FC Bayern nach dem Sieg auf Schalke:Warten auf den Lucky Punch

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Nach dem 2:0 bei Schalke 04 und dem achten Spiel hintereinander ohne Gegentor berauscht sich der FC Bayern an seiner scheinbaren Unantastbarkeit. Kann die Bundesliga diese Münchner stoppen? Es müsste sich einiges für sie glücklich fügen.

Maik Rosner, Gelsenkirchen

Manuel Neuer hatte dann doch noch seine angenehmen Momente bei seiner Rückkehr zu Schalke 04. Auf Wunsch seines Nachfolgers Ralf Fährmann tauschten die beiden Torhüter nach dem Schlusspfiff ihre Trikots. Viele Hände durfte Neuer zudem schütteln, es waren freundschaftliche Gesten, und ganz am Ende sagte sein Nachfolger als Kapitän der Schalker, Benedikt Höwedes: "Ich finde, Manuel hat ganz hervorragende Jahre auf Schalke gehabt. Er hat das eigentlich nicht verdient."

Unbezwingbar? Die Spieler des FC Bayern beherrschen derzeit die Bundesliga wie lange nicht mehr.  (Foto: dpa)

Viel Aufregung hatte der Abschied des Nationaltorwarts im Sommer nach 20 Jahren Vereinsmitgliedschaft ausgelöst. Und ebenso aufgeregt geriet sein erster Auftritt mit dem FC Bayern in der Schalker Arena, in der jeder Ballkontakt des 25-Jährigen mit lautstarken Pfiffen und Schmährufen begleitet worden war. Neuer ließ sich jedoch nichts anmerken und spielte ebenso wie die übrigen Profis des FC Bayern mit beinahe meisterlicher Kühle. 2:0 (1:0) gewannen die Münchner nach den Toren von Nils Petersen (21.) und Thomas Müller (75.).

"Ich wusste ja, was mich erwarten wird. Wenn man sich darauf einstellt, geht das teilweise da rein und da raus", sagte Neuer später einigermaßen erleichtert: "Ich bin froh, dass wir gewonnen haben und dass das Spiel jetzt vorbei ist."

Es war erneut ein Verdienst der gesamten Mannschaft des FC Bayern, dass die zuweilen üblen Beschimpfungen und Plakate gegen Neuer nur kurz als Hauptthema taugten. Als "geschmacklos" stufte Trainer Jupp Heynckes zum Beispiel jenes Spruchband ein, das über die gesamte Breite der Nordkurve gespannt war, dort, wo der harte Kern der Schalker Fans steht. "Wir trauern um M. Neuer - gestorben zwischen 2005 und 2011 - wiederauferstanden als charakterlose Marionette", war dort zu lesen.

"Manuel ist ein super Mensch", hielt Heynckes einigermaßen erzürnt fest. Neuer als charakterlos zu bezeichnen, sei nun wirklich "absolut unpassend": "Manuel ist eine große Persönlichkeit. Er ist besonnen, cool und kann auch noch gut Fußball spielen", lobte Heynckes und erinnerte an den jüngsten Pokalsieg der Schalker, der ohne Neuer seiner Ansicht nach kaum möglich gewesen wäre. Auch Schalkes Sportdirektor Horst Heldt rang sich durch, die Schmähungen und das Plakat als "grenzwertig" einzustufen.

Doch mit Appellen an die Vernunft war den aufgebrachten Schalker Fans nicht beizukommen. Es bedurfte schon eines Spiels, das die sportliche Überlegenheit der Münchner vor allem in der zweiten Halbzeit dokumentierte, um sie einigermaßen zu beruhigen. Es wurde dann tatsächlich für einige Minuten sehr still in der Schlussphase, als die Bayern nach Müllers erstem Saisontor, dem entscheidenden 2:0, Ballpassagen wie im Training vorführten. Hätten die Münchner ihre Chancen besser genutzt, es wäre auch eine weitaus größere Demütigung möglich gewesen. Allein Petersen, der erstmals von Beginn an zum Einsatz kam, weil Mario Gomez nur verletzt zuschauen konnte, hätte frühzeitig die Entscheidung herbeiführen können.

Bayern in der Einzelkritik
:Wie der Jetstream

Manuel Neuer wird von den Schalker Fans als Öffnung des Hinterteils, biblischer Verräter oder Sohn einer Dame aus dem Rotlichtmilieu beschimpft. Rafinha schießt höher als weit, Ribéry wirbelt wie ein Flugzeug und Timoschtschuk wird zum Forschungsobjekt von Jupp Heynckes. Die Bayern beim 2:0 auf Schalke in der Einzelkritik.

Maik Rosner, Gelsenkirchen

Doch auch so berauschten sich die Bayern an ihrer scheinbaren Unantastbarkeit dieser Tage, und Heynckes lobte die kompakte und spielerisch reife Leistung ausführlich: "Das war die beste Saisonleistung, in der zweiten Halbzeit haben wir außergewöhnlich gut gespielt. Wir haben den Gegner im Griff gehabt. Das ist großer Fußball." Sein Fazit nach sechs Ligaspielen, fünf Siegen und 18:1-Toren: "So kann es weitergehen."

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Maik Rosner, Gelsenkirchen

Ein bisschen wirkte es dabei am Sonntagabend, als seien zwei Boxer unterschiedlicher Gewichtsklassen gegeneinander angetreten. In der königsblauen Ecke der Herausforderer aus dem Halbschwergewicht der Bundesliga, in der roten Ecke der im Vorjahr entthronte und nun wiedererstarkte Schwergewichts-Champion. Anfangs, als beide Mannschaften noch gleichermaßen gut bei Kräften waren, hatte Schalke tatsächlich ein paar Chancen für einen Treffer, vor allem Klaas-Jan Huntelaar. Und einmal musste Neuer auch einen Torschuss parieren, als sich Christian Fuchs aus der Distanz versuchte. Doch der Lucky Punch blieb aus, jener glückliche Treffer im Boxen, dessen es wohl derzeit auch gegen die Bayern im Fußball bedarf, um ihre Rekordjagd zu beenden.

Der Liga bleibt wohl derzeit nichts anderes übrig, als auf einen solchen Moment glücklicher Fügung zu warten. Trösten kann sich die Liga vielleicht mit der Erfahrung aus der Vergangenheit, dass jede Mannschaft im Verlauf einer Saison einmal eine schwächere Phase durchlebt.

Doch derzeit berauschen sich die Münchner selbst an ihren beinahe historischen Zwischenbilanzen. 23:0-Tore haben sie wettbewerbsübergreifend angehäuft, acht Zu-null-Siege in Folge sind zusammengekommen. Erst ein Gegentor mussten sie in dieser Saison hinnehmen, ein neuer Vereinsrekord. Und ein Torverhältnis von plus 17 nach sechs Spieltagen, hat der Kicker nachgeschlagen, brachten die Münchner zuletzt in der Saison 1972/73 zustande. "Es ist zurzeit einfach ein schönes Gefühl. Irgendwie kämpfen wir auch für die Serie", sagte Müller beglückt.

Besorgniserregend aus Sicht der Konkurrenz ist auch, dass der Tabellenführer sehr gut ohne wichtige Spieler zurechtkommt, weil die Mannschaft die Heynckes-Lehre schnell verinnerlicht hat. Neben Torjäger Gomez fehlte bei Schalke ja auch Arjen Robben wegen seiner Schambeinentzündung. Doch der Niederländer steigert derzeit die Belastung, und Heynckes hofft, dass der Flügelkünstler am kommenden Samstag gegen Bayer Leverkusen oder drei Tage später in der Champions League gegen Manchester City wieder mitwirken kann.

Ivica Olic sollte zudem am Montag mit dem Lauftraining beginnen, in 14 Tagen möchte der Kroate wieder auf dem Platz stehen. Heynckes machte der Liga wenig Hoffnung. "Natürlich wird das noch besser gehen, wenn Arjen Robben, Mario Gomez, Breno und Ivica Olic wieder zur Verfügung stehen", sagte er. Vielleicht sollte sich die Liga mit einem Lucky Punch beeilen.

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