FC Bayern:Die schnörkellosen ersten Bundesliga-Minuten des Carlo Ancelotti

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Zufrieden mit dem, was er sah: Carlo Ancelotti (Foto: REUTERS)

Im ersten Heimspiel unter dem neuen Trainer gewinnt der FC Bayern 6:0. Obwohl Bremen durchgehend überfordert ist, erkennt man schon, worauf der Italiener Wert legt.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn, München

Es lief die 16. Minute seiner Bundesliga-Karriere, als sich Carlo Ancelotti das erste Mal maßlos ärgerte. Er warf seine Hände hinter den Kopf, dazu drehte er den Körper um die eigene Achse, sein Sakko flatterte ihm hinterher. Ancelotti hatte etwas gesehen, was ihm nicht gefallen durfte, nicht als Trainer dieser Mannschaft. Einen Fehlpass, ausgerechnet vom sonst so ballsicheren Xabi Alonso, ohne Not, und schon war der aussichtsreiche Angriff zu Ende. Ancelotti drehte sich noch ein bisschen weiter. Dann stopfte er sich das Hemd zurück in die Hose. Es war ja nichts Schlimmes passiert.

Als auch die 90. Minute seiner Bundesliga-Karriere gespielt war, ging Ancelotti ruhigen Schrittes zum Ausgang, er musste sich nicht ärgern, warum auch. 6:0 (2:0) hatte er sein erstes Ligaspiel als Trainer des FC Bayern München gewonnen, gegen den durchgehend überforderten SV Werder Bremen. "Das war eine sehr gute Leistung meiner Mannschaft", fand der 57-Jährige, "wir haben einen guten Start hingelegt. Wir haben frühzeitig die Spielkontrolle übernommen und dann auch unsere Tore gemacht." Ancelotti war an diesem ersten Fußballabend der neuen Bundesliga-Saison die Figur, um die sich alles drehte. Sein erstes Ligaspiel war ja auch das erste der Mannschaft seit drei Jahren ohne Pep Guardiola als Trainer. Es war also auch ein Abend, an dem Ancelotti vorführen konnte, welchen Stil er für die Mannschaft vorgesehen hat.

Der neue Trainer richtete die Elf nicht so risikofreudig wie sein Vorgänger aus

Der FC Bayern unter seinem italienischen Trainer, das hat der ungefährdete Sieg gegen Bremen angedeutet, wird nicht ganz so risikofreudig auftreten wie unter Guardiola. Nicht taktisch, auch nicht in der tatsächlichen Spielausführung. Ancelotti hat den Nachlass Guardiolas nicht völlig außer Acht gelassen, seine Mannschaft hat weiterhin diese Geduld und Sicherheit im Passspiel, aber der Trainer hat in der knapp siebenwöchigen Vorbereitung durchaus schon eigene Akzente gesetzt. So stand die Mannschaft zumindest gegen Bremen für eine unaufgeregte, zielstrebige, schnörkellose Spielweise. Und für eine beeindruckend effiziente.

Schon in der Wahl seiner Startelf hatte Ancelotti auf Experimente verzichtet; die erlaubt ihm sein durch zahlreiche Verletzungen geschwächter Kader zurzeit auch nicht. In der Innenverteidigung begann er mit dem aus Dortmund zurückgekehrten Mats Hummels sowie Javier Martínez, abgesehen davon stellte sich die Elf fast von selbst auf. Als Offensivspieler stellte Ancelotti Robert Lewandowski, Thomas Müller und Franck Ribéry auf, alle anderen Angreifer sind verletzt. Dahinter positionierte der Italiener die zentralen Mittelfeldspieler Alonso, Thiago und Arturo Vidal. Und zumindest gegen Bremen reichte es, auf einen ausgesprochen spielfreudigen Ribéry und einen abgezockten Lewandowski setzen zu können.

Ribéry wagte Kunststücke, die in keinem Taktiklehrbuch vorgesehen sind

Von der ersten Minute an setzte der Gastgeber die Bremer einem enormen Druck aus. Bereits in der Spielfeldhälfte der Gäste attackierten meist mindestens zwei Münchner Angreifer den ballführenden Bremer. Hatten Ancelottis Spieler den Ball, rückten die Verteidiger nie so weit auf, wie noch unter Guardiola. So bot sich den Bremern nie die Zeit oder der Raum, einen Gegenangriff zu starten. Das war die etwas zurückhaltendere Note, die Ancelotti dem Spiel der Münchner gab.

Bei eigenem Ballbesitz, gerade bei dem in der gegnerischen Spielfeldhälfte, näherte sich der FC Bayern stets auf einem direkten Weg dem Bremer Tor. Da die Defensive der Gäste gerade in der ersten Halbzeit nie ihre Ordnung fand, häuften sich bald die Chancen. Nach einem Außenristpass von Hummels konnte Lewandowski im Strafraum den Ball nicht kontrollieren (6.). Eine Minute später endete ein zügiger Spielzug nach einem Schuss von Müller immerhin mit einem Eckball. Weitere zwei Minuten später führte der FC Bayern. Xabi Alonso hatte ein paar Meter vor der Strafraumgrenze die Ruhe und den Raum, um den Ball sicher anzunehmen, dann trat er ihn gefühlvoll ins Tor. In der 13. Minute baute Lewandowski den Vorsprung mit einem Treffer aus spitzem Winkel aus, in Szene gesetzt hatte ihn Ribéry mit einem Pass, der die gesamte Bremer Abwehr überrumpelt hatte.

Ribéry war überhaupt der Spieler, an dem sich beobachten ließ, wie das Offensivspieler unter Ancelotti aussehen könnte. Der Franzose wagte Dribblings, Pässe, Kunststücke, die in keinem Taktiklehrbuch vorgesehen sind. Manche davon klappten, einige nicht. Dass der 33-Jährige sich so manchen Ballverlust leistete, nahm Ancelotti ungerührt zur Kenntnis, genauso wie die eine oder andere Nachlässigkeit im Spielaufbau. All dies verfolgte Ancelotti mit ungerührter Gestik und Mimik. Abgesehen vom eingangs erwähnten Fehlpass Alonsos. Aber dann erinnerte sich der Trainer daran, dass dieser Abend ja bereits ein angenehm entspannter war.

Seine Chancen erarbeitete sich der FC Bayern auch in den weiteren 75 Minuten unermüdlich, und am Ende fiel nicht einmal auf, dass sogar ein paar ungenutzt blieben. Lewandowski traf nach einer Flanke von Müller (46.), Lahm nach einem Doppelpass mit Müller (66.). In der 73. Minute hatte dann auch Ribéry sein Tor, wieder hatte Müller aufgelegt. Den Endstand erzielte schließlich erneut Lewandowski, vom Elfmeterpunkt (76.).

Dann waren die ersten 90 Bundesliga-Minuten von Ancelotti vorbei. Er stopfte sein Hemd in die Hose, dann war er weg.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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