Niklas Süle beim FC Bayern:Beauftragter für Körperlichkeit

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Ist das Kunst? Jedenfalls ist es ein wunderbar synchrones Duell von Niklas Süle (l.) mit Lyons Moussa Dembele beim Turnier in Lissabon. (Foto: Miguel A. Lopes/Getty)

Niklas Süle ist nach seinem Kreuzbandriss auf dem Weg zu bester Fitness. In Jérôme Boateng hat er aber einen prominenten Rivalen um den Stammplatz.

Von Sebastian Fischer, München

Es ist ziemlich genau fünf Monate her, dass in München einer der erfolgreichsten Angreifer zuschlug, denen der FC Bayern in den vergangenen Monaten begegnet ist. Zwei Tore nach Eckbällen erzielte er damals binnen fünf Minuten, und es machte die Sache für den Rekordmeister noch ein bisschen unangenehmer, dass es sich beim Torschützen um einen hauptberuflichen Verteidiger handelte. Man habe das im Grunde schon gewusst, musste Bayern-Trainer Hansi Flick zerknirscht zugeben: Dass Martin Hinteregger von Eintracht Frankfurt "bei Standards eine extreme Waffe" sei.

An diesem Samstag trifft der FC Bayern wieder auf Eintracht Frankfurt, wieder ist sich Flick der Gefahr bewusst. "Hinteregger", sagte er am Freitag in der Pressekonferenz zum Spiel, "ist einer, der weiß, wo das Tor steht." Doch es gibt immerhin einen Unterschied. Damals, es war nach dem Neustart der Saison das erste Spiel in der Arena ohne Zuschauer, erzielte Hinteregger beim Münchner 5:2-Sieg sein erstes Tor mit einem Volleyschuss, den er sich selbst per Kopf vorgelegt hatte, beobachtet von Jérôme Boateng, David Alaba und Alphonso Davies. Bei seinem zweiten Treffer setzte er sich im Kopfballduell gegen Benjamin Pavard durch, den vierten Münchner Verteidiger auf dem Platz.

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Damals, und das ist der besagte Unterschied, war ein Einsatz des Verteidigers Niklas Süle, mit 1,95 Metern Körperlänge durchaus ein geeigneter Gegenspieler Hintereggers, noch ausgeschlossen, weil er nach einem Kreuzbandriss noch mit seiner Reha beschäftigt war. Inzwischen ist Süle wieder auf dem Weg zu bester Fitness. Sollte er am Samstag dennoch draußen sitzen, dann zur Schonung.

"Niki macht das gut", lobt Flick seinen Verteidiger

Diese Woche beim FC Bayern war geprägt vom Positivtest Serge Gnabrys, dem ersten Corona-Fall im Kader, und natürlich vom dennoch gelungenen Start des Titelverteidigers in die Champions-League-Saison. Nach dem 4:0 gegen Atlético Madrid lobte Flick das im Vergleich zur Bundesliga verbesserte Zweikampfverhalten, er lobte auch Flügelspieler Kingsley Coman für ein herausragendes Spiel mit zwei Toren und einer Vorlage. Aber die Voraussetzung für den Sieg war auch, dass in Luis Suarez und João Félix zwei prominente Angreifer von den Münchner Verteidigern kaum Chancen gewährt bekamen. Süle spielte im fünften von acht Pflichtspielen in dieser Saison durch.

"Niki macht das gut", sagte Flick am Freitag. Am vergangenen Wochenende beim 4:1 gegen Bielefeld habe ihm die Leistung des Nebenmanns von Abwehrchef David Alaba beim Ballbesitz gefallen, erklärte der Trainer: Süle spielte 95 Pässe, 93 kamen an. Gegen Madrid war es dann zudem mehr Körperlichkeit und Robustheit in den Zweikämpfen, die Flick zusagte. Aber der Trainer deutete auch an, dass Süle nun erst mal von Boateng vertreten werden könnte. Süle brauche nach seiner Verletzung auch Pausen.

Hinter Süle, 25, liegen nicht ganz unkomplizierte Monate. Nach seinem Kreuzbandriss im Herbst 2019 drohte er die für den Sommer 2020 angesetzte EM zu verpassen, was zum Beispiel Uli Hoeneß, damals noch Bayern-Präsident, recht unmissverständlich mitteilte: "Süle kann die Europameisterschaft vergessen." Dem Spieler gefiel die Aussage eher nicht so sehr, vielleicht motivierte sie ihn aber auch. Beim Finalturnier der Champions League war er wieder da, wurde in jedem Spiel eingewechselt, im Finale für den verletzten Boateng schon nach 25 Minuten.

Süle, dessen Kritiker die Kilos an seinem Körper gern mal sehr genau zählen, wirkt fit, vielleicht sogar fitter als vor der Pause. Bei seinem jüngsten Einsatz für die Nationalmannschaft war allerdings zu sehen, dass er manche Entscheidungen auf dem Platz noch nicht wieder so souverän trifft, wie man das von ihm zuvor gewohnt war. Beim 2:1 in Kiew gegen die Ukraine verursachte er mit einem recht plumpen Foul einen Elfmeter. Als danach die ganze deutsche Abwehr in die Kritik geriet und Bundestrainer Joachim Löw wiederholt auf Formation und Besetzung angesprochen wurde, sprach er über Süle als den in der Zentrale gesetzten Verteidiger; aber auch Löw betonte, ihn weiterhin vorsichtig belasten zu wollen.

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Süle gehört zur Generation der Fußballer um Gnabry, Leroy Sané, Leon Goretzka und Joshua Kimmich, die den FC Bayern in Zukunft prägen sollen. Sané steht nach seiner Kapselverletzung im Knie gegen Frankfurt wieder im Kader, allerdings sei er noch nicht für die Startelf eingeplant, sagte Flick. Kimmich und Goretzka sind dagegen gesetzt. Und Süle ist von diesen Spielern gerade der einzige, der in Boateng, 32, einen internen Konkurrenten aus der Generation der Champions-League-Sieger von 2013 hat.

Flick betonte, er habe auch im Training der Ersatzspieler eine "hervorragende Qualität" bemerkt, deswegen könne man "den ein oder anderen Wechsel vornehmen". Gelegenheiten für weitere Einsätze dürfte es für Boateng und Süle in den kommenden Wochen genügend geben. Nach der Partie am Samstag spielen die Münchner in zwei Wochen noch viermal.

© SZ vom 24.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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