FC Bayern in der Krise:Der WM-Blues

Lesezeit: 2 min

Nach einer rauschenden Saison hat sich der FC Bayern schon häufiger schwergetan. Gerade die Granden Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß wissen aus eigener Erinnerung um die Gefahr.

Thomas Hummel

Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge: Alle drei wissen, wie dem FC Bayern München so ein miserabler Start widerfahren kann. Sie haben es selbst erlebt. Nach sieben Spielen schafften die drei es mit ihrer Mannschaft in der Saison 1974/75, auf dem gleichen zwölften Platz zu landen wie ihre aktuellen Nachfolger. Übrigens setzte es damals bis zu diesem Zeitpunkt Niederlagen in Offenbach (0:6!), Wuppertal und Braunschweig sowie eine Heimpleite gegen Schalke 04.

Chefbubi trifft auf Vorbeischießer: die Elf des Spieltags. (Foto: dapd)

Die Parallele zwischen diesen 36 Jahre entfernt liegenden Ereignissen? Viele Bayern-Spieler erlebten zuvor eine fast rauschhafte Saison. 1974 gewannen die Münchner die Meisterschaft, standen im Halbfinale des DFB-Pokals, siegten zum ersten Mal im Europapokal der Landesmeister. Und als Krönung holten sechs Bayern-Spieler auch noch den WM-Pokal im Finale gegen die Niederlande.

Der letzte, ganz große Triumph in Johannesburg blieb den Bayern-Profis im Jahr 2010 vorenthalten. Auch die Champions League konnten sie nicht gewinnen. Dennoch war es für Butt, Badstuber, Lahm, Schweinsteiger, Müller, Klose und Gomez sowie für die Holländer van Bommel und Robben eine kaum mehr zu überbietende Spielzeit. Gerade die jungen Deutschen waren plötzlich die Lieblinge und Helden der Nation. An so vielen Emotionen und Huldigungen sind schon einige junge Sportler - zumindest vorübergehend - zerbrochen.

"Der ein oder andere Spieler scheint nach der erfolgreichen Saison mit der Höhenluft nicht zurechtzukommen, das scheint mir der ein oder andere nicht verkraftet zu haben", urteilte Präsident Uli Hoeneß nach dem 0:2 in Dortmund.

Wer die vergangenen Spiele sah, weiß, wen er meinte: Bastian Schweinsteiger spielt ordentlich, aber drei Klassen schlechter als im Mai und Juni. Thomas Müller ist immer noch ein Draufgänger, die Gegner stellen sich ihm aber jetzt ebenso draufgängerisch in den Weg. Miroslav Klose hat seinen Nicht-Nationalelf-Blues, die Fehlschüsse von Mario Gomez sind sowieso ein Rätsel. Philipp Lahm ist vom WM-Kapitäns-Koloss zu einem ordentlichen Rechtsverteidiger geschrumpft, Mark van Bommels Schwächen in Spiel- und Lauftempo sind nicht mehr zu übersehen.

Die WM als Ausrede? Zumindest stehen Zahlen im Raum: Die ersten drei der aktuellen Tabelle - Mainz, Dortmund und Hannover - vereinigen insgesamt fünf WM-Fahrer in ihren Kadern, die Bayern alleine 13. Und dass die Münchner den Ausfall ihrer besten Offensivspieler Ribéry und Robben kaum verkraften können, ist schon länger bekannt. Außerdem wird immer deutlicher, dass zwei, drei zusätzliche Verpflichtungen erfolgshungriger Profis diesem Team sehr gut getan hätten.

1974/75 hieß es bald, die Münchner Weltmeister und -stars hätten keine Lust mehr auf die graue Bundesliga, die Bayern schlingerten durch eine ganze Saison und wurden am Ende Zehnter. So weit wird es 2011 wohl nicht kommen, zu hoch ist der Druck im Verein, mit einem Champions-League-Platz die Finanzen abzusichern. Der Ton von Vorstandschef Rummenigge und Hoeneß wird bereits schärfer. "Ich habe mit dem Wort Krise keine Probleme. Die Situation ist so, dass wir uns Sorgen machen müssen. Wir können uns nicht erlauben, mit 13 Punkten hinter der Spitze hinterzuhängen. Jetzt stecken wir in der Scheiße, jetzt müssen wir aus der Scheiße rauskommen", sagte Rummenigge.

Es wird aber auch für die scharfzüngigen Macher des Klubs nicht leicht, ihren WM-Emporkömmlingen den Trott auszutreiben, damit sie wieder mit der nötigen Lust und Euphorie auf den Rasen gehen. Andererseits ist der Zeitpunkt für eine Wende günstig: Zehn Tage mit dem Lustschiff Nationalmannschaft - am Freitag spielt Deutschland in Berlin gegen die Türkei - werden gerade den WM-Fahrern guttun. Es folgen Partien gegen Hannover, Hamburg, Freiburg und Mönchengladbach.

Und wenn es doch zum großen Krisenjahr des FC Bayern München in der Bundesliga kommt? Dann ist da ja noch die Champions League. In der Saison 1974/75 hat der Verein dann eben zum zweiten Mal den Europapokal der Landesmeister gewonnen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern: Einzelkritik
:Orchester ohne Ordnung

Van Bommel gibt den Dirigenten, auf den keiner hört, Braafheid trifft tatsächlich keine Schuld, Demichelis dagegen schon und Gomez überrascht alle - bis zu seiner ersten Chance. Die Bayern in der Einzelkritik.

Daniel Theweleit, Dortmund

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: