FC Bayern:Kapitän auf Krücken

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Der nächste Verletzte: Phillip Lahm fehlt dem FC Bayern aufgrund eines Bruchs des oberen Sprunggelenks drei Monate. (Archiv) (Foto: REUTERS)

Bruch des oberen Sprunggelenks: Philipp Lahm verletzt sich im Training schwer und ist der achte Ausfall beim FC Bayern. Der Klub rechnet mit einer Pause von drei Monaten - Xabi Alonso muss mehr denn je für Balance im Mittelfeld sorgen.

Von Christof Kneer, München

Philipp Lahm kann als Fußballer fast alles, nur eine Qualität fehlt ihm: Er ist kein besonders guter Verletzter. Er hat allerdings auch nur selten üben können, wie das geht: verletzt zu sein. Man erinnert sich kaum mehr, dass Lahm das Fußballjahr 2005 fast komplett verpasst hat, einem Mittelfußbruch folgte ein Kreuzbandriss, und im Mai 2006 hat sich die Nation wegen einer Ellbogen-Verletzung vorübergehend Sorgen gemacht - aber seitdem gehört Lahm so selbstverständlich zu einem Fußballspiel wie der Anpfiff.

Erst im Jahr 2014 ist Philipp Lahm nun wieder zum Patienten geworden, es ist ein Jahr, auf das der Bayern-Kapitän in ein paar Wochen mit gemischten Gefühlen zurückblicken wird. Er hat eine Sprunggelenksblessur aus dem Pokalfinale auf den letzten Metern gerade noch so auskuriert, dass es zur Teilnahme an jener Fußball-WM gereicht hat, die er als Filmstar und Weltmeister verlassen hat. Diese Verletzung hat ihm mehr zu schaffen gemacht als allgemein bekannt war, selbst bei den ersten Trainingseinheiten in Brasilien hat er noch gefürchtet, den WM-Auftakt zu verpassen. Und jetzt, vier Monate nach dem WM-Finale, diese herbe Nachricht: Am Dienstag hat sich Lahm im Training einen Bruch des oberen Sprunggelenks zugezogen, ohne gegnerische Einwirkung.

Verletzung beim FC Bayern
:Lahm fällt bis Februar aus

Der Kapitän wird dem FC Bayern monatelang fehlen. Beim Training verletzt sich Philipp Lahm schwer und wird mit einem Golfcart vom Platz gefahren. Die Diagnose: Bruch des oberen Sprunggelenks.

Es ist dasselbe rechte Sprunggelenk wie im Mai, aber einen Zusammenhang zwischen der einen und der anderen Verletzung schließen die Verantwortlichen aus. Wenn einer zwischenzeitlich vier Monate beschwerdefrei spiele, heißt es, könne man unmöglich von einer Folgeblessur sprechen.

Es waren dramatische Bilder, die am Dienstag um die Mittagszeit von der Säbener Straße übermittelt wurden: Lahm, wie er niedersinkt und die Hände vors Gesicht schlägt; wie die Mitspieler sich über ihn beugen und ihn auf einen Golfwagen heben; und wie er später auf Krücken die Praxis von Teamarzt Müller-Wohlfahrt verlässt. Lahm werde nun "zeitnah" operiert werden, meldet der Verein, und im Klub gehen sie davon aus, dass sie etwa drei Monate ohne ihren Kapitän auskommen müssen.

Es wird für Trainer Pep Guardiola nur ein geringer Trost sein, dass in diese Zeit wenigstens auch die Winterpause fällt. Der Trainer, der Lahm für den spielintelligentesten Profi dieser und auch anderer Welten hält, kann sich zurzeit höchstens mit dem Gedanken aufmuntern, dass sein wichtigster Spieler mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zur Verfügung steht, wenn es ernst wird in allen relevanten Wettbewerben - im März, im April, im Mai.

Aktuell bleibt dem Trainer nichts anderes übrig, als ausgerechnet dort den Mangel zu verwalten, wo das Spiel für ihn erst zum Spiel wird: im zentralen Mittelfeld. Neben Lahm fehlt ihm bekanntlich auch der Spanier Thiago, der zweite Profi, der diesen speziellen, radikal flexiblen Pep-Fußball im Blut hat; und Thiagos Verletzungsgeschichte (drei Innenbandrisse hintereinander) ist so komplex, dass bei Bayern keiner eine konkrete Prognose wagt.

Auch David Alaba, den Guardiola zu einer Art stellvertretendem Abteilungsleiter in der Zentrale befördert hat, muss wegen einer Innenbandblessur bis nach der Winterpause passen. Und bevor man das vergisst: Javi Martínez (Kreuzbandriss), Holger Badstuber (Muskelsehnenriss), Claudio Pizarro (Muskelverletzung) sowie die Ersatzkeeper Tom Starke (Syndesmoseband) und Pepe Reina (Muskelverletzung) sind zurzeit ebenfalls vom Sport befreit. Und Bastian Schweinsteiger ist gerade erst zurück .

Externe Experten werden zu dem Schluss kommen, dass Bayerns Kader immer noch edel genug ist, um sämtliche anderen Teams in sämtlichen anderen Ligen in den Wahnsinn zu treiben, aber für den Trainer sind die ständigen Schauernachrichten eine große Sache. Guardiola ist kein reiner Ergebnistrainer; sein Weg ist es, das Team taktisch so zu beeinflussen, dass die Ergebnisse am Ende automatisch glücklich machen. Spätestens nach Lahms Verletzung wird er aber erst mal Ergebnistrainer sein müssen, er ahnt, dass er echten Pep-Fußball ohne Lahm, Thiago und den gewechselten Toni Kroos nicht spielen kann. Er muss seinen Kader jetzt erst mal seriös durch die nächsten Monate bringen. Xabi Alonso wird nun noch mehr als ohnehin die Balance im Team garantieren müssen, auch Schweinsteiger dürfte demnächst wieder mit lenken, und der Rest der Liga wird sich jetzt auch mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass der umworbene Pierre-Emile Hojbjerg, 19, wohl erst mal nicht zu haben sein wird. Auch ihn braucht Guardiola nun in der Zentrale.

Immerhin hat der Trainer am Ende auch die zweite Nachricht dieses Tages registriert, sie ging hinter der großen Verletzungsnachricht etwas unter. Der Doktor Müller-Wohlfahrt, mit dem Guardiola schon so manchen Konflikt ausgetragen hat, war am Dienstag brav in seiner Münchner Innenstadt-Praxis, er war nicht mit der Nationalmannschaft in Spanien. Guardiola stört ja unter anderem, dass der prominente Doktor nicht so greifbar ist wie die spanischen Klubärzte, die traditionell auf dem Klubgelände untergebracht sind. Das könnte nun ein Kompromissmodell sein: Müller-Wohlfahrt geht künftig nicht mehr so häufig mit dem DFB auf Tour, diesmal hat er schon einen Stellvertreter nach Vigo geschickt. Dr. Jochen Hahne, Teamarzt der Bayern-Basketballer, reist zum ersten Mal mit der Fußball-Nationalmannschaft.

© SZ vom 19.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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