FC Bayern:Lewandowski ist wieder allein

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  • Nach dem Abschied von Sandro Wagner ist Robert Lewandowski im Sturm des FC Bayern wieder auf sich alleine gestellt.
  • Noch vor zwei Jahren analysierten sowohl Klub als auch Lewandowski selbst das Fehlen eines zweiten Stürmers als Schwachstelle.
  • Nun hat Niko Kovac nur noch taktische Experimente als Optionen, sollte der Pole nicht spielen.

Von Martin Schneider

Streng genommen begann die Geschichte von Sandro Wagner beim FC Bayern mit der Schulter von Robert Lewandowski. Auf diese Schulter, die rechte, fiel Lewandowski in einem Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund und ein paar Tage später fehlte er dann verletzt im wichtigeren Champions-League-Spiel gegen Real Madrid. Das Hinspiel verpasste er, im Rückspiel musste er vor der entscheidenden Verlängerung ausgewechselt werden - Bayern schied aus.

Das war 2017, Carlo Ancelotti war noch Trainer, später hieß es, Lewandowski habe sogar mit einem Bänderriss in der Schulter gespielt. Eine Bestätigung gab es nie, aber wer ihn im Rückspiel beobachtete, sah einen Angreifer, der jedem harten Zweikampf aus dem Weg ging. Der FC Bayern hatte aber keine Wahl. Es war kein anderer Stürmer da.

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Der Bank-Stürmer habe um die Vertragsauflösung gebeten, sagt Sportdirektor Salihamidzic. Bei Tianjin Teda soll der frühere Nationalstürmer ein zweistelliges Millionengehalt beziehen.

Ein paar Monate später merkte dann Robert Lewandowski selbst an, dass es so nicht weitergehe. In einem Interview mit der SportBild sagte er: "Jeder Spieler braucht seine Pausen, um Zeit für seine Ruhephasen zu finden." Und: "Thomas Müller kann natürlich auch vorne im Sturmzentrum spielen, doch wenn er wie zuletzt verletzt ist, wird die Situation im Angriff schwierig." Und weiter: "Es wäre schon von Vorteil, in der entscheidenden Saisonphase eine Alternative auf der Bank zu haben."

Das war die Analyse im Dezember 2017. Zwei Jahre nachdem der sympathische Claudio Pizarro 2015 den Verein verließ, forderte der Stürmer Nummer eins einen Stürmer Nummer zwei. Und der FC Bayern folgte dieser Argumentation. Der Klub kam auf Sandro Wagner und irgendwie schien das auch alles zusammenzupassen. Wagner ist Münchner, spielte einst in der FC-Bayern-Jugend, hatte als Referenz zwei gute Saisons in Darmstadt und Hoffenheim vorzuweisen und sagte brav bei seiner Verpflichtung, dass er schon wisse, warum man ihn geholt habe. Als zusätzliche Option. Als eine Art Ersatztorwart, nur eben im Sturm.

Unter dem Trainer Jupp Heynckes funktionierte das Modell auch wie angedacht. Wagner spielte in der Bundesliga von Beginn an gegen Mainz, Wolfsburg, Freiburg, Augsburg und später auch gegen Mönchengladbach - also gegen Gegner, bei denen der FC Bayern denkt, dass es auch ohne Lewandowski reicht. Er traf achtmal und auf der Bank beschwerte er sich nicht.

Nun hat sich die Lage geändert. Der große Moderator Jupp Heynckes ist weg, Niko Kovac ist da und der FC Bayern hat sechs Punkte Rückstand auf Borussia Dortmund. Bundesliga-Spiele, die der Klub locker angehen kann, gibt es nicht mehr. Jeder Punktverlust könnte das Ende der Meisterschaft bedeuten - also spielt Robert Lewandowski immer. Und Kovac signalisierte, dass er selbst auf die Option Sandro Wagner keinen Wert mehr legt. Wagner spielte in der Hinrunde nur gegen Augsburg, vergab in dem Spiel einige Torchancen, der FC Bayern spielte 1:1 - es war der Beginn einer Pleitenserie. In der Rückrunde berief Kovac Wagner nicht mal mehr in den Kader. Also geht Wagner nun nach China und das Verb "flüchten" ist in diesem Zusammenhang sicher nicht falsch.

Vielleicht ist Kovac sogar froh, dass er einen Unzufriedenen weniger zu moderieren hat (auch der Kolumbianer James ist mit seiner Situation nicht wirklich zufrieden). Aber die taktische Möglichkeit "zweiter Stürmer" ist damit weg, außer natürlich, Hasan Salihamidzic präsentiert noch bis zum Ende des Transferfensters am Donnerstag, 18 Uhr, einen Ersatz. Aktuell sieht es nicht danach aus.

Dass die sportliche Führung der Münchner auf diese Option verzichtet, ist insofern erstaunlich, als dass die Analyse von Lewandowski von 2017, dass jeder Spieler seine Pausen brauche, ja zwei Jahre später nicht falscher geworden ist. Vielleicht mit dem kleinen Unterschied, dass der damalige Lewandowski noch Wechselabsichten in sich trug und der jetzige Lewandowski mit dem Kopf voll beim FC Bayern ist.

Sollte der Pole aber nun Ruhepausen brauchen oder einfordern, hat Niko Kovac nur noch Thomas Müller und Serge Gnabry. Müller hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass er die Rolle als zentraler Stürmer eher ungewöhnlich interpretiert (er bewegt sich trotzdem auf seinen Müller-Pfaden über das Spielfeld) und Gnabry hat diese Rolle zwar schon in der Nationalmannschaft gespielt, wäre aber trotzdem das immer noch taktisch eher ambitionierte Experiment "falsche Neun" - was Niko Kovac beim FC Bayern noch nie hat spielen lassen. Ein noch größeres Experiment wäre Leon Goretzka, der als Zehner oder Achter immerhin eine erstaunliche Torgefahr entwickelt, aber selbst im weiteren Sinne nicht als Stürmer durchgeht.

Das kann alles schon funktionieren - aber wird genau dann zum Problem, wenn Robert Lewandowski wieder auf die Schulter fällt. Das Risiko wollte der FC Bayern im Dezember 2017 ausschließen. Im Januar 2019 will er es wieder eingehen.

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