WM-Vergabe:"Ich will mit der Fifa nichts mehr zu tun haben"

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England reagiert verbittert auf die Niederlage bei der WM-Kür. Besonders Londons Bürgermeister Johnson: Er lädt Sepp Blatter offiziell von den Olympischen Spielen 2012 in London aus.

Raphael Honigstein

Das Wochenende auf der mal wieder vom Winter überraschten Insel brachte neben Eis und Schnee auch eine üppige Obstlese: Zeitungsseiten, Fernsehprogramme und Radiosendungen barsten vor sour grapes, sauren Trauben. So nennt man in England das Wehklagen von Verlierern, die die Schuld bei unfairen Gegnern oder inkompetenten Schiedsrichtern suchen.

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Wahrlich kein beliebter Mann: Fifa-Präsident Sepp Blatter.

(Foto: REUTERS)

Die Briten haben sich seit der WM 1966 oft und gerne an solchen verdorbenen Früchten gelabt, genialisch-böse Überschriften wie "Fifa verschiebt WM nach Russland" (Sun) produziert der Boulevard mittlerweile im Schlaf. Dieses Mal sind Wut und Ohnmacht aber noch größer als sonst, weil sich in der Zürcher Niederlage die uralten, paranoiden Ängste vor Verschwörungen als sportpolitische Realität entpuppten. England hatte - darin sind sich die internationalen Beobachter einig - trotz der objektiv besten Kandidatur nie eine Chance.

"Es war ein total abgekartetes Spiel, unsere schlimmsten Befürchtungen wurden war", erklärte ein Mitglied des englischen Bewerbungskomitees in einer E-Mail an die SZ. Schon im Januar hatte "England 2018"-Geschäftsführer Andy Anson bei einem Dinner mit Regierungsmitgliedern und Journalisten 13 der 24 Mitglieder der Fifa-Exekutive als "käuflich" eingestuft.

In der Schweiz hatte man sich aber im Zuge einer gelungenen Präsentation und Hotelbar-Gesprächen mit Fifa-Bossen vom eigenen, irrationalen Optimismus einlullen lassen. Nach einem als Erniedrigung empfundenen Abstimmungsergebnis - England erhielt zwei Stimmen - wusste man es besser: "Wir wurden von allen im Stich gelassen", sagte Anson.

Anson weiter: "Technische Kriterien spielen keine Rolle, die ganze Arbeit war umsonst." Ein Sechstel des Budgets von 20 Millionen Euro ging allein für den Bewerbungskatalog drauf. Das 1752-seitige Werk wurde nur von dreien der 24 Mitglieder der Fifa-Exekutive angefordert. Gemessen an der Leserschaft war es das teuerste Buch der Geschichte.

Nicht einmal die intern umstrittene, bis nahe an die Selbstverleugnung gehende Distanzierung von den Enthüllungsgeschichten der heimischen Medien half letztlich. Man sich ein bisschen korrumpieren lassen, ohne dafür den geringsten Gegenwert zu erhalten, auch das erklärt nun den Zorn. "Als Demokratie mit einer freien Presse bekommt man Minuspunkte, und Länder, in denen (die Medien) einen in Ruhe lassen, erhalten die Bestnote", folgerte Anson.

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