FC Bayern gegen Lyon:Sieben Schritte bis zum Halleluja

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Voll mit Adrenalin und mit der Bürde des "leichten Favoriten", aber ohne van Bommel tritt der FC Bayern zum ersten Halbfinale gegen Lyon an.

Moritz Kielbassa

Über sieben Brücken, würde Alt-Rocker Peter Maffay singen, muss der FC Bayern - im besten Fall - noch gehen in diesem spannungsreichen Saisonendspurt. Und dann ist alles möglich: Asche oder heller Schein! Drei Schlussetappen sind es bis zur möglichen Meisterschaft, dazu das Pokalfinale - und ebenfalls drei Spiele sind in der Champions League möglich, sofern die Bayern das am Mittwoch beginnende Halbfinale gegen Olympique Lyon überstehen.

Unter genauer Beobachtung, aber offenbar wieder fit und gegen Lyon dabei: Franck Ribéry (re.). (Foto: Foto: rtr)

Eine Trilogie aller Titel, das wäre gleich im ersten Jahr der totale Triumph für Trainer van Gaal, der fortan im Münchner Boulevard vermutlich Louis der Große hieße. Oder so, wie ihn seine Kartenspiel-Freunde daheim in Nordwijk nennen, weil er beim Bridge so oft gewinnt: "King".

Ribéry fit im Training

Die höchsten Würdenträger des Vereins warnen jedoch vor galoppierendem Übermut: "Es ist nicht gut, zu euphorisch zu werden", findet Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, man könnte ja auch eins, zwei, drei Trophäen verspielen. Ehrenpräsident Franz Beckenbauer grüßte den Trainer bereits im bewährten Kitzbüheler Plauderton: "Ein bisschen Hoffnung ist da, aber alle drei Titel holt er eh ned." Beckenbauer meint das nicht böse, er ist praktizierender Realist. Und käme es doch anders, dann würde er sich a) narrisch freuen und b) wohl vergnügt erzählen, ja, so hätte er es geahnt.

In Lyon hielt Beckenbauer vor neun Jahren, nach einem 0:3 in der Gruppenphase, jene berühmte Hotelbankett-Tirade ("Altherrenfußball, Uwe-Seeler-Traditionself"), nach der sich die ehrverletzten Bayern zum bisher letzten Champions-League-Sieg aufrafften, 2001. Seit damals standen sie auch nicht mehr im Halbfinale: "Solche Spiele sind ein Genuss, das hatten wir lange nicht mehr", sagt Mittelfeldmotor Bastian Schweinsteiger in freudiger Erwartung. "In einem Halbfinale ist man voller Adrenalin", weiß Verteidiger Philipp Lahm.

Es sind Gala-Abende - auch für die Großhirne auf der Trainerbank. Das andere Semifinale inszenieren, hübsche Pointe, ein früherer Assistent von Louis van Gaal (Mourinho, Inter) und ein früherer Spieler (Guardiola, Barça), beide aus alten Zeiten in Barcelona. Gäbe es also ein Endspiel mit Münchner Beteiligung in der Madrider Fußballkathedrale Santiago Bernabeu - dann mit vielen Geschichten und Beziehungsgeflechten. Der momentane Zeremonienmeister des Münchner Spiels, Arjen Robben, träte im Stadion des alten Arbeitgebers Real an, womöglich gegen Mourinho, seinen ehemaligen Chelsea-Coach. Stürmer Mario Gomez hat spanische Vorfahren. Und über Franck Ribérys mögliche Zukunft in Madrid sind in der jüngeren Zeitgeschichte zigtausend Zeilen geschrieben worden.

Jetzt aber erstmal: Lyon. Und das wird schwer genug, fürchtet Kapitän Mark van Bommel, früher Barça. Weil für Bundesligisten, zeigt die Erfahrung vergangener Jahre, "französische Gegner immer unangenehm sind", weiß van Bommel. Weil Lyon, glaubt er, trotz des Verlustes seiner Topspieler Juninho und Benzema "als Mannschaft noch besser geworden ist". Und wegen Bayerns Bürde, diesmal "leichter Favorit" (Zitat Bundestrainer Löw) zu sein und nicht kesser Außenseiter, wie zuletzt gegen Manchester.

Ordnung, Kalkül, Kraft

Die Bayern haben es mit Handschriftfußball aus holländischer Feder weit gebracht bislang, mit einem Potpourri aus penibler Ordnung, Kalkül und Willenskraft nach Rückschlägen (Florenz, Manchester) - eine Mischung, aus der zuletzt auch mal eine Pfundsgaudi für das Publikum entstand (7:0 gegen Hannover). Die prägenden Musikanten des Orchesters werden vor dem Lyon-Spiel nun sogar mit dem extraterrestrischen Star aus Barcelona verglichen - vom Trainer des irdisch-nationalen Titelrivalen Schalke: "Ribéry und Robben haben in meinen Augen das gleiche Niveau wie Lionel Messi", lobt der listige Felix Magath.

Ribérys angebliche Verwicklung in einen Sex-Skandal französischer Nationalspieler wurde am Montag zur Unzeit ein Thema. Am Dienstag nahm ihn der Verein zum Schutz vor Fragen von der Teilnehmerliste der internationalen Pressekonferenz. Im Abschlusstraining war der zuvor wegen einer Muskelverhärtung Geschonte dann aber fit und fidel dabei. Unter genauer Beobachtung steht Ribéry gegen Lyon jetzt in jedem Fall. "Er wird seinen Kopf ganz beim Spiel haben", sagt Beckenbauer unbesorgt.

Ob Ribérys Künstler-Ego eifersüchtelt, weil der öffentliche Glanz zuletzt so sehr auf Robben fiel, das weiß nur einer, er selbst. Van Gaal, der wegen der Beerdigung seiner früheren Schwiegermutter in Holland am Dienstag von Co-Trainer Jonker vertreten wurde, lobte Ribéry diese Woche demonstrativ. Und der Trainer kennt das wetterwendische Geschäft: "Heute heißt es: 'Halleluja Robben'. Morgen kann es "Halleluja Ribery' sein."

Ausgeschlossen ist für Mittwoch: Halleluja, van Bommel! Der Kapitän ist gelbgesperrt, das tut den Bayern weh, denn van Bommel steht für Raumordnung, für Kampfsignale und das beruhigende Tuning im Spiel, das vor zu naivem Zirkusfußball schützt. Daniel Pranjic - er ersetzte bereits im ersten Viertelfinale den anderen Sechser Schweinsteiger -, soll die Lücke füllen. Für den ebenfalls gesperrten Badstuber verteidigt Contento links, wie bereits beim 7:0 gegen Hannover. "Gegen Lyon wird es wahrscheinlich schwerer als am Samstag", sagt Beckenbauer, ein bisserl Ironie muss sein bei all dem Druck. Und über sieben Tore gehen müssen die Bayern ja wohl nicht auf dem Weg nach Madrid.

© SZ vom 21.04.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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