FC Bayern:Dienstantritt des Verteidigungsministers

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Anatolij Timoschtschuk kommt mit großer Entourage zu den Bayern und sorgt für eine spannende Diskussion um die Besetzung des Mittelfelds.

Johannes Aumüller

Anatolij Timoschtschuk weiß, was sich gehört. Uli Hoeneß zeigt ein seltenes Uli-Hoeneß-Strahlen, als der neue defensive Mittelfeldspieler des FC Bayern auf ihn zukommt, höflich die Hand reicht und freundlich "Guten Tag" sagt. Auch an den Angestellten, die gerade in der Kantine zu Mittag essen, geht er nicht grußlos vorbei, sondern wünscht "Guten Appetit". Und als ihm ein Mitarbeiter vom Security-Dienst "Viel Glück" wünscht, nickt er diesem freundlich zu.

Anatolij Timoschtschuk wird mit Mark van Bommel um einen Platz in der Startelf kämpfen. (Foto: Foto: ddp)

Deutsch sprechen kann der elf bis 15 Millionen teure Timoschtschuk kaum (das soll sich in Kürze ändern), Deutsch verstehen schon etwas besser. "Ich versuche immer, ein umgänglicher Mensch zu sein", sagt der Ukrainer in russischer Sprache. Sein Lieblingsklub in der Bundesliga war stets der FC Bayern, seine Autogramme sind schon kurz nach Dienstantritt begehrt, und Timoschtschuk stellt fest: "Ich weiß, wie wichtig die Menschen sind, die sich darum kümmern, dass in einem Verein alles perfekt läuft."

Höflich und zurückhaltend - das waren nicht unbedingt die Attribute, die sich laut bisherigen Schlagzeilen über ihn aufgedrängt hatten. Eher schon Begriffe wie glamourös und luxuriös. Da ist zum Beispiel seine Ehefrau Nadeschda, die in bester Gaby-Schuster-Tradition die Vertragsverhandlungen führte. Oder die Luxuswohnung in Dubai, die er leider nur in der 43. Etage kaufen konnte, obwohl doch die 44 seine Lieblings- und auch seine künftige Rückennummer ist (jetzt will Timoschtschuk ein Haus außerhalb von München kaufen).

Oder die Ankündigung, als erster Bayern-Profi einen eigenen Koch, eine eigene Physiotherapeutin und einen eigenen Pressesprecher mitzubringen, mit denen er schon in Russland arbeitete. Der Pressesprecher ist ein Bekannter aus den Anfangstagen seiner Karriere, die beiden anderen lernte er im Winter-Urlaub auf den Malediven kennen. Doch noch ist der persönliche Betreuungsstab gar nicht in München, sondern muss sich um die nötigen Dokumente kümmern.

Timoschtschuks Auftreten abseits des Platzes auf das Glamouröse zu reduzieren, in ihm gar einen Mini-Beckham erkennen zu wollen, wird dem 30-Jährigen aber nicht gerecht. Zwar sind von seinen bisherigen Stationen auch viele Geschichten außerhalb des Fußballs bekannt - darunter aber viele gesellschaftlich relevantere.

So nahm er an der Aktion "Zeig' Rassismus die rote Karte!" teil, weil es in Russland sowohl im Fußball als auch in der übrigen Gesellschaft zu enorm vielen Übergriffen kommt. Schon mehrmals beteiligte er sich an Versteigerungen für einen guten Zweck. Neulich hielt er an der Petersburger Universität eine Vorlesung zum Thema: "Management und Führungsqualitäten".

Auf der nächsten Seite: Warum Timoschtschuk in eine der spannendsten Personalien des FC Bayern involviert ist.

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Führungsqualität ist eines der zentralen Stichworte für die kommende Spielzeit. Timoschtschuk, zu dessen Stärken sein Stellungsspiel und sein Zweikampfverhalten zählen, versteht sich als Antreiber einer Elf. Nicht umsonst heißt eines seiner Vorbilder Lothar Matthäus, mit dessen früherer Original-Spielführerbinde er lange auflief.

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In Donezk, wo er von 1999 bis 2007 spielte, war er bereits in jungen Jahren Kapitän, in St. Petersburg übergab ihm Trainer Dick Advocaat die Armbinde, als er gerade zwei Monate im Verein war. Auch in der ukrainischen Nationalmannschaft (81 Länderspiele) gehört er zu denen, die auf dem Platz Verantwortung übernehmen. Und damit kommt er beim FC Bayern dem Mann in die Quere, der bisher auf dem Platz das Sagen hatte: Mark van Bommel.

Ob Louis van Gaal Timoschtschuk und van Bommel, die sich neulich zufällig am Münchner Flughafen trafen und dann gemeinsam in die Stadt fuhren, in die Startelf beordert, gehört zu den spannendsten Personalien des Sommers. Im 4-4-2-System der Vorsaison wäre für beide Platz; ändert van Gaal auf ein Rauten-System, müsste einer weichen.

"Wer spielt, entscheidet der Trainer", weist Timoschtschuk Nachfragen diplomatisch zurück, "ich habe sowohl das 4-4-2-System als auch die Raute als auch das 4-3-3-Modell schon gespielt und fühle mich in allen Systemen wohl."

Zuletzt in St. Petersburg agierte er in Advocaats 4-3-3 als alleiniger Sechser. Weil zudem Spieler wie Andrej Arschawin oder Danny vor ihm wirbelten, die bei all ihrem Offensivdrang ziemlich oft den Rückwärtsgang vergessen, musste sich Timoschtschuk weitgehend auf die Defensive beschränken, obwohl er auch im Spiel nach vorne Qualitäten hat.

Entsprechend lautet der Titel seines Blogs: Ministr oborony (Verteidigungsminister). Lange hat er sein Blog nicht mehr gepflegt, nun will er gleich auf mehreren Sprachen publizieren. Auf Russisch, Ukrainisch, Englisch und, natürlich, auch auf Deutsch.

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