Bundesliga:Ein Trainer verliert mit Bayern nicht folgenlos 1:5

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Es erfordert Fantasie, sich Niko Kovac nach der hohen Niederlage gegen Frankfurt noch lange als Münchner Trainer vorzustellen. Das Problem ist weniger dieses Spiel allein, sondern das Gesamtbild.

Kommentar von Martin Schneider

Es ist für Trainer des FC Bayern kein gutes Zeichen, wenn man wieder von Edinaldo Batista Libânio schreiben muss. Der Brasilianer, den die Bundesliga unter seinem Künstlernamen Grafite kennenlernte, umkurvte, nein, umtanzte einst die Abwehr des Rekordmeisters und traf mit der Hacke gegen die Laufrichtung des Torwarts Michael Rensing und gegen das unerschüttliche Selbstverständnis des FC Bayern ins Tor. Das Spiel damals, 2009 war das, ging 1:5 gegen den VfL Wolfsburg verloren. Und es ist deswegen wieder aktuell, weil der FC Bayern an diesem Wochenende erneut 1:5 verloren hat.

Ein Trainer verliert mit dem FC Bayern eigentlich nicht folgenlos 1:5, nicht in Wolfsburg, auch nicht in Frankfurt. Das weiß Niko Kovac natürlich. Jürgen Klinsmann, der damals in Wolfsburg die Verantwortung trug, hielt sich noch 23 Tage nach der Niederlage im Amt. Er tauschte unter anderem den Torwart aus, brachte Hans-Jörg Butt für Michael Rensing. Dass Kovac nun Sven Ulreich für Manuel Neuer bringt, das ist eher unwahrscheinlich.

Am Sonntagmittag wurde bekannt, dass Kovac das Team auf das Champions-League-Spiel gegen Olympiakos Piräus vorbereiten soll. Doch ob er nach 23 Tagen noch Bayern-Trainer ist? Sich das vorzustellen, erfordert Fantasie. Wie soll er jetzt noch die Kurve kriegen, wie diesen Sturzflug stoppen? Man musste ihm nur ins Gesicht schauen, wie Kovac nach dem Spiel vor dem Mikrofon natürlich sagen musste, dass so eine rote Karte in der achten Minute für Jérôme Boateng maximal unglücklich ist. Er hat ja recht damit. Aber erstens darf der FC Bayern dann trotzdem nicht 1:5 verlieren. Zweitens ist das Problem weniger dieses Spiel allein, sondern das Gesamtbild.

Selbstkritik lässt Kovac höchstens sporadisch erkennen

Die für Kovac härteste Aussage tätigte deshalb auch Kapitän Neuer. Er sagte zum 1:5: "Das ist kein riesiges Wunder. Das hat sich angebahnt." Ein Satz, so bitter wie der des mexikanischen Nationaltrainers, der nach dem 1:0-Sieg seiner Mannschaft in der WM-Vorrunde 2018 gegen Deutschland meinte, sie hätten seit einem halben Jahr gewusst, wie die Deutschen spielen würden. Eine sich anbahnende 1:5-Niederlage ist ja tatsächlich noch schlimmer als eine gewöhnliche 1:5-Niederlage. Und tatsächlich hat der FC Bayern genauso gegen Eintracht Frankfurt gespielt, wie man es von einer Mannschaft erwartet, die gegen Hoffenheim verliert, gegen Augsburg nicht gewinnt, gegen Union ein 2:1 über die Zeit zittert, beim Zweitligisten Bochum acht Minuten vom Pokal-Aus entfernt ist und dann früh in Unterzahl agiert. Wie ein normales Fußball-Team halt. Aber dieses Fußball-Team, um das es hier geht, ist eben nicht normal, sondern der FC Bayern.

Und dass Kovac den berühmten letzten Trainer-Satz sagen musste, der davon handelt, dass er wisse, wie das Geschäft laufe, ist kein gutes Zeichen. Dass Kovac' Vorgesetzte in Frankfurt alle schwiegen, übrigens auch nicht.

Schon einmal hat Kovac eine schwere Phase beim FC Bayern überstanden, vor genau einem Jahr, damals war ein 3:3 gegen Düsseldorf das schlimmste Krisenspiel. Präsident Uli Hoeneß setzte ihm ein Ultimatum (er sprach damals also immerhin nach dem Spiel), und es heißt, es habe Krisengespräche mit den Führungsspielern gegeben. München gewann dann 5:1 gegen Benfica und stoppte den Absturz. Um fair zu bleiben: Damit rechneten vor einem Jahr auch nur wenige.

Damals argumentierte Kovac, er habe keine Verstärkungen auf dem Transfermarkt bekommen. Die Führungsetage argumentierte, er sei noch nicht so lange Bayern-Trainer und man habe ihm die Rotation ausgeredet. Beide Argumente gelten so nicht mehr: Kovac kann höchstens die schweren Verletzungen der Innenverteidiger Niklas Süle und Lucas Hernandez beklagen - aber schon mit den beiden haben die Münchner regelmäßig zwei Gegentore kassiert. Kovac sieht sich selbst ja vor allem als Trainer, der Wert auf die Defensive legt. In dieser Saison hat der FC Bayern mehr Gegentore kassiert als Union Berlin.

Kovac' Zeit beim FC Bayern ist seit einigen Wochen ein einziger Kampf. Auf fast jeder Pressekonferenz fordert er Respekt ein (für sich), manchmal auch Menschlichkeit, er sieht sich zu hart kritisiert - und je schlechter die Leistungen wurden, desto stärker schob er den Fokus auf die Spieler. Selbstkritik ließ er höchstens sporadisch erkennen. Das kommt in keiner Mannschaft der Welt gut an, und es geht nie ewig gut. Denn am Ende kann der Klub bei Misserfolg nicht die Mannschaft tauschen. Sondern nur den Trainer.

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