FC Bayern und Katar:Ein Antrag, der einen Nerv trifft

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Fans in der Münchner Südkurve, wo viele der organisierten Anhänger stehen, protestierten ausdauernd gegen das Sponsoring von Qatar Airways. Auf dem Plakat sind Oliver Kahn (links), ehemaliger Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, und Herbert Hainer, aktueller Präsident des Vereins, zu sehen. (Foto: Markus Ulmer/Ulmer Pressebildage/imago)

Ein Jahr vor der WM ist das Thema Katar auch beim FC Bayern wieder oben auf der Agenda: Ein Fan will auf der Jahreshauptversammlung über die Zukunft des Sponsorings abstimmen lassen.

Von Sebastian Fischer

Oliver Kahn war mal der Grund, dass Michael Ott zum Bayern-Fan wurde. Als Kind habe er im Fernsehen die Weltmeisterschaft 2002 geschaut, er sah die Paraden des damaligen Torwarts, die Deutschland bis ins Finale führten. 2007 habe er sich als Mitglied beim FC Bayern angemeldet, vor allem um später an Karten für Kahns Abschiedsspiel zu gelangen, so erzählt er es am Donnerstag am Telefon. Da ist der Rechtsreferendar Ott, 28, längst zu einem Fan geworden, der gegen die Geschäfte der FC Bayern AG und deren Vorstandschef Kahn opponiert.

Bereits Ende Oktober hat er einen Antrag zur Jahreshauptversammlung eingereicht, in dem es heißt, der FC Bayern e. V. möge auf die FC Bayern AG einwirken, "dass Sponsoringverträge mit Qatar Airways oder anderen, mehrheitlich im Eigentum des Emirats Katar stehenden Unternehmen zum nächstmöglichen Zeitpunkt auslaufen gelassen werden und nicht verlängert oder neu abgeschlossen werden". Der Sponsoring-Deal sei mit den Werten des Vereins nicht vereinbar.

Doch sein Antrag war am Donnerstag, eine Woche vor der Versammlung, vom Verein noch nicht zugelassen worden. Und so zeigte Ott, dass es ihm ernst ist: Am Donnerstagabend reichte er beim Amtsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstwilligen Verfügung ein, um eine Abstimmung der Mitglieder über seinen Antrag zu erzwingen. Davor hatte er innerhalb weniger Stunden Spenden in Höhe von mehr als 5000 Euro für mögliche Gerichtskosten gesammelt. 3000 Euro waren das Ziel gewesen. Auch wenn sein Antrag vom Amtsgericht am Freitag abgelehnt wurde, und über eine mögliche Beschwerde nun das Landgericht entscheiden müsste - sein Anliegen hat offenbar einen Nerv getroffen.

Sogar der Zentralrat der Juden kritisiert den FC Bayern

Die Lage im Ausrichterland Katar ist ein Jahr vor Beginn der WM 2022 wieder in den Fokus gerückt. Die Organisation Amnesty International stellte am Montag ihren neuen "Reality Check" zur Lage der Menschenrechte im Emirat vor: Fortschritte würden stagnieren, "alte missbräuchliche Praktiken" wiederauftauchen. Das angeblich abgebaute Kafala-System für Arbeitsmigranten? "Ausbeutung in massivem Ausmaß" ginge weiter. Weiterhin gibt es keine fundierte Aufklärung über die Ursachen für viele Todesfälle auf WM-Baustellen.

Am Montagabend trat WM-OK-Chef Hassan al-Thawadi in Berlin bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf. Organisiert hatte das Event eine PR-Agentur im Auftrag Katars. Al-Thawadis Botschaft: Wir begrüßen konstruktive Kritik, wir wissen, dass nicht alles perfekt ist, aber wir haben viel zum Guten verändert - und die Vergabe der WM war ein wichtiger Katalysator dafür, vor allem bei der Verbesserung von Arbeitsrecht und Arbeitsbedingungen.

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Als am Mittwoch die Gruppenphase der WM-Qualifikation vorüber war, kündigte Dänemarks Nationalteam an, die WM-Teilnahme zu nutzen, um auf die Lage in Katar hinzuweisen. Zwei Sponsoren wollen auf ihre Logos auf den Trikots verzichten, um Platz für politische Botschaften zu geben.

Gleichzeitig ist das Thema seit Otts Antrag auch beim FC Bayern wieder oben auf der Agenda. Beim Heimspiel gegen Freiburg hissten Fans der Gruppierung "Munich's Red Pride" ein riesiges Banner, das Kahn und Präsident Hainer mit blutiger Kleidung und dem Slogan "Für Geld waschen wir alles rein" zeigte. Im SZ-Interview stützte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, den Antrag und kritisierte den Verein für die Geschäfte mit dem Emirat. Und so wirkt Otts Engagement tatsächlich wie ein ernst zu nehmender Versuch, das letzte Kapitel einer für den deutschen Rekordmeister unrühmlichen Geschichte einzuläuten.

Die Geschäfte mit Katar erzürnen auch die FC-Bayern-Fans in der Südkurve. (Foto: Bernd Feil/Imagobek)

Kritik an den Geschäftsbeziehungen der Bayern mit Katar, oft in Form von Plakaten in der Fankurve, gibt es seit Jahren. Seit 2011 veranstaltet der Verein sein Wintertrainingslager in Doha, seit 2018 ist Qatar Airways ein Trikotsponsor, der Vertrag läuft bis 2023. Dem "Fass den Boden ausgeschlagen", sagt Ott, habe eine Podiumsdiskussion Anfang 2020, zu der Fans Arbeiter aus Katar nach München eingeladen hatten, der FC Bayern die Einladung jedoch ablehnte. Er habe sich für seinen Verein geschämt, sagt Ott, der in Mainz wohnt und die Medienberichte verfolgte.

Der FC Bayern verteidigt die Geschäfte seit Jahren ähnlich: Man suche den vertraulichen Dialog über gesellschafspolitische Themen mit seinen Partnern, die Bundesregierung habe den Mittelstand zu Geschäftsbeziehungen mit dem Emirat ermutigt, außerdem habe sich Katar von allen arabischen Staaten am meisten verbessert. Eher neu war, dass der ehemalige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge jüngst im Interview mit dem WDR offen sagte, der Vertrag habe dem Verein "gutes Geld" gebracht, das für die Bezahlung von "Qualität auf dem Platz" wichtig sei. Von 20 Millionen Euro jährlich ist die Rede.

Schon seit dem Vorjahr beschäftigte das Thema den Klub auch vor Gericht, zumindest indirekt. Ein Fan hatte gegen ein Hausverbot für die Anlagen des Klubs geklagt. Er hatte es erhalten, als Anhänger bei einem Spiel der zweiten Mannschaft ein nicht genehmigtes Transparent zeigten, mit dem sie gegen Montagsspiele protestierten. Er war beteiligt, wurde aber als einziger bestraft. Der Fan vermutete darum eine Retourkutsche für seine kritische Haltung. Denn er war auch Mitorganisator der Katar-Veranstaltung 2020, zu der der FC Bayern nicht erschien. Und er hatte 2019 einen damals abgelehnten Satzungsänderungsantrag bei der Jahreshauptversammlung einbringen wollen, der den FC Bayern zur Achtung der Menschenrechte verpflichten sollte. Sein Satzungsänderungsantrag wurde diesmal in leicht abgewandelter Form angenommen. Seine Klage gegen das Hausverbot wurde abgewiesen, er hat Berufung eingelegt. Er wird von Fan-Anwalt Andreas Hüttl vertreten, genau wie nun Ott.

Es gibt auch Fans, die den Katar-Deal nicht kritisch sehen

Fragt man beim FC Bayern, warum dessen Antrag noch nicht zugelassen wurde, heißt es, den Verein habe " eine Vielzahl von Anträgen" erreicht. Der Entscheidung über deren Zulässigkeit gehe "eine juristische Prüfung voraus". Zunächst seien alle "die Satzung betreffenden Anträge geprüft" worden, diese wurden am 11.11. bekannt gegeben. "Zurzeit werden die weiteren eingegangenen Anträge geprüft."

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Ott nennt das Verhalten des Vereins, "dreist" und "feige". Er habe dem FC Bayern den Antrag fristgerecht vor mehr als drei Wochen mit Bitte um Bestätigung der Zulassung geschickt. Am Dienstag erhielt er nach weiterer Nachfrage und einer Klageandrohung mit Frist für Mittwoch eine Mail von Benjamin Folkmann, dem Geschäftsführer des FC Bayern e. V.: Man werde sich nach der Prüfung des Antrags bei ihm melden. Ott vermutet eine "Hinhaltetaktik". Der Verein versuche, auf Zeit zu spielen.

Ob der Antrag eine Mehrheit finden würde, sollte er zugelassen werden, ist die nächste Frage. Es gibt wohl auch Bayern-Fans, die von der sturen Katar-Kritik eher genervt sind. Manche, heißt es, störe auch die bisweilen drastische Form der Kritik. Bernd Hofmann, 72 Jahre alt und Präsident des größten Bayern-Fanklubs "Nabburg/Oberpfalz", sagt, dass er den Antrag nicht unterstützen werde. Zum Sponsoring-Deal sagt er: "Ich sehe es nicht kritisch." Er erzählt von Baustellenbesichtigungen und vielen Gesprächen mit Einheimischen, als er den Verein ins Trainingslager begleitete. Dreimal sei er mit dem Fanklub dort gewesen. Seitdem habe er eine andere Meinung zu Katar. Er sei überzeugt, sagt er: "Durch die öffentliche Aufmerksamkeit wird es besser."

Ott dagegen ist zuversichtlich, dass er die Mehrheit der Fans hinter sich hat. "Die Rückmeldungen sind überwältigend", sagt er. Der Zuspruch komme von verschieden Seiten: Ultras, Fans anderer Klubs - selbst ein Frankfurter Banker habe ihm geschrieben.

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