FC Bayern:Erst mal eine Kommission gründen

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Hansi Flick würde auf aufgeregte Kurvengänge lieber verzichten (Foto: dpa)
  • Hinter den Kulissen wird beim FC Bayern gerade viel gesprochen und getagt, nach den Beleidigungen gegen Dietmar Hopp hat sich der Verein noch nicht auf eine Strafe festgelegt.
  • Stattdessen gibt es eine neue Kommission, die sich dem Thema widmet.
  • Denkbar ist, dass der FC Bayern erst mal abwartet, wie sich die Ultras am Dienstagabend auf Schalke verhalten.

Von Christof Kneer, München

Zum Wesen geheimdienstlicher Tätigkeit gehört es, vorauszusehen, was die andere Seite plant. Auf dieser Basis lassen sich dann Szenarien entwerfen, bei denen aber stets zu bedenken ist, dass die Gegenseite diese Szenarien womöglich ihrerseits erahnt und mit Gegenszenarien kontert. Wie würden die Verantwortlichen des FC Bayern also wohl reagieren, falls ihre Ultras das Pokalspiel auf Schalke nutzen würden, um zur besten Familiensendezeit diffamierende Schriftstücke in die Kameras zu halten? Was würden die Ultras machen, falls der Verein anschließend strenge Strafen gegen sie verhängen würde?

Offenkundig leiden die konspirativen Aktivitäten aber gerade ein wenig darunter, dass beide Lager selbst noch nicht genau wissen, was sie in welchem Fall tun. Womöglich sind die Münchner Ultra-Gruppierungen zurzeit selbst etwas erstaunt über die raumgreifende Berichterstattung, die das Schauspiel vom Samstag nach sich gezogen hat; eine Berichterstattung, in der alles mit allem vermischt wurde, die Figur Hopp mit den sogenannten Kollektivstrafen, mit der Kommerzklub-/Traditionsklub-Debatte und dem Anschlag von Hanau.

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Hinter den Kulissen wird gerade viel gesprochen und getagt, im sichtbaren Teil der Säbener Straße war es am Montag dagegen vergleichsweise still. Ein Kamerateam befragte Menschen, die sich im Fanshop mit frischem Merchandising ausstatteten, zu den Vorfällen in Hoffenheim, und meistens sagten die Leute so was wie: "Fans stehen doch zu 99 Prozent hinter dem Verein."

Funkstille zwischen Verein und Schickeria

Auch der Trainer, Hansi Flick, bemühte sich in der Pressekonferenz um Deeskalation, er hoffe einfach, "dass sich das wirklich auf den Fußball konzentriert", sagte der Coach vor dem Viertelfinale in Gelsenkirchen. Er bitte darum, "mit dem Thema Schluss zu machen", aber er wusste natürlich, dass niemand auf ihn hören würde. Also hat er noch mal einen politisch korrekten Appell im Saal untergebracht, alle Verantwortlichen müssten "jetzt die richtigen Schlüsse und an einem Strang ziehen", sagte Flick.

Er selbst habe sich aber schon die Frage gestellt, "ob man denen, die diese idiotischen Banner hochhalten, im Netz und in den Medien so eine Plattform bietet". Am Ende wollte der Mann, der bittet, mit dem Thema Schluss zu machen, dann aber selber noch ein, zwei Dinge loswerden; er hat sich inzwischen ja selber noch mal im Fernsehen gesehen, er sah die Bilder, die ihn in Sinsheim wild gestikulierend vor der Bayern-Kurve zeigten. Flick sagt, er würde wieder genauso handeln, er würde sich wieder dahin stellen und wieder wütend sein. Er mag halt nur nicht, dass seine Enkel ihn so im Fernsehen sehen.

Was am Montag abseits der Kameras geschah, fällt dagegen weitgehend in den Bereich der Geheimdiplomatie. Vom Verein war zu hören, es sei noch nicht der Zeitpunkt, über "konkrete Maßnahmen" zu sprechen.

Das hörte sich ein wenig so an, als seien die Videos vom vergangenen Samstag, die man selbst vom Fanblock gemacht hat, noch nicht ausgewertet. Sollten nach Auswertung des Materials aber Täter identifiziert werden, "müssen die natürlich damit rechnen, dass sie nachhaltig von Bayern München bestraft werden", sagte Klubchef Karl-Heinz Rummenigge bei Bild live.

Flankierend hat der FC Bayern am Montag einen kleinen Funktionärsausschuss gegründet, den die Bild-Zeitung gleich mal "Anti-Hass-Kommission" nannte - ein Gremium, das nicht nur die Beleidigungen gegen Dietmar Hopp aufarbeiten, sondern den grundsätzlichen Umgang mit derartigen Themen regeln soll.

Zwischen dem Verein und der Ultra-Gruppe Schickeria herrschte bis Montagnachmittag noch Funkstille, Rummenigge richtete via Bild aber schon mal Grüße aus. "Ich habe immer den Eindruck, wir befinden uns in einer Einbahnstraße, in der die Klubs nur geben müssen und die Fans nur nehmen wollen, aber nicht bereit sind, ihr eigenes Verhalten in irgendeiner Art und Weise zu korrigieren", sagte der Klubchef.

Solche Sätze werden die Ultras nicht so gerne hören, aber sie haben andererseits auch registriert, dass Rummenigge den Kampfbegriff "Kollektivstrafe" bisher demonstrativ vermieden hat. Mögliches Szenario: Der FC Bayern wartet erst mal ab, wie sich die Ultras am Dienstagabend auf Schalke verhalten, um erst dann ein Strafmaß festzulegen - oder den Tonfall noch mal zu verschärfen.

© SZ vom 03.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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