FC Bayern in der Champions League:Bayern irrt in Anderlecht umher

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Der FC Bayern zeigt sich in Anderlecht in der Defensive häufig orientierungslos. (Foto: AFP)
  • Der FC Bayern München bietet gegen den RSC Anderlecht eine der schwächsten Leistungen seit der Rückkehr von Jupp Heynckes.
  • Trotzdem gewinnen die Münchner 2:1 (0:0) gegen die Belgier.
  • Hier gibt es den Liveticker zum Nachlesen und hier geht es zu allen Ergebnissen der Champions League.

Von Benedikt Warmbrunn, Brüssel

Sven Ulreich stand verlassen im Strafraum, die Hände in die Hüften gestemmt, ein Mann komplett in Weiß. Es war ein Bild, das alles über den Abend sagte, über einen einzelnen Kämpfer, über ein Team, das irgendwie nicht richtig anwesend war. Es gab gerade Anstoß für München. Aber das war ja auch das Problem. Es war der Anstoß nach einem Gegentor.

Es war der Moment, in dem sie beim FC Bayern bangen mussten um eine Serie, auf die sie sehr stolz sind. Mit acht Siegen in acht Spielen unter Trainer Jupp Heynckes waren sie zu diesem Gruppenspiel in der Champions League beim RSC Anderlecht gereist. Doch nun drohte der erste Punktverlust, es stand 1:1. Die Serie wurde dann doch noch ausgebaut, der FC Bayern gewann 2:1 (0:0) - und doch war es der schwächste Auftritt unter Heynckes. Lustlos, uninspiriert trat die Mannschaft gerade in der ersten Halbzeit auf.

Heynckes: "War kein Ruhmesblatt"

"Wir sind vielleicht zu unbekümmert ins Spiel gegangen", sagte Jupp Heynckes. "Anderlecht hat so gespielt, wie man ein Champions-League-Spiel angehen muss. Wir hatten viel zu große Abstände und viele Ballverluste. Das hat auch mit der Konzentration zu tun. Das war heute kein Ruhmesblatt." Trotz des Sieges wurde der Abend richtig bitter, weil Thiago und Robben verletzt ausgewechselt werden mussten. Bei Robben sei es wohl "nicht so schlimm", sagte Heynckes nach dem Schlusspfiff. Aber "Thiago hat - glaube ich - eine schwere Muskelverletzung. Er kam ja schon angeschlagen von den Länderspielen zurück".

Das Spiel werde kein Spaziergang, hatte Heynckes am Dienstag noch gewarnt; das ist für ihn eine Frage des Respekts: jeden Gegner ernst zu nehmen. Den Gegner, den er am Mittwoch ernst nahm, war jedoch der vom kommenden Samstag, Borussia Mönchengladbach. Heynckes schonte Mats Hummels und Javier Martínez, dazu die angeschlagenen Kingsley Coman und David Alaba. Letzteren ersetzte als Linksverteidiger der 19-jährige Marco Friedl, der als Empfehlung für sein Debüt bei den Profis zehn Einsätze mit der U 19 in der Youth League aufweisen konnte, dazu eine als Alaba-Ersatz nicht unwichtige Eigenschaft: Auch er ist Österreicher.

Es war ein denkwürdiger Abend, den Friedl erlebte. Er spielte ordentlich, ohne große Fehler. Das reichte, um zu den besten Spielern seiner Mannschaft zu zählen.

Die meisten Spieler, die Heynckes aufgestellt hatte, waren im Schongang unterwegs, die erste Halbzeit war die schlechteste seit Heynckes' Rückkehr Anfang Oktober. Die meisten Spieler zeigten ein Tempo und eine Einstellung, die selbst einem Spaziergänger am Sonntagnachmittag unangenehm gewesen wäre. Nach vorne gelang dem FC Bayern wenig. Viele Anspiele waren ungenau, manche Zweikämpfe behäbig, viele Laufwege gemütlich gehalten. Ein Distanzschuss von Sebastian Rudy (16.), ein Nachschuss von Robert Lewandowski (33.), mehr passierte nicht.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Lewandowski lässt sich austricksen

Der Stürmer hat Probleme, trifft aber. Boateng schwimmt ein bisschen. Und Friedl feiert ein kompliziertes Debüt. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Christopher Gerards, Brüssel

Und hinten gelang dem FC Bayern im Grunde genommen überhaupt nichts. Es häuften sich die Missverständnisse, die Unkonzentriertheiten. Dass Anderlecht zur Halbzeit nicht führte, lag allein an Torwart Ulreich. Nach einem Fehlpass von Jérôme Boateng stand Lukasz Teodorczyk frei vor Ulreich, der Torwart parierte mit dem Fuß; den Nachschuss von Sofiane Hanni fing er (8.). Es hätte ein Ausrutscher gewesen sein können. Es wurde zum Muster des Abends.

In der 17. Minute steht Dennis Appiah frei im Sechzehner, er schießt riskant und knallhart, Ulreich klärt zur Ecke. Und so geht das immer weiter. Ulreich und Niklas Süle prallen zusammen, Uros Spajic köpft den Ball vorbei (27.). Teodorczyk ist völlig frei, er schießt vorbei (30.). Boateng kommt bei einer Flanke zu spät, Kopfball von Teodorczyk, daneben (35.). Ein schlampiger Rückpass von Corentin Tolisso, Teodorczyk schießt, wieder scheitert er an Ulreichs Fuß (39.). Wenige Minuten später muss dann Thiago ausgewechselt werden.

Die kreativste Szene der ersten Halbzeit aus Münchner Sicht steuerten die mitgereisten Fans bei, die gegen die hohen Ticketpreise protestierten, indem sie Falschgeld in Bündeln auf den Rasen warfen.

Für Arjen Robben nahm das Spiel kein gutes Ende. (Foto: AFP)

Die zweite Halbzeit begann mit einem weiteren Schock: Arjen Robben musste nach einer ruppigen Attacke von Spajic ausgewechselt werden (48.). Es war danach weiterhin keine überzeugende Partie. Aber es wurde etwas besser. In der 51. Minute spielte der FC Bayern erstmals einen Angriff ruhig und überlegt zu Ende; James Rodríguez passte zu Tolisso, der den Ball quer legte. Und in der Mitte wartete Lewandowski und musste den Ball nur noch ins leere Tor schieben.

Der FC Bayern agierte nun vorübergehend souveräner. Lange hielt dieser Zustand nicht an. In der 63. Minute herrschte im Strafraum vor Ulreich völlige Verwirrung, Hanni nutzte diese aus, der Ausgleich. In den Minuten danach war die Verunsicherung in jedem Ballkontakt zu erkennen, selbst Ulreich leistete sich nun einige Fehlpässe. Um Jupp Heynckes' Serie zu retten, reichte dann letztlich ein zweiter ruhiger, überlegter Angriff: Kimmich flankte präzise auf den Kopf von Tolisso, der traf zum Endstand (77.). Die zweite Halbzeit war dadurch zumindest nur die zweitschlechteste Halbzeit, seit Heynckes zurückgekehrt ist.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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