Fußballerinnen des FC Bayern:Im Rausch der Arena

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Gekonnt gekontert: Torschützin Lea Schüller und Sydney Lohmann halten in der Champions League vor 24 000 Besuchern Barcelonas Spitzenteam in Schach. (Foto: Christian Kolbert/Kolbert-Press/Imago)

Vor einer Rekordkulisse gelingt den Fußballerinnen des FC Bayern ein echter Mia-san-Außenseiter-Sieg gegen den FC Barcelona. In der Champions League dürfte das Team dem kleinen Campus-Stadion nun langsam entwachsen sein.

Von Christoph Leischwitz

Gerade wollte Stephan Lehmann die Zuschauerzahl vermelden, als das Anschlusstor für den FC Barcelona fiel (65.) - eine Ankündigung ausgerechnet in den einzigen Stimmungsdämpfer des Abends hinein. Eine Minute später setzte der langjährige Stadionsprecher des FC Bayern noch einmal an, und ein torjubelähnliches Rauschen brandete auf. 24 000 Besucher waren an einem Mittwochabend im grauen Dezember ins Stadion gekommen, nicht wegen, nicht trotz einer gerade stattfindenden Fußball-WM, weder als Gegenprogramm noch als Wellenreiter. Sondern einfach, weil so viele Menschen Lust hatten auf ein großes Frauenfußballspiel. "Das macht uns stolz, dass das in München möglich ist", schwärmte Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil nach einem in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Abend für den Verein.

Eine große Überraschung war die Besucherzahl im Grunde genommen nicht mehr. Im vergangenen März, als noch Corona-Einschränkungen galten, waren schon 13 000 Zuschauer zum Champions-League-Spiel der Frauen gegen Paris Saint-Germain erschienen. Danach gab es eine Frauen-EM, bei der das deutsche Nationalteam im Finale im ausverkauften Wembley-Stadion spielte. Vor zwei Wochen war die Mannschaft von Alexander Straus nach Barcelona geflogen und hatte vor 47 000 Zuschauern ein Spiel der Gruppenphase bestritten. Und schon Anfang dieser Woche hatte der FC Bayern mitgeteilt, dass bereits 20 000 Tickets verkauft waren.

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Umso erfreulicher war, dass sich das Kommen nicht nur gelohnt hatte, um beim neuen Münchner Besucherrekordspiel Selfies zu machen. Sondern auch aus sportlichen Gründen: Das 3:1 (2:0) über Barcelona - die "meiner Meinung nach beste Frauenmannschaft der Welt", wie Bayerns Spielführerin Lina Magull sagte - war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Einem echten Mia-san-Außenseiter-Sieg des FC Bayern beizuwohnen, das hat selbst der Stadionsprecher Lehmann wohl noch nicht erlebt. Dass dieses Rekordspiel in so guter Erinnerung bleiben wird, könnte auf dem Weg zu noch mehr Popularität ein zusätzlicher Katalysator werden.

"Die Atmosphäre", erzählte Zadrazil, "hat uns nochmal extra getragen." Magull hatte sogar im sogenannten Konzentrationstunnel mitbekommen, dass mehrmals eine La Ola die Runde machte. Und so ist es am Mittwochabend noch unwahrscheinlicher geworden, dass die Kapazitäten des 2500 Zuschauer fassenden Campus-Stadions, vier Kilometer von der Arena entfernt, für ein Viertelfinale in der Champions Women League ausreichen könnten. Die Tür dorthin steht nach dem überraschenden Sieg jedenfalls schon einmal sehr weit offen.

Dem neuen Bayern-Trainer Straus gelingt sein erstes kleines Meisterstück

Was die Bayern-Frauen mit den Bayern-Männern gemeinsam haben, ist die Spielidee: Viel Ballbesitz und dominantes Auftreten sollen zum Erfolg führen. Diesmal durften die Frauen in die Rolle schlüpfen, die im Bundesligaalltag den Gegnerinnen vorbehalten ist: auf Konter lauern, konsequent verteidigen, eine möglichst harte Zweikampfführung. Nach zehn Minuten stand es 2:0 durch Tore von Klara Bühl, die am Mittwoch ihren 22. Geburtstag feierte, und Magull. Barcelona war übertölpelt, denn die Bayern konterten gekonnt, trotz der ungewohnten Aufgabe und trotz der Niederlage im Hinspiel. Somit gelang dem Norweger Alexander Straus, der erst seit Sommer Bayern-Trainer ist, sein erstes kleines Meisterstück, nachdem sein Team in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg 1:2 verloren hatte (übrigens vor 21 300 Zuschauern) und nicht jeder Sieg so dominant wie gewünscht ausfiel. "Man muss sich eben anpassen", sagte Straus.

Sein erster Auftritt auf dem hohen Pressepodium der großen Arena geriet sehr lang, der 47-jährige Trainer ging bereitwillig auf taktische Details und ausführlich auf fast jede einzelne Spielerin ein. Von der Torhüterin Maria Luisa Grohs, die einige Glanztaten zeigte (32., 48., 68. Minute), über eine leidenschaftlich kämpfende Abwehr bis vor zur Offensive, die den Plan einfach gut umgesetzt habe. Das 3:0 durch Lea Schüller per Kopf (60.) war eine dringend benötigte Zäsur nach dem permanenten Anrennen der spielerisch überlegenen Spanierinnen gewesen. Barcelona führt die spanische Liga nach elf Spielen ohne Verlustpunkte und mit einem Torverhältnis von 45:4 an, in der Champions-League-Gruppe standen vor dem Spiel in München 14:1 Tore zu Buche. Es sei ganz gut, merkte hernach auch Magull an, dass man in der möglichen K.o.-Phase bis auf Weiteres den Spanierinnen erst einmal nicht mehr begegnen könne.

"Wir wollen uns in der internationalen Spitze etablieren, und solche Spiele bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind", erklärte Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern. Die Sportliche Leiterin des Teams, Bianca Rech, sprach von einer "unglaublichen Wertschätzung" für das Frauenteam. Hinsichtlich der Zuschauerzahlen im Alltag sagte die Österreicherin Zadrazil, die wegen der guten sportlichen Perspektive beim FC Bayern bis 2026 verlängert hatte, es sei immer noch Luft nach oben: "Aber wir öffnen Türen für nachfolgende Generationen." Aus einem Hype ist jedenfalls insofern Normalität geworden, als große Spiele jetzt regelmäßig eine große Anhängerschaft anziehen.

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