FC Bayern nach dem Sieg gegen Stuttgart:Kuscheln vor dem Konkurrenzkampf

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Nach dem rauschhaften 6:1 gegen den VfB Stuttgart beschwören die Bayern den Teamgedanken. Der mannschaftsinterne Konkurrenzkampf wird sich nach der Länderspielpause allerdings erheblich verschärfen. Nicht alle dürften damit so altruistisch umgehen wie der vom Martínez-Einkauf bedrohte Luiz Gustavo.

Maik Rosner

Luiz Gustavo beendete seinen Dienst zum Wochenausklang bestens gelaunt. Beschwingt schritt er aus der Kabine, nach diesem rauschhaften 6:1 des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart, und machte dabei so gar nicht den Eindruck, dass er seinen Frohsinn beim Gedanken an seine Zukunft verlieren könnte. "Ich bin seit eineinhalb Jahren hier und habe immer Druck bekommen. Das bin ich gewohnt", sagte der Brasilianer also betont gelassen, "ich bin ganz ruhig und mache jeden Tag meine Arbeit."

Grüße nach ganz oben: Bayerns Torschütze Luiz Gustavo (li.) dankt nach seinem Treffer dem Fußballgott - im Team scheint es derzeit zu stimmen. Noch.  (Foto: dpa)

Der 25-Jährige aus der Stadt Pindamonhangaba im brasilianischen Bundesstaat São Paulo hat dann noch ein bisschen über sein Tor gesprochen, über das 3:1, als er aus fast 30 Metern seine ganze Präzision in seinen linken Fuß gelegt hatte. Vor allem aber sprach er über das, was seinem schönen Fernschusstreffer gefolgt war. Zur Bank war er ja gelaufen, zu den Ersatzspielern, und hatte mit ihnen ein Knäuel gebildet, in dem nur strahlende Gesichter zu erkennen waren.

Trainer Jupp Heynckes feixte ein paar Meter abseits und beobachtete das Gruppenkuscheln seiner Profis wohlwollend. "Das ist eine gute Truppe, wir haben ein geiles Team", sprudelte es nach dem Spiel aus Gustavo heraus. Und: "Das war ein Jubel für die ganze Mannschaft." Er lächelte, ganz so, als habe es die 40 Millionen Euro schwere Investition der Münchner namens Javier Martínez in sein Ressort nie gegeben.

Der "Martínez-Effekt" stachelt die Konkurrenten an

Gustavo ist im Winter 2011 von 1899 Hoffenheim zu den Bayern gewechselt, für 17 Millionen Euro. Weitere eineinhalb Jahre zuvor war für das defensive Mittelfeld bereits Anatoli Timoschtschuk aus St. Petersburg für elf Millionen Euro gekommen. Und nun also Martínez von Athletic Bilbao, der teuerste Transfer in der Geschichte des deutschen Fußballs. Er wird künftig Gustavos Platz im defensiven Mittelfeld beanspruchen, den Timoschtschuk schon verloren hat. Martínez war nach seiner kurzfristigen Ankunft in München diesmal ausnahmsweise nur für die letzten 13 Minuten eingewechselt worden - eingeplant ist er verbindlich als Stammkraft.

Da der Kader nicht nur mit dem spanischen Nationalspieler verstärkt wurde, sondern auch mit den Stürmern Mario Mandžukić und Claudio Pizarro, mit Xherdan Shaqiri im offensiven Mittelfeld und mit Dante in der Abwehr, dürfte es nach der Länderspielpause einen ziemlich intensiven Konkurrenzkampf um die Plätze in der Startelf geben. Zurückerwartet werden peu à peu ja auch die noch verletzten Mario Gomez und David Alaba, zwei arrivierte Stammkräfte der vergangenen Saison.

Von einem Martínez-Effekt auf die gesamte Mannschaft war schon während des Spiels gegen Stuttgart gesprochen worden. Und besonders in Erscheinung getreten waren ja tatsächlich vor allem jene Profis, die durch den 24-Jährigen oder die zu erwartenden Umbauten um ihren Status fürchten müssen. Thomas Müller hatte in der 32. Minute nach Martin Harniks 0:1 (25.) den Ausgleich erzielt, Toni Kroos das Spiel weitere 73 Sekunden später gedreht (33.), noch vor dem Halbzeitpfiff erhöhte Gustavo (43.).

FC Bayern in der Einzelkritik
:Ahs und Ohs für Javier Martínez

Der FC Bayern bereitet seinem Neuling einen freudigen Einstand: Franck Ribéry überzeugt im Krabbeltraining, Jérôme Boateng bekommt den Zorn der Stuttgarter zu spüren, Luiz Gustavo feiert seinen Abschied als Münchner Stammspieler. Die Bayern beim 6:1 gegen Stuttgart in der Einzelkritik.

Maik Rosner

Alle drei spielten besonders gut an diesem für die Liga furchteinflößenden Abend. Nach der Pause genügten den Bayern vier Minuten für die weiteren drei Tore. Mandžukić (47.), erneut Müller (49.) und schließlich Bastian Schweinsteiger (51.) füllten die Torschützenliste bei der Gala. Partystimmung allerorten, selbst oben auf der Tribüne, wo der verschnupfte Arjen Robben die Kollegen beklatschte. Den Niederländer, der in der vergangenen Saison noch wegen einiger egozentrischer Züge kritisiert worden war, zog Heynckes nun als leuchtendes Beispiel für den neuen Teamspirit heran.

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:Ahs und Ohs für Javier Martínez

Der FC Bayern bereitet seinem Neuling einen freudigen Einstand: Franck Ribéry überzeugt im Krabbeltraining, Jérôme Boateng bekommt den Zorn der Stuttgarter zu spüren, Luiz Gustavo feiert seinen Abschied als Münchner Stammspieler. Die Bayern beim 6:1 gegen Stuttgart in der Einzelkritik.

Maik Rosner

"Er hat zu mir gesagt: 'Trainer, ich fühle mich nicht gut. Wir haben eine so gute Mannschaft, da ist es besser, wenn einer spielt, der fit ist'", berichtete Heynckes und schloss daraus: "Das zeigt den Geist der Mannschaft." Doch das bessere Beispiel für altruistisches Verhalten ist eigentlich Gustavo. Er werde auch dann nicht murren, wenn er nicht spielen sollte, beteuerte der Brasilianer, "wichtig ist nur die Mannschaft". Schon in der Vergangenheit hatte Gustavo zuweilen mit der Rolle des Reservisten Vorlieb nehmen müssen. Und er tat dies so, wie er sich das auch für die Zukunft vorgenommen hat: klaglos.

In der Vergangenheit stets gesetzt war dagegen Schweinsteiger, der gegen Stuttgart erstmals seit dem verlorenen Finale in der Champions League wieder in der Startformation gestanden hatte und sich über den ersten schmerzfreien Auftritt seit Februar freute. Nach seiner geglückten Rückkehr dürfte sich an seinem Status nichts ändern. Heynckes jedenfalls ließ wenig überraschend durchblicken, dass er künftig auf Martínez und Schweinsteiger vor der Abwehr setzen will.

Der Geist von Pindamonhangaba

"Was Bastian heute angedeutet hat, zeigt mir, dass der FC Bayern nur mit einem sehr guten Schweinsteiger erfolgreich sein kann", befand der Trainer. Sehr viel Trainingsarbeit für das erhoffte Traumpaar auf der sogenannten Doppelsechs kündigte Heynckes für die zwei spielfreien Wochen an, was bedeutet, dass sie sich einstimmen sollen auf ihr gemeinsames Wirken.

Schweinsteiger hat es mit Freude vernommen. Er weiß, wie viel Wertschätzung ihm im Verein entgegen gebracht wird. "Bayern München hat sehr hohe Ziele, dafür braucht man einen großen Kader", sagte er und schloss beinahe staatsmännisch: "Jeder, der zum Einsatz kommt, gibt sein Bestes. Es ist schön, wenn jeder sein Erfolgserlebnis feiern kann."

Das klang für den Profifußball mit all seinen Eitelkeiten verdächtig kitschig, und Schweinsteiger hat ja auch gut reden. Er darf davon ausgehen, nur selten als Härtefall auf der Bank zu sitzen. Bei vielen anderen ist schon eher die Frage, wie lange sie den Geist von Pindamonhangaba so mittragen werden wie Gustavo.

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