und wo es noch immer nach Maschinen, Schmiere und Fabrik riecht, sausen am Wochenende die BMX-Fahrer durch die "Gießhalle", wirbeln die Breakdancer um Medaillen und kraxeln die Kletterer beim Bouldern die Wände jener "Kraftzentrale" empor, in der früher die Heißluft für die Hochöfen erhitzt wurde. Mittlerweile ist es dort schön kühl.

Das einstige Hüttenwerk Meiderich, heute als Industriemuseum das Herzstück des Landschaftsparks Nord in Duisburg, ist einer von mehreren spektakulären Austragungsorten der Finals, jenem olympisch anmutenden Konglomerat von traditionellen und trendigen Sportarten, das von Donnerstag bis Sonntag in Duisburg, Düsseldorf, Kassel und Berlin ausgetragen wird. Mit spannenden Wettbewerben an erstaunlichen Orten - unter anderem Stand-Up-Paddling und Kanu-Polo im Duisburger Innenhafen, 3-gegen-3-Basketball auf dem Düsseldorfer Burgplatz, Stabhochsprung auf der Rheinpromenade und Bogenschießen am Becken des Medienhafens - will die Rhein-Ruhr-Region als Mit-Gastgeber dieser vierten Finals-Auflage auch demonstrieren, dass sie sich für Olympische Sommerspiele gewappnet sieht.

SZ PlusSpecial Olympics in Berlin
:Die Welt, meine Bühne

Bei den Special Olympics in Berlin hat man sich der Inklusion verschrieben, aber auch hier muss man aufpassen, dass sie nicht zu einer Parole gerinnt. Was bleibt: Ein Fest ohne Tünche und Menschen im Duell mit sich selbst.

Von Holger Gertz

An diesem Wochenende werden an sieben Austragungsorten in Düsseldorf und Duisburg zunächst ausschließlich Deutsche-Meister-Titel vergeben. Die Leichtathletik wurde nach Kassel ausgelagert und das Schwimmen nach Berlin. An neun Standorten also werden insgesamt 159 Titel in 18 Sportarten vergeben. ARD und ZDF übertragen das facettenreiche Panoptikum über mehr als 25 Stunden hinweg live im Fernsehen und noch ausgiebiger im Internet. Das werden vier Tage lang Konferenzschaltungen der spektakulären Art.

Auf dem Düsseldorfer Burgplatz ist das Ballspielen an diesem Wochenende ausdrücklich erlaubt. Für die 3x3-Basketballer wurde sogar ein Center Court aufgebaut. Das gefällt dem Darmstädter Leon Fertig, 22, der vor einem Jahr in Berlin als Topscorer mit seinem Düsseldorfer Team erstmals deutscher Meister wurde. "Die Finals sind für uns das größte Event, das wir in Deutschland haben", sagt er, "wir können zeigen, was wir machen, und Reichweite generieren." Tausende Zuschauer am Ort plus Kameras, die alles live ins Land übertragen - "das ist echt ein Mega-Gefühl", schwelgt Fertig.

Bei den Finals liegen olympische Träume in der Luft

Der Stabhochspringerin Sarah Vogel geht es da nicht anders. Die Leichtathletik-Elite sucht ihre Meisterinnen und Meister am Samstag und Sonntag im Kasseler Auestadion - bloß die Stabhochspringerinnen und -springer sind diesen Donnerstag und Freitag an der Düsseldorfer Rheinpromenade aktiv. "Das wird ein Event", sagt ganz beeindruckt die U20-Europameisterin von 2021. "Die Zuschauer sind sehr nah dran, wir rechnen mit einigem Wind, und der Steg schwingt beim Drüberlaufen mit", beschreibt die für Eintracht Frankfurt startende Athletin die kuriosen Bedingungen - aber was nimmt man nicht alles in Kauf, um Teil eines besonderen Events zu sein?

Gerade noch im Stadion bei den Europaspielen in Posen, demnächst auf der Showbühne am Rheinufer: Stabhochspringerin Sarah Vogel. (Foto: Chai von Der Laage/dpa)

Das sieht auch Leander Carmanns so. Der 18 Jahre alte Mönchengladbacher, Deutschlands schnellster Speed-Kletterer, träumt in Duisburg nicht nur vom Meistertitel, sondern vor allem von Olympia. Nächstes Jahr in Paris werden im Speed-Klettern erstmals olympische Medaillen vergeben. "Da will ich hin, das ist mein Traum", sagt er genauso wie er klettert: schnell und direkt. 5,49 Sekunden benötigt er für die 15 Meter hohe Wand.

Olympische Träume werden am Wochenende in Duisburg und Düsseldorf in der Luft liegen, nicht nur bei den Sportlerinnen und Sportlern, sondern auch bei den Gastgebern. Im Finals-TV-Trailer ist von "Olympia-Feeling in NRW" die Rede. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link und sein Amtskollege Stephan Keller aus Düsseldorf wünschen sich Olympische Spiele an Rhein und Ruhr. "Wir als Stadt unterstützen die olympische Bewegung", sagt Keller, "die Finals sind eine gute Möglichkeit zu zeigen, dass unsere Region für Olympische Spiele geeignet ist." 2028 sind die Sommerspiele in Los Angeles, 2032 in Brisbane. Link hofft, dass Olympia an Rhein und Ruhr 2036 oder 2040 Wirklichkeit werden könnte, und glaubt, dass in einer Region, "in der alle erforderlichen Sportstätten vorhanden sind, die nachhaltigsten Olympischen Spiele jemals" möglich sind. "Duisburg steht bereit", sagt Link (SPD). Keller (CDU) ergänzt: "Wir arbeiten gemeinsam an einer schlagkräftigen Bewerbung."

Leander Carmanns, Speed-Kletterer, macht sich in Duisburg schon mal bereit für die Finals. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Dass ein Olympia-Zuschlag in der Welt des IOC und der Sportpolitik von ganz anderen Faktoren abhängt als von hübschen Bildern aus der Gießhalle und vom Rheinufer: Das steht auf einem anderen Blatt. Die Spiele 2032 etwa waren schon mehr oder weniger unter der Hand nach Brisbane gewandert, ehe die Rhein-Ruhr-Initiatoren abgestimmt hatten, ob sie sich offiziell bewerben sollen - die verdutzten Gesichter in der Landespolitik, im deutschen Sport und bei privaten Olympia-Trommlern hat man noch gut in Erinnerung.

Die Veranstalter rechnen mit etwa 200 000 Zuschauern an den Sportstätten

Aber für den Moment muss das die Vorfreude nicht trüben. Auch Judo und Karate, Geräteturnen und Rhythmische Sportgymnastik, Triathlon und Trampolin gehören zum Finals-Programm. Alles in allem rechnen die Veranstalter mit etwa 200 000 Zuschauern an den Sportstätten. Viele Veranstaltungen sind gratis, einige Verbände nehmen Eintritt, weil sie das Geld brauchen.

Am Sonntag in Düsseldorf ermitteln im Endspiel der Tischtennis-Bundesliga Borussia Düsseldorf und der 1. FC Saarbrücken den Meister. Zum Düsseldorfer Team gehört Timo Boll, 42, sechsmaliger Olympia-Teilnehmer. Wenn alles gut geht, ist er in Paris zum siebten Mal dabei. Er wird beurteilen können, ob die Finals olympisches Feeling verbreiten. 2024 gibt es wegen Olympia keine Finals. 2025 heißt der Gastgeber Dresden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSport
:Die Naivität der Deutschen beim Thema Olympia

Die European Championships waren toll. Und nun? Olympia in Deutschland! Dieser Reflex kommt einem allzu bekannt vor. Ganze sieben Mal versuchte das Land eine Bewerbung - und scheiterte an der trüben Realität.

Von Thomas Kistner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: