Abschied von Uli Hoeneß:"Das war's. Ich habe fertig. Danke."

Jahreshauptversammlung FC Bayern München

Da geht er hin: Begleitet von lang anhaltendem Applaus und langjährigen Weggefährten wie Franck Ribéry, Arjen Robben und Marko Pesic (von rechts) verlässt Uli Hoeneß die Bayern-Bühne.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Der FC Bayern verabschiedet sich bei seiner Jahreshauptversammlung versöhnlich von dem Mann, der ihn jahrzehntelang geformt hat -
  • Auch Uli Hoeneß verlässt versöhnlich seinen Verein.
  • Aber ist das überhaupt vorstellbar: ein Leben, in dem der 67-Jährige nicht den Klub lenkt?

Von Benedikt Warmbrunn

"Leider", sagt Uli Hoeneß, nachdem alles gesagt ist, "kommt nach der tollen Emotion immer das normale Leben." Und so beginnen seine letzten Minuten als Präsident des FC Bayern damit, dass Hoeneß Top 3 der Jahreshauptversammlung ankündigt, den "Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über den Jahresabschluss". Hoeneß erzählt irgendetwas von Paragraf 13, der irgendwas mit Paragraf 19 der Vereinssatzung zu tun habe, und dann sind die Emotionen tatsächlich schon wieder verflogen.

Aber hat für Hoeneß auch ein normales Leben begonnen?

Freitagabend, die Olympiahalle in München, 20.20 Uhr. Für den FC Bayern beginnt eine neue Zeit, eine, in der Hoeneß nicht mehr mit einem der höchsten Ämter ausgestattet sein wird, nach 30 Jahren als Manager, nach weiteren zehn als Präsident und Aufsichtsratschef, unterbrochen nur vor seiner Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung. Er wird noch einfaches Mitglied im Aufsichtsrat sein. Aber dass von ihm nichts mehr zu hören sein wird, das glaubt wohl keiner der anwesenden 6091 Mitglieder, und von den 287 000 nicht anwesenden Mitgliedern wohl auch keiner.

Kann Hoeneß das: kürzertreten? Kann er ein normales Leben führen, eines, in dem er nicht den FC Bayern lenkt?

Für diesen - vermeintlich - letzten Tag von Hoeneß an der Spitze des FC Bayern hat der Klub seine Jahreshauptversammlung verlegt, statt wie sonst im Audi-Dome findet sie in der Olympiahalle statt. 10 000 Mitglieder hatten sie erwartet, und wenn ein paar Tausend nicht mehr in die Halle gepasst hätten, es hätte sie im Klub nicht überrascht. Doch der große Ansturm blieb aus. Immerhin: Ein Dankesplakat haben die Mitglieder mitgebracht, "Danke Uli". Das war freundlicher als im vergangenen Jahr, als die Flagge von Nordkorea in der Halle hing, mit dem Zusatz: "Not my president". Die Jahreshauptversammlung 2018, auf der Hoeneß attackiert wurde, auf der er ausgepfiffen wurde, soll ihn nachhaltig beeindruckt haben, sie soll dazu beigetragen haben, dass er 2019 nicht noch einmal als Präsident antritt.

Und die Mitglieder, sie verabschieden sich versöhnlich von dem Mann, der ihren Verein jahrzehntelang geformt hat.

Es sieht tatsächlich so aus, als müsste Hoeneß mit den Tränen kämpfen

Als Hoeneß das erste Mal ans Pult tritt, wird er mit Begeisterung empfangen. Er wird eingehüllt im Applaus. Nach vier Minuten am Pult versucht er sich erstmals an seiner Begrüßung, "vielen, vielen Dank", sagt er, "aber irgendwann müss' mer anfangen". Die Mitglieder, die immer so gehorsam waren, nur im vergangenen Jahr vielleicht nicht, gehorchen zu Beginn der letzten Jahreshauptversammlung unter Hoeneß nicht. Sie klatschen weiter. Sie fangen sogar an zu singen, ein Lied, in dem Hoeneß als "der beste Mann" gefeiert wird. Der Ton für den Abend ist gesetzt.

Eine Minute später verbeugt Hoeneß sich. Er kaut auf den Lippen, und es sieht tatsächlich so aus, als müsste er, Hoeneß, mit den Tränen kämpfen.

Nach acht Minuten lässt der Applaus nach, Hoeneß setzt eine Brille auf. Doch wer nun große Emotionen erwartet, den enttäuscht der Präsident: "Zuerst mache ich meine Begrüßung, meine persönliche Rede kommt dann später."

Und wegen dieser Rede sind sie doch alle gekommen. Würde Hoeneß nach diesem Abend vor einem Jahr, an dessen Ende er gestand, dass er seinen Verein nicht wiedererkenne, friedlich auftreten? Würde er Versäumnisse eingestehen? Wie schwer vorstellbar der Klub ohne Hoeneß ist, gesteht Hoeneß selbst. Er erinnert an seine Wiederwahl nach seiner Haftstrafe. "Seit 1916", sagt er, hätten ihm die Mitglieder eine "wunderbare Zeit" beschert, "vielen Dank". Einen Moment lang sind sich die Mitglieder in der Halle nicht sicher, ob Hoeneß vielleicht sogar recht hat.

Die Seitenhiebe, an diesem Abend sitzen sie

Nachdem die Vizepräsidenten ihren Bericht vorgelesen haben, kehrt Hoeneß zurück an das Pult. "Ich möchte heute nicht so über den allgemeinen Zustand des Vereins sprechen", sagt er, "ich möchte so bisschen reflektieren über fast 50 Jahre, die ich nun fast in diesem Verein bin." Er erzählt von einem Sonntagabend 1970, an dem er von Ulm nach München gefahren sei, "vor lauter Aufregung" habe er in der Schellingstraße eine rote Ampel übersehen und einen Crash gebaut. "Trotzdem", sagt Hoeneß, "hat alles wunderbar geklappt." In diesem Plauderton blickt er weiter zurück auf seine Anfänge als Manager: Sieben Millionen Mark Schulden, zwölf Millionen Mark Umsatz, 20 Mitarbeiter. Dann zeigt sich, dass Hoeneß gelöst ist, dass er weniger verbissen ist als in den vergangenen Jahren, als er so oft ausgeteilt hat. Hoeneß macht einen Witz. Er sagt: "Das große Glück war: Wir hatten Karl-Heinz Rummenigge." Pause. "Den konnte ich nach Mailand verkaufen." Durch der Ablöse in Höhe von elf Millionen Mark habe der Klub alle Schulden abgebaut.

Überhaupt: Die Seitenhiebe, an diesem Abend sitzen sie. Gegen Dortmund (welche die Bayern-Profis am vorigen Wochenende "attackiert, dominiert und am Ende deklassiert" habe), gegen 1860 (in der Arena habe der FC Bayern einen Partner gehabt, der "ziemlich schwindsüchtig war").

Und dann sagt Hoeneß: "Jetzt hört er auf. Warum?"

Er gibt darauf keine schlüssige Antwort, vielleicht, weil es keine schlüssige Antwort geben kann, wenn einer nicht richtig aufhört. Er sagt, dass er nicht wolle, dass die Nachfolge nicht geregelt sei. Er lobt seinen Nachfolger Herbert Hainer (der später bei 79 Gegenstimmen mit "überwältigender Mehrheit" gewählt werden wird), er lobt den Vorstand, ganz besonders Oliver Kahn, der Anfang 2022 Vorstandsboss wird, auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der auf Hoeneß' Drängen hin zum Sportvorstand befördert werden wird. Und die Trainerfrage? Die überlässt Hoeneß Rummenigge, der später verkünden wird, dass besprochen worden sei, dass Hansi Flick "bis auf Weiteres" Trainer bleibt, und "dass bis auf Weiteres bis Weihnachten heißt und möglicherweise auch darüber hinaus".

Hoeneß erzählt in seiner Rede noch, dass ihn die Menschen in München, die nicht von ihrer Rente leben können, mehr beschäftigen als ein Tor von Aue in Sandhausen, mehr als ein entgleister Zug in Kolumbien: "Das ist wichtig." Nachdem er schon früher "großzügige Spenden" gemacht habe, werde er in diese Richtung in Zukunft "noch mehr" unternehmen.

Nach siebzehneinhalb Minuten beendet Hoeneß seine letzte große Rede als Präsident durchaus humorvoll: "Ich sage: Das war's. Ich habe fertig. Danke." Hoeneß läuft zurück zu seinem Platz auf dem Podium, er bekommt zweieinhalb Minuten lang Applaus geschenkt, dazu eine Fotocollage von Franck Ribéry sowie einen Kuss von seiner Frau Susi. Hoeneß setzt sich. Dann beginnt für ihn und seinen Verein so etwas wie das normale Leben.

Zur SZ-Startseite
FC Bayern Muenchen Annual General Meeting

JHV des FC Bayern
:Bei Salihamidzic ist die Bayern-Basis gespalten

Auf der Jahreshauptversammlung gibt es erst viel Einigkeit bei der Verabschiedung von Uli Hoeneß. Dann kommen die Wortmeldungen der Mitglieder. Der Liveticker zum Nachlesen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: