FC Bayern muss auf Schweinsteiger verzichten:Der Anführer liegt im Krankenhaus

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Der FC Bayern gewinnt gegen den SSC Neapel mit 3:2 und braucht nur noch einen Punkt, um das Achtelfinale der Champions League zu erreichen. Doch die schwere Verletzung von Bastian Schweinsteiger trübt die Freude am brillanten Auftritt der Mannschaft. Können die Münchner diesen Ausfall kompensieren?

Thomas Hummel, Fröttmaning

Bastian Schweinsteiger ist ein stämmiger Bursche. 79 Kilogramm Körpergewicht, zusammengesetzt weitgehend aus Muskelmasse, die breite Brust und die oberbayerischen Oberschenkel haben letztes Jahr bei der WM sogar die Kleiderschränke aus Ghana locker aufgehalten. Um einen Bastian Schweinsteiger umzuwerfen, dazu bräuchte man schon ein paar neuseeländische Rugby-Spieler. Dachte man.

Bastian Schweinsteiger wird aus der Arena getragen, der FC Bayern muss wohl mehrere Wochen auf ihn verzichten. (Foto: REUTERS)

Am Mittwochabend ging der 27-jährige Mittelfeldspieler des FC Bayern kurz nach der Halbzeit-Pause zu Boden. Der Schweizer Gökhan Inler vom SSC Neapel war rustikal in ein Luftduell gesprungen und mit Schweinsteiger zusammengeprallt. Besonders unfair war das Einsteigen Inlers nicht, dennoch taumelte der Bayern-Profi bereits in der Luft seltsam umher. Schweinsteiger fiel auch nicht, er legte sich eher selbst so sanft wie möglich auf den Rasen. Er spürte: Da war etwas gar nicht in Ordnung.

Schweinsteiger winkte noch mit dem linken Arm, dann bewegte er sich nicht mehr. Helfer trugen den reglosen Spieler vom Platz. Die Diagnose: Schlüsselbeinbruch, nahe an der Schulter. Noch in der Nacht wurde er operiert, bekam eine Platte in die Schulter eingesetzt. Nach Angaben des FC Bayern wird Schweinsteiger noch bis Freitag im Klinikum Rechts der Isar bleiben, danach muss er zwei Wochen absolute Ruhe einhalten, ehe er mit dem Lauftraining beginnen kann. Mit der Mannschaft wird er erst wieder in sechs Wochen trainieren können. Der Rekordmeister wird wohl bis zum Ende der Hinrunde auf Schweinsteiger verzichten müssen.

Wenn ein Mitspieler schwer verletzt vom Platz getragen wird, trübt das die Freude am schönsten Spiel. 3:2 hatten die Münchner ihr Heimspiel gewonnen, zwischenzeitlich 3:0 geführt und für Philipp Lahm "die beste erste Halbzeit gespielt, seitdem ich beim FC Bayern bin". Lahm gehört seit 2005 zur ersten Elf. Auch Sportdirektor Christian Nerlinger hatte "brillanten Fußball" gesehen, der dreifache Torschütze Mario Gomez (17./23./42.) seiner Ansicht nach "eine perfekte Vorstellung" gezeigt.

"Die Mannschaft war geschockt"

Die Partie bot auch ein paar in dieser Saison bislang unbekannte Fehler, wie das kindische Foul von Jérôme Boateng kurz vor der Pause. Den folgenden Freistoß köpfte Federico Fernández zum 1:3 ein. Bei einem weiteren Freistoß sprang Daniel Van Buyten unter dem Ball durch und wieder verwandelte Fernández zum 2:3 (79.), was eine hektische Schlussphase zur Folge hatte. Davor hatten der Neapolitaner Juan Zuniga (der es fertigbrachte, binnen 73 Sekunden zweimal Franck Ribéry zu foulen) und der Münchner Holger Badstuber Gelb-Rot gesehen.

Doch trotz der Hektik und der Fehlleistungen in der zweiten Halbzeit, hätten die Bayern nach dem Spiel hell gestrahlt wie ihr rotes Stadion in der Fröttmaninger Nacht. Mit zehn Punkten liegen sie weiterhin auf Platz eins in der mal "Mördergruppe", mal "Todesgruppe" genannten Staffel A, nur noch ein Punkt fehlt ihnen theoretisch zum Einzug ins Achtelfinale. Doch da war die Szene des regungslosen, verletzten Bastian Schweinsteiger und die wirkte wie der dichte Nebel um die rot leuchtende Arena. Strahlen wollte in dieser Nacht nichts und niemand mehr in München.

Einzelkritik FC Bayern
:Unnötige Foulspiele und filigrane Rennpferde

Jérôme Boateng schlägt Willy-Sagnol-Gedächtnisflanken, Toni Kroos wird immer mehr zum elegantesten Passspieler außerhalb Spaniens, Mario Gomez schafft einen Hattrick und trifft kurz vor Schluss beinahe aus 80 Metern. Die Spieler des FC Bayern beim Sieg gegen den SSC Neapel in der Einzelkritik.

Andreas Burkert, Fröttmaning

"Die Mannschaft war geschockt", sagte Mario Gomez. Mit dem Ausfall des Mittelfeldspielers erklärte sich der Stürmer auch den Leistungsabfall. "Er gibt vor, wie wir spielen. Wir haben alle ein bisschen Halt gesucht, aber er war nicht mehr da." Auch Trainer Jupp Heynckes gab zu: "Die Verletzung trifft uns. Er hat eine überragende Form, kann unser Spiel ruhig machen oder schnell."

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Andreas Burkert, Fröttmaning

"Wir werden auch künftig mit elf Mann auflaufen"

Keiner im Bayern-Tross redete lange drum herum: Bastian Schweinsteiger in der Verfassung der vergangenen Wochen ist auch für die Münchner nicht zu ersetzen. Er näherte sich seiner famosen Form von der WM 2010, hielt die Defensive mit der Offensive zusammen, verband die linke mit der rechten Seite. Hatte der Gegner den Ball, organisierte Schweinsteiger gerne das Pressing. Er behauptete im Mittelfeld die Bälle, verteilte sie geschickt unter den Mitspielern. Das 1:0 gegen Neapel bereitete er mit einem schnellen Pass in die Spitze zu Gomez vor. Schweinsteiger stieß aber auch selbst in die offenen Räume, knallte zuletzt gegen Nürnberg das Spielgerät aus 20 Metern brutal ins Tor.

Wenn es einen Anführer dieser fast unantastbaren Bayern gab, dann hieß der Bastian Schweinsteiger.

Einige gaben eilig zu Protokoll, dass der Münchner Kader auch eine Verletzung des Anführers auffangen könne. Wobei sich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schon bald in Galgenhumor rettete: "Ich kann alle beruhigen: Wir werden auch künftig mit elf Mann auflaufen." Auch Thomas Müller klang wenig begeistert, als er über die kommenden Wochen sprach: "Als Mannschaft müssen wir das kompensieren können, es bleibt uns ja nichts anderes übrig."

In der zweiten Halbzeit gegen Neapel deutete sich an, dass das Bayern-Spiel viel von seinem Fluss verlieren könnte ohne Schweinsteiger. Anatolij Timoschtschuk und Luiz Gustavo sind eher dann stark, wenn der Gegner den Ball hat. So könnte Toni Kroos eine Position nach hinten rücken und stattdessen vorne David Alaba dribbeln. Auch im Nationalteam dürfte Kroos nun in der Ukraine (11.11.) und gegen die Niederlande (15.11.) seinen Platz im Mittelfeld sicher haben.

Doch während Bundestrainer Löw seine Mannschaft ohne Schweinsteiger in zwei Freundschaftsspielen testen kann, wird es für den Kollegen Heynckes in den nächsten Wochen durchaus ernst. Bis Weihnachten stehen beim FC Bayern noch Spiele gegen Dortmund, Bremen, Stuttgart oder Manchester City auf dem Programm.

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