Der Sport und Russland:Das Problem heißt Infantino

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Fifa-Präsident Gianni Infantino (vorne) und Wladimir Putin bei der WM 2018 in Russland. (Foto: Alexei Nikolsky/Itar-Tass/Imago)

Der Fifa-Boss wollte bis zuletzt auf die billige Tour retten, was nicht zu retten war. Nun eilt der Fußball-Weltverband allen anderen hinterher: Er muss Russland doch suspendieren.

Kommentar von Thomas Kistner

Der jüngste Bauerntrick ging Gianni Infantino besonders leicht von der Hand, der Fifa-Präsident brauchte ihn ja bloß von seinem olympischen Amtskollegen Thomas Bach abzukupfern. Russlands Fußball-Nationalteam soll hart sanktioniert werden? Bitteschön: keine Hymne, keine Flagge, auch das Namensetikett der Sbornaja muss weg - sie sollte als "russische Fußballunion" antreten, als "RFU", erklärte der Verband am Sonntag. Chapeau! Kein Mensch käme bei dieser genialen Verkleidung darauf, dass sich Russland dahinter verbirgt!

Infantino wollte bis zuletzt auf die billige Tour retten, was nicht zu retten war. Nun eilt die Fifa allen anderen hinterher: Sie muss Russland doch suspendieren. Für den Weltsport aber wird es Zeit, grundsätzliche Überlegungen zu seinen Anführern anzustellen.

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Allein die Idee, die politische Positionierung zu einem Angriffskrieg per Silben-Umstellung lösen zu können, legt nahe, wie es um Infantinos Fifa-Apparat intellektuell bestellt ist. Dieser Plan ist so dämlich, dass er sich von selbst erledigt. Allein die Tatsache, dass es viele Verbände ablehnten, gegen so eine Mogelpackung anzutreten, führte Infantinos Scharade ad absurdum: Was wäre denn passiert, wenn sich Polen weigert, demnächst im WM-Qualifikationsspiel gegen die, äh, russische Union anzutreten? Fliegt dann Polen raus, und jeder andere auch, der sich weigert? Sollte Russland dann die WM 2022 in Katar ganz allein spielen, als Mini-Turnier mit Belarus?

Dass Sponsoren wie Adidas in Kürze reagieren müssen, dass sich die Europa-Union Uefa von Topsponsor Gazprom trennt und sogar das IOC am Montag dem Druck nachgab und nun doch den Komplettausschluss von Russland und Belarus betreibt - all das offenbart, dass die Fifa ein enormes Problem hat: Gianni Infantino. Ein Selbstdarsteller, gegen den in der Schweiz strafrechtlich ermittelt wird; ein Fifa-Boss, der sich an einen Zweitwohnsitz nach Katar verflüchtigt hat, angeblich, weil er dort die WM-Werdung begleiten muss. Auch dies ein Vorwand, der den Verstand beleidigt: Rennt der ehrenamtliche Präsident jetzt im blauen Anton über Baustellen? Oder bedient er nur die Kaffeemaschine im Medienbüro des Emirats?

Sogar ein Teilumzug der Fifa nach Moskau stand zur Debatte - Indiz für eine gefährliche Abhängigkeit

Seit 2016 führt der Schweizer die Fifa, diese Phase wurde zur skandalträchtigsten in einem an Skandalen allzeit reichen Weltverband. Und heikle Fragen sind noch offen: etwa die, wie Infantino auf den Thron gelangte. Wer stach damals Insiderwissen über eine Millionenabsprache zwischen seinem Amtsvorgänger Sepp Blatter und seinem Chef bei der Uefa, Michel Platini, an die Berner Bundesjustiz durch? Infantino stieß plötzlich in ein Vakuum, das die Kollegen hinterließen - und pflegte mit dem Schweizer Bundesanwalt fortan einen so diskreten Austausch, dass Letzterer deshalb sein Amt verlor.

Der Fifa-Boss aus dem Alpendorf, erfüllt von imaginierter staatsmännischer Bedeutung, ist ein Experte für toxische Verbindungen. Gerade ist er dabei, die Fifa zu zerschlagen. Ein Teil wird in die USA ausgelagert, andere Teile wurden von Zürich nach Paris umgesiedelt, wo Staatschef Macron dem Fußballpersonal sogar Steuern erlassen will. Darüber sollte Frankreichs großer Kriegsdiplomat und Wahlkämpfer jetzt noch einmal nachdenken.

Und dann ist da die Standleitung in den Kreml. Zu Wladimir Putin. Dass die Fifa mit einem Teilumzug nach Moskau geflirtet hat, lässt auf ebenso stille wie bedrohliche Abhängigkeiten ihres Chefs schließen, und der - nun missglückte - Taschenspielertrick mit dem Team RFU macht diesen Verdacht fast zur Gewissheit. Die Uefa und andere Großverbände in England, Frankreich, Italien und Südamerika (und auch der DFB, sobald er mal wieder glaubwürdige Vertreter in internationalen Gremien hat) - sie alle sind in der Pflicht, den Fußball endlich von Infantinos Schatten zu befreien.

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